Das neue Müll-System soll solidarischer sein
Die KWiN muss 11,4 Mio. Euro über Gebühren finanzieren - Gebührenerhöhung mit gestiegenen Entsorgungskosten begründet

Von Alexander Rechner
Neckar-Odenwald-Kreis. Restmüll, Bio, Altpapier und Plastik, gelbe, grüne, schwarze oder blaue Tonne – das Thema "Müllentsorgung" ist so bunt wie facettenreich. Mit einem Regenbogen unterschiedlicher Behälter sollen die Kreisbewohner ihre Abfälle genau trennen. Parallel dazu präsentierte die Kreislaufwirtschaft Neckar-Odenwald (KWiN) ein neues, mehrsäuliges Gebührensystem unter anderem aus Grund- und Leistungsgebühr, das der Kreistag im Dezember vergangenen Jahres beschlossen hat. Im Zuge dessen sind auch die Müllgebühren für einen Großteil der Haushalte gestiegen, was bis heute in der Bevölkerung die Gemüter bewegt. Leser wenden sich an die RNZ und wundern sich darüber, dass sie stärker zur Kasse gebeten werden.
Die KWiN nennt gleich zwei Gründe dafür, dass sie an der Gebührenschraube drehen musste. Zum einen seien die Entsorgungskosten gestiegen. Mittlerweile zahle das kreiseigene Unternehmen mit Sitz in Buchen für Rest- und Sperrmüll, Bioabfall, Grüngut und Altholz rund zwei Millionen Euro mehr pro Jahr. "Seit dem Jahr 2014 sind die Kosten, die wir finanzieren müssen, um den Faktor 1,5 angewachsen", erläutert Martin Hahn, Pressesprecher der KWiN. Zum anderen habe man sich dabei von dem Gedanken leiten lassen, die "Verteilung der Gebühren den tatsächlichen Gegebenheiten besser anzupassen". Im alten Gebührensystem habe man als Bemessungsgrundlage einzig und alleine die Größe der Restmülltonne heran gezogen. "Tatsächlich macht aber die Restmüllsammlung und -entsorgung nur rund 35 Prozent der Gesamtkosten aus", erklärt Hahn. Die verbleibenden 65 Prozent setzten sich unter anderem aus Aufwendungen für Grünabfall sowie für die Bioabfallsammlung und -entsorgung zusammen. Und die sei gesetzlich vorgegeben. Hinzu kämen noch Kosten für Beratung und Betreuung, Informatik und Organisation sowie Elektronikschrott- und Altholzsammlung, Pacht, Personalkosten und Abschreibungen. "Diese anfallenden Kosten werden von jedem Haushalt verursacht", argumentiert der Pressesprecher, weshalb jeder sie auch zahlen solle.
Hintergrund
In der Bioenergietonne sollen entsorgt werden: Obst- und Gemüseabfälle, Essensreste, Lebensmittelabfälle ohne Verpackung und Grünabfälle in Kleinmengen. Geranien aus dem Balkonblumentopf oder sonstige Blumen können
In der Bioenergietonne sollen entsorgt werden: Obst- und Gemüseabfälle, Essensreste, Lebensmittelabfälle ohne Verpackung und Grünabfälle in Kleinmengen. Geranien aus dem Balkonblumentopf oder sonstige Blumen können ebenfalls in die Bioenergietonne geworfen werden. Jedoch sollen Rasenschnitt und Sträucher in rauen Mengen der KWiN zufolge nicht über diese Tonne entsorgt werden.
Insgesamt müsse die KWiN im laufenden Jahr eine Summe von rund 11,4 Millionen Euro über Gebühren finanzieren. Deshalb habe man sich dafür entschieden, die Zahl der Haushalte als Bemessungsgrundlage für das neue System heranzuziehen und diese Systemänderung zusammen mit der Erhöhung der Gebühren dem Kreistag vorzuschlagen. "Darüber hinaus traten wir letztmals im Jahr 2015 mit einer Steigerung der Preise an die Menschen im Landkreis heran. Das heißt, wir hatten fünf Jahre Gebührenstabilität", wirbt der KWiN-Pressesprecher um Verständnis.
Immer noch gibt es aber Bürger, die von dem neuen Gebührensystem verwirrt sind. Die neue Bioenergietonne müssen alle Haushalte bezahlen – auch wenn man sie (noch) nicht bestellt bzw. bekommen hat oder sie gar nicht bestellen möchte. Sie ist der KWiN zufolge in der Grundgebühr enthalten. Die KWiN verweist bei der Frage, ob dies denn gerecht sei, auf das Solidaritätsprinzip. "Zudem muss man auch das Gesamtziel für den gesamten Landkreis im Auge behalten", findet der Pressesprecher. Wobei man bei der KWiN nach aktuellen Zahlen davon ausgeht, dass bis Sommer mehr als die Hälfte der Haushalte eine Bioenergietonne bezogen hat. "Außerdem ist die Erfassung von Bioabfall eine gesetzliche Vorgabe", erklärt er weiter. Dagegen muss die Restmülltonne entsprechend der Größe über die Leistungsgebühr bezahlt werden. Abbestellen kann die Restmülltonne nur, wer in eine Restmüll-Gemeinschaft wechselt.
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Dass Bioabfall in der grünen Tonne oder im eigenen Kompost entsorgt wird und nicht im Restmüll landet, ist aus Sicht der KWiN eine richtige und zukunftsorientierte Maßnahme. Denn der Umwelt zuliebe soll am Ende hochwertiger Kompost entstehen, der wiederum in der Landwirtschaft und von Privathaushalten sinnvoll eingesetzt werden könne. "Auch deshalb haben wir allen Haushalten die Bioenergietonne angeboten, aber nicht vor die Türe gestellt", so Martin Hahn. Aus dem Inhalt dieser grünen Behälter würden in einer Vergärungsanlage Strom und Wärme erzeugt. "Der Rest wird als Dünger eingesetzt", verdeutlicht er. Alternativ könne der Inhalt vollständig kompostiert werden. Wobei die KWiN mit dem Bioabfall zwei Anlagen anfährt, die diesen weiterverarbeiten: einerseits eine Vergärungsanlage in Bad Rappenau, andererseits eine Kompostanlage im Kreis. "Die Verteilung erfolgt nach logistischen Gesichtspunkten", erklärt der Sprecher das Prozedere.
Dabei hat die Bioenergietonne auch einen wirtschaftlichen Aspekt. Eine Trennung in Bioabfall statt Restmüll lohne sich: Für jede Tonne Bioabfall, die vom Restmüll in die Bioenergietonne verlagert werden kann, ergebe sich ein Kostenvorteil von rund 90 Euro pro Tonne. Bei einer Reduzierung der gesamten Restmüllmenge um zehn Prozent würden sich die Entsorgungskosten um rund 400.000 Euro senken lassen, erklärt Hahn.
Damit die Bürger auch wissen, welche Stoffe in welche Tonne gehören, werde gerade das Abfall-ABC auf der Homepage der Abfallwirtschaft im Neckar-Odenwald-Kreis (AWN) überarbeitet, wobei eine Information zur "Abfalltrennung" zum Download bereit steht. Zudem verfolgt man bei der AWN das Ziel, im kommenden Jahr im Rahmen einer "Digitalisierungsstrategie" eine "Abfall-App" zu etablieren, erläutert Hahn. Dies sei eine weitere Dienstleistung.