Auf die "Folter" folgen neue Erkenntnisse
Preisgekröntes Medienprojekt untersucht Zusammenhang zwischen Lebensweise und Gesundheit

Gespür entwickelt man am besten mit Ausprobieren: Einen besseren Umgang mit sich selbst üben Schüler der Hardbergschule beim preisgekrönten Medienprojekt. "Activity Tracker" am Handgelenk (kl. Foto) liefern dabei Daten zu Aktivität und Ruhe. Aber auch Grundlagen der Ernährung stehen auf dem Stundenplan - etwa mit der AOK-Expertin Nicole Nies. Fotos: Lahr
Von Peter Lahr
Mosbach. Kürzlich berichtete die RNZ darüber, dass die Hardbergschule beim "Schulpreis für das beste Medienprojekt 2017" der Dieter-Schwarz-Stiftung einen Anerkennungspreis inklusive Preisgeld von 5.000 Euro erhielt. Worum es bei "Mein Körper, Gesundheit und Schlaf" - so der Titel des Projekts - genau geht, das erläuterten die Lehrer Alexandra Gotter und Marco Gellert nun während eines Besuchs der AOK-Ernährungsberaterin Nicole Nies.
Schnell wurde dabei klar, dass die "Activity-Tracker" am Handgelenk der Schülerinnen und Schüler zwar wichtige Basis-Daten liefern. Doch darüber hinaus geht es darum, dass die Schüler ein Gespür dafür entwickeln, wie sich Ernährung, Bewegung und (ausreichender) Schlaf auf ihre Aufnahmefähigkeit, Konzentration und letztlich ihr Wohlbefinden auswirken.
"Wir wollen die Schüler aus ihrer Lebenswelt abholen", erklärt Marco Gellert den Einsatz der digitalen Mini-Messstationen. Für die "Premiere" hatte die Firma "Polar" die am Handgelenk zu tragenden "Tracker" der Schule ausgeliehen. Nun konnte man - nicht zuletzt dank des Preisgelds - einen ganzen Klassensatz davon erwerben.
Doch erst einmal einen Schritt zurück, zur "Hardware", also den Lebensmitteln. Sieben Stationen hat Ökotrophologin Nies für die Schüler der fünften bis siebten Klasse vorbereitet. "Wir müssen riechen", erläutern Mirco und Maylin ihre Aufgabe. Zitrone war kein Problem. Nelke und Lavendel stellten aber echte Herausforderungen dar.
Auch interessant
Im Alltag schwört Mirco auf "Zitronenpfeffer". Erst heute Morgen habe er damit sein Frühstücksrührei gewürzt. "Pommes haben mehr als Kartoffeln; Fischstäbchen haben mehr als normaler Fisch", erkennen Mohammed und Kevin an der nächsten Station. Klar, es geht ums Fett.

Wie Cola ohne Kohlensäure und Aromen wie Zitronensäure schmecken würde? Auch das können die Schüler testen. "Sehr süß" bis "eklig süß", lauten die Kommentare.
"Was brauche ich, damit ein Lebensmittel zum Genussmittel wird?" Dieser Frage spüren die Schüler im Stuhlkreis nach - und testen gleich ein quadratisches Testobjekt. Wohl selten wurde so viel gekichert, während ein Schokostückchen langsam auf der Zunge zergeht.
Die "Ernährungspyramide" bricht Nicole Nies schnell herunter auf den Alltag der Schüler und fragt: "Was davon habt ihr heute schon gegessen oder getrunken?" Es geht der Expertin dabei nie um "das Perfekte". Vielmehr setzt sie auf kleine Schritte. Ganz wichtig dabei: "Dass man zu sich selber ehrlich ist."
Nicht austricksen lassen sich auch die "Activity Tracker", eine Weiterentwicklung der im Sport verwendeten Herzfrequenzuhren. "Wir anonymisieren die Benutzerdaten über einen Zahlencode", kommt Marco Gellert schnell auf die Schattenseite der neuen Medien zu sprechen. Stichwort "Datenschutz". Allein schon mit den Angaben zu Körpergewicht und Körpergröße kann man schnell zur Mathematik kommen: Maßeinheiten wie Kilogramm und Zentimeter sind der Anfang; bis hin zum Prozentrechnen geht es weiter.
"Wir haben mit der Foltermethode des Schlafentzugs angefangen", verweist Klassenlehrerin Alexandra Gotter auf eine weitere Ebene des fächerübergreifenden Lernens. "Die Schüler sollen sich bewusst werden über ihr Handeln. Sie sollen keine Diät anfangen", umschreibt sie das Ziel des Projekts. "Wir lassen die Schüler morgens drei Mal ums Schulhaus rennen", zeigt Marco Gellert eine weitere Praxis-Facette auf. "Man kommt durch Ausprobieren schnell dahin, wo man will", kommt er auf die Benutzerfreundlichkeit der Geräte zu sprechen.
Die Schüler seien generell geübt im Umgang mit digitalen Medien. Neuland sei dann aber häufig das Umsetzen der Daten in Analysen und Grafiken sowie das spätere Präsentieren. Nicht nur die Schüler seien mit Eifer dabei, ihren Lebensstil zu erforschen. Auch die ersten Lehrer trügen bereits Tracker. "Wir werten nicht. Es gibt kein richtig und falsch. Wir sehen es positiv", verweist Gotter auf eine wichtige Grundregel.