Zwischen Geisterstadt und Gedankenlosigkeit
Wo die Vernunft fehlt, helfen nur Verbote

Von Rüdiger Busch
Buchen. Es herrscht Ausnahmezustand in Deutschland. Seit der Ankündigung von Kanzlerin Angela Merkel am Montagabend, das öffentliche Leben einzuschränken, ist nichts mehr, wie es war. Nach den Schulen und Kindergärten haben nun auch die meisten Gaststätten, viele Geschäfte und Schwimmbäder geschlossen, um die explosionsartige Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Weite Teile des öffentlichen Lebens sind lahmgelegt, die Wirtschaft ächzt, vor allem kleinere Betriebe werden schon jetzt von konkreten Existenzängsten geplagt, vor allem Kranke und Ältere leiden unter dem Wegfall sozialer Kontakte, die Frage nach der Kinderbetreuung bringt so manche Familie an die Grenzen des Machbaren, und die Beschäftigten im Gesundheitswesen und im Einzelhandel sind über diese Grenzen mitunter schon lange hinaus.
Und doch gibt es Zeitgenossen, bei denen die Botschaft noch immer nicht angekommen ist – nicht nur in den Städten, sondern auch bei uns auf dem Land. Lesen die keine Zeitung? Schauen die kein Fernsehen? Informieren die sich nicht im Internet? Oder haben die keine Eltern, keine älteren Geschwister oder keine Freunde, die ihnen die schwierige Situation erklären?
Diese Fragen musste sich jeder stellen, der am Dienstagabend am Bolzplatz hinter dem Buchener Hallenbad vorbeikam. Mehr als 30 Jugendliche und junge Männer spielten dort gemeinsam Fußball und Basketball, unterhielten sich, lachten gemeinsam und klatschten sich ab. Eine schöne, sinnvolle Freizeitbeschäftigung – in normalen Zeiten. In Zeiten der Krise eine gefährliche Gedankenlosigkeit.
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Einen halben Tag später: In der fast menschenleeren Buchener Fußgängerzone herrscht Geisterstadtatmosphäre. Die meisten Geschäfte haben geschlossen. Einige Wirtschaften bieten Lieferservice an. Zwei Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes klappern die Betriebe ab und informieren die Inhaber ebenso freundlich wie kompetent über die neueste Verordnung des Landes Baden-Württemberg, die seit Mitternacht in Kraft ist.
Vorerst bis 19. April müssen alle Geschäfte ihre Pforten schließen. Ausgenommen sind Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf, Hofläden, Raiffeisen-, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte und der Großhandel.
Gaststätten, Bars, Clubs, Eiscafés und Shisha-Bars sind ebenfalls zu. Vom Verbot ausgenommen sind nur Schank- und Speisegaststätten sowie Mensen, wenn sichergestellt ist, dass die Plätze für die Gäste so angeordnet werden, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Tischen bzw. zwischen den Stehplätzen gewährleistet ist. Spätestens um 18 Uhr müssen sie aber schließen. auch diese Regelung gilt vorerst bis nach den Osterferien, 19. April.
Und noch etwas ist neu: Nun werden auch in Baden-Württemberg Bolz- und Spielplätze geschlossen. Wie die Stadt Buchen mitteilte, wurden deshalb alle rund 50 Spielplätze sowie 20 Sport- und Bolzplätze im gesamten Stadtgebiet samt dem Alla-Hopp-Gelände geschlossen. Der städtische Bauhof hat überall Verbotsschilder angebracht. Die Einhaltung wird vom städtischen Vollzugsdienst stichprobenartig überwacht.
Standesamtliche Trauungen werden weiterhin im Alten Rathaus durchgeführt, die Anzahl der zugelassenen Gäste wird aber auf zehn reduziert. Gleichzeitig werden alle, die ihre Termine in den nächsten Wochen haben, darum gebeten, sich Gedanken zu machen, ob eine Verschiebung nicht doch sinnvoll wäre.
Bezüglich der Beerdigungen wird noch einmal dringend darum gebeten, Beisetzungen unbedingt nur im kleinsten Familienkreis durchzuführen und Datum und Uhrzeit nicht bekannt zu geben. Bürgermeister Roland Burger appelliert diesbezüglich ausdrücklich an die Vernunft und die Einsicht aller: "Bei diesen Verboten geht es nicht um einzelne, jeder von uns hat auch Verantwortung für die Gesellschaft. Und die können wir nur schützen, wenn jeder seine sozialen Kontakte da einschränkt, wo es irgendwie möglich ist."
Die Massenansammlungen hinter dem Buchener Hallenbad sind also Vergangenheit. Bleibt zu hoffen, dass nicht auf andere Plätze ausgewichen wird. Je unvernünftiger die Menschen jetzt nämlich sind, desto schwerwiegender werden die Konsequenzen für uns alle sein. Und desto länger bleibt dieser Ausnahmezustand, an dem wohl keiner Freude hat.



