Zum Feier-Auftakt gibt's eine Jubiläums-Webseite
Der Auftakt der Feierlichkeiten sorgte für ein volles Haus im Landratsamt. Die Jubiläumswebseite wurde vorgestellt.

Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. In der Region geht man die Dinge ja gern pragmatisch an. Und so fand sich vor geraumer Zeit auf die Frage "Wie (ver)packt man fünf Jahrzehnte Kreisgeschichte?" eine pragmatische Antwort: Einfach mal anders. Mit einer etwas anderen Jubiläumswebseite anstelle eines Festbuchs oder einer Chronik, "die im Zweifelsfall ja doch wieder nur irgendwo im Regal verstauben würde", so Landrat Dr. Achim Brötel.

Zur offiziellen Freischaltung der besonderen Webseite hatte man am Dienstagabend ins Foyer des Landratsamts eingeladen, das sich dann auch bis auf den letzten Platz gefüllt präsentierte. Beim ersten "Spaziergang durch 50 Jahre Kreisgeschichte" wollten den amtierenden Landrat nicht nur zwei seiner Vorgänger, sondern auch zahlreiche andere Weggefährten und Gäste begleiten. Kurz darauf durften auch alle nicht Geladenen auf die geschichtsträchtige Tour: Kurz nach halb acht wurde die für jede und jeden zugängliche Jubiläumswebseite freigeschaltet.

Zuvor hatte man sich für den gemeinsamen Spaziergang natürlich adäquat aufgewärmt. Das zum Auftakt vom preisgekrönten Chor Royal angestimmte "Have a nice day" durfte als Motto des Abends angenommen werden, Achim Brötel freute sich über die "hervorragende Resonanz" bei der Freischaltungsfeier. Zu der waren natürlich sein Vorgänger Detlef Piepenburg und dessen Vorgänger Dr. Gerhard Pfreundschuh gekommen; auch die Kinder des ersten Landrats des Neckar-Odenwald-Kreises, Hugo Geisert, konnte Brötel begrüßen.
Ebenso die Betreuungsabgeordneten MdL Fadime Tuncer und Jan-Peter Röderer, ein Quartett an (ehemaligen) Ersten Landesbeamten sowie Seckachs Bürgermeister Thomas Ludwig als Kreisvorsitzenden des Gemeindetags und zahlreiche weitere kommunalpolitisch und gesellschaftlich engagierte Kreisbürgerinnen und -bürger.
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"Eine Liebesheirat war es seinerzeit sicher nicht", blickte Achim Brötel zunächst auf die von Vorbehalten und Emotionen begleitete Zusammenführung der Landkreise Buchen und Mosbach zum Odenwaldkreis: "Mancher wollte darin noch nicht einmal eine Vernunftehe sehen."
50 Jahre danach seien die Vorurteile längst "besserer Einsicht" gewichen, der Kreis sei zusammengewachsen und habe ein ganz eigenes Profil – etwa als Bio-Musterregion oder Vorreiter bei erneuerbaren Energien – entwickelt, so Brötel. Zur "goldenen Hochzeit" des Neckar-Odenwald-Kreises wünschte sich der Landrat, dass man auch weiterhin das lebe, was die Region ausmache: Tatkraft, Gemeinschaftsgeist und Zuversicht.
Jene demonstrierte Zuversicht lobte Fadime Tuncer explizit, gerade der Einsatz für den Klimaschutz und erneuerbare Energien habe Strahlkraft über den Kreis hinaus, so die Betreuungsabgeordnete der Grünen für den Landkreis. Ihr Kollege von der SPD, Jan-Peter Röderer, zeigte sich glücklich, als Abgeordneter nun auch beruflich "ein Bein im Neckar-Odenwald-Kreis" zu haben. Der sei eine "Erfolgsgeschichte", so Röderer, der ein "offenes Ohr" für die Belange der Region zusicherte und sich "begeistert" von der Jubiläumswebseite zeigte.
Den Reigen der Grußwortredner schloss Thomas Ludwig, der die Vorlage von der Erfolgsgeschichte gern aufnahm. Auch in den 27 Kreiskommunen sei man überaus zufrieden mit dessen Entwicklung; ein "Altkreisdenken" gebe es kaum mehr. Ludwig unterstrich den "hervorragenden Zusammenhalt" zwischen Gemeinden und Landkreis samt Verwaltung, deren Mitarbeitern er Dank sagte. Der Kreisvorsitzende des Gemeindetags nutzte die Bühne aber auch, um auf "sinnfreie Auswüchse der Bürokratie" hinzuweisen, warnte vor einem "Zu-Tode-Verwalten". In der Region sei man erfahren darin, aus wenig viel zu machen. Sein Vorschlag nach oben lautet daher: "Gebt uns die Mittel, wir machen den Rest."
Nicht mittellos gekommen war auch der Überraschungsgast des Abends: Ravensteins Altbürgermeister Horst Weber bescherte den Landkreis mit einer Holzstele aus heimischer Eiche. "50 Jahre vereint" war auf der zu lesen – fast wie bei einer echten goldenen Hochzeit.
Im Rahmen des Aufwärmprogramms zum Jubiläumsspaziergang hatte Kreisarchivar Alexander Rantasa den Bogen in die Zeit vor der Gebietsreform von 1973 gespannt. Dabei wurde deutlich, dass Bezirke, Verbände und Kreise schon vor der großen Reform, die den NOK entstehen ließ, immer wieder neu geordnet wurden. Alles Wissenswerte dazu findet sich in der Wanderausstellung zu 50 Jahre Neckar-Odenwald-Kreis wieder, die unter Federführung des Kreisarchivars entstanden und nun zunächst im Landratsamt zu sehen ist.
Neben der Zeit vor der Gebietsreform werden dabei der Kreistag, die Landräte sowie die Zeitschienen 1973 bis 2000 und 2001 bis 2023 intensiv beleuchtet. Der Kreisarchivar erinnerte auch an ein "heftiges Tauziehen" um den Kreissitz, das der Landtag schließlich pro Mosbach entschieden habe. "Dafür wurde ein Buchener dann Landrat in Mosbach", erinnerte Rantasa an Hugo Geisert als "Vater des Landkreises".
Dessen beide Nachfolger durften dann unter Anleitung und Moderation von Achim Brötel tatsächlich auf Tour durch die Kreisgeschichte gehen, ganz bequem von ihrem Sitzplatz in der ersten Reihe aus. Um einen erlebnisreichen Spaziergang zu ermöglichen, hatte ein Team um Chef-Rechercheur Kenneth Weidlich und Lea Kirchgeßner (LRA) mehr als 31.000 Zeitungsartikel aus den Archiven der Rhein-Neckar-Zeitung und der Fränkischen Nachrichten gesichtet. Christof Kieser und Stefan Müller-Ruppert (Redaktion) wiederum sortierten und filterten ausdauernd, was als Haltepunkten für die 50-Jahres-Tour infrage kommen könnte.
Der neue Hochleistungsscanner des Kreisarchivs lief heiß, und Matthias Grimm (IT und Grafik) wiederum hatte das Ganze dann zusammenzubauen, heißt: eine stimmige Webseite aus all dem schönen Material zu gestalten. "Das war ein Fulltime-Job für ein ganzes Jahr", skizzierte Grimm am Rande der Präsentation, wie viel Aufwand man zur Vorbereitung des virtuellen Spaziergangs, den auch Jan Egenberger und Marion Günther (Öffentlichkeitsarbeit LRA) anreicherten, tatsächlich betrieben hat. Des Landrats großer Dank war den Machern schon vor dem Startschuss gewiss.

Die Anerkennung der Premierengäste folgte auf dem Fuße: "Herrlich", zeigte sich eine ansonsten eher kritische Kollegin aus der Presseecke schon vom ersten Beitrag auf der Jubiläumswebseite entzückt. Eisprinz Hans-Joachim Bäumler war beim Besuch an der Grundschule Diedesheim – wo seine große Liebe (Marina Engelmann) lehrte – von der Zeitung begleitet worden. Auf den Traum aller Schwiegermütter folgten etliche weitere bemerkenswerte Beiträge aus der Rubrik "Was sonst noch war" – inklusive Riesenrettichen, Rekordversuchen im Dauerbaden und Aschehalten oder Mist, der einst auf Wunsch auch einzeln abzugeben war.
Um Missverständnissen vorzubeugen, hatte Achim Brötel einführend klargestellt, dass man mit der Webseite keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit bedienen könne und es sich vielmehr um eine "durch und durch subjektive Zusammenstellung" handle. Dass man bei dieser individuellen Auslese viele Volltreffer gelandet hat, wird beim Spaziergang durch 50 Jahre und 1838 Artikel schnell offenbar.
Neudeutsch ließe sich das Ganze wohl mit "bestes Infotainment" beschreiben: Geschichtlich Bedeutendes wird dabei von "herrlichen" (um sich bei der Kollegin zu bedienen) Randgeschichten begleitet, die den informativen Spaziergang eben zur mitunter abenteuerlichen und fast durchgängig höchst unterhaltsamen Tour machen. Die sich zudem ganz leicht selbst und je nach Ausdauer unternehmen lässt. Ungeübten seien hier mehrere kleinere Etappen empfohlen; der Spaziergang durch die Geschichte fällt ob der vielen Blüten am Wegesrand schnell viel länger aus als geplant ...
In 50 Jahren Kreisgeschichte finden sich jede Menge schräge Geschichten, die mitunter zu bemerkenswerten Schlagzeilen führten:
> "Buchen wäscht Mosbachs dreckige Wäsche" – zu den Krankenhäusern, die ab 1987 nur noch eine Wäscherei hatten.
> "Benzin nun auch in Mosbach unter 1 Mark" – gemeldet im März 1986, verbunden mit der Frage: Warum sind wir in der Region eigentlich in einer Teuerzone?
> "Pferd stürmte Postamt" titelte die RNZ im Dezember 1994, als ein entlaufenes Pferd in Schefflenz beim Postamt vorbeikam.
> "Außer Busen nichts gewusen" hieß es 1976 in den Fränkischen Nachrichten zum Konzert einer dänischen Frauenband, die sich in Rippberg wenig inspirierend, aber dafür oben ohne präsentierte.
> "Treibt Satan auf der Minneburg sein Spiel?", fragte die RNZ 1994 aufgrund seltsamer Rituale am Neckar.
Beeindruckende Zahlen
Für die Freunde der Statistik anbei ein paar Hintergrunddaten zur Entstehung der Jubiläumswebseite:
> 31.156 Zeitungsausgaben wurden gesichtet.
> 10.116 Artikel haben dabei das Interesse der Jubiläumsredaktion geweckt.
> 24.212 Fotos wurden aufgenommen, übermittelt und gesichtet.
> 111 Gigabyte Datenvolumen wurden für die Produktion der Jubiläumswebseite hin- und hergeschickt.
> 1838 Artikel fanden Aufnahme in den Zeitstrahl der Webseite "50 Jahre Neckar-Odenwald-Kreis".