Epilepsie-Warnhund Alia spürt, wenn der nächste Anfall naht

Die Collie-Hündin Alia soll der 18-jährigen Judita aus Oberdielbach helfen, ein selbstständigeres Leben zu führen

03.07.2015 UPDATE: 04.07.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Unterwegs auf den Straßen Eberbachs bereiten Veronika Stolz und Hundetrainerin Susanne Nees (M.) Collie-Hündin Alia auf ihre künftige Aufgabe als Epilepsie-Warnhund vor. Foto: Barbara Nolten-Casado

Von Barbara Nolten-Casado

Eberbach/Waldbrunn. "Na super! Fein hast du das gemacht", lobt Veronika Stolz die kleine Collie-Hündin Alia. Ein Klick vom "Klicker" und ein Leckerli belohnen den Vierbeiner, wenn er brav bei Fuß geht und am Zebrastreifen wartet, bis ein Auto zum Stehen gekommen ist. Oder wenn er auf dem Markt ruhig zu Füßen von Frauchen verharrt, bis diese ihre Einkäufe getätigt hat. Begleitet wird Stolz an diesem Vormittag von Assistenzhundetrainerin Susanne Nees, die ihr und Hund Alia bei wöchentlichen Treffen alles vermittelt, was ein Epilepsiewarnhund zu lernen hat.

Hintergrund

> Epilepsiewarnhunde spüren epileptische Anfälle einige Minuten bevor sie eintreten. Sie zeigen dies durch Pfoteauflegen, Anstupsen oder Lecken von Händen oder Gesicht an. Das ermöglicht dem Kranken, sich frühzeitig hinzusetzen oder zu legen und sich vor

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> Epilepsiewarnhunde spüren epileptische Anfälle einige Minuten bevor sie eintreten. Sie zeigen dies durch Pfoteauflegen, Anstupsen oder Lecken von Händen oder Gesicht an. Das ermöglicht dem Kranken, sich frühzeitig hinzusetzen oder zu legen und sich vor Verletzungen zu schützen bzw. entsprechende Medikamente einzunehmen.

> 2014 fanden Forscher des Deutschen Assistenzhundezentrums mit Sitz in Berlin heraus, dass Hunde mit der angeborenen Fähigkeit zu warnen auf eine Verminderung der Sauerstoffsättigung des Bluts reagieren, die kurz vor epileptischen Anfällen eintritt.

> Die sinkende Sauerstoffsättigung bewirkt eine minimale und für Menschen unmerkliche, für die Hunde jedoch wahrnehmbare Veränderung der Atemgeschwindigkeit.

Quelle: Deutsches Assistenzhundezentrum

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13 Wochen ist die Collie-Dame jung. Sie ist verspielt und zutraulich wie die meisten ihrer Artgenossen. Doch Alia gehört zu den wenigen Hunden, die bestimmte Krankheitszustände bei Menschen vor ihrem Auftreten spüren und davor warnen können. Über die Warteliste des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums in Heidelberg kam Alia zu Familie Stolz nach Oberdielbach - als Warnhund für Pflegetochter Judita (18).

Als Baby nahm die Familie das Mädchen bei sich auf. Wenig später stellte sich heraus, dass Judita autistisch war. Im Alter von drei Jahren kam Epilepsie hinzu. Inzwischen leidet sie an der schwersten Form der Krankheit, dem "Status epilepticus", bei dem mehrere Anfälle unmittelbar aufeinander folgen. Schon zweimal kam es zum Herzstillstand, beide Male konnte Judita wiederbelebt werden. Wenn ihr Gesundheitszustand es zulässt, besucht Judita die Schule der Johannes-Diakonie in Schwarzach. Oder sie arbeitet dort auf der Jugendfarm, versorgt die Tiere, mistet die Ställe aus. "Das ist total ihr Ding", berichtet die Pflegemutter.

Im September vorigen Jahres erfuhr Familie Stolz, dass sich Juditas Krankheit unaufhaltsam verschlimmern werde. Im Internet hatte die Mutter über Epilepsiewarnhunde gelesen. "Das war jetzt die letzte Option für uns", sagt Stolz. Sie rief beim Assistenzhundezentrum in Heidelberg an. Assistenzhundetrainerin Susanne Nees aus Groß-Umstadt machte sich auf die Suche nach einem passenden Tier. "Nur jeder tausendste Hund ist geeignet", erläutert sie.

70 Tests muss ein Welpe über sich ergehen lassen, bis die Eignung feststeht. "Man kann Hunde nicht zu Warnhunden ausbilden", sagt Nees, "sie müssen dazu geboren sein." Die Trainerin hat inzwischen einen Blick für geeignete Tiere. Und sie kennt einige Züchter, bei denen solche zu finden sind: "Die Fähigkeit vererbt sich." Zudem muss ein Warnhund "bombenwesensfest" und völlig aggressionsfrei sein.

An Pfingsten kam dann der Anruf: Nees hatte den Hund für Familie Stolz gefunden. Für Judita und Alia war das erste Zusammentreffen Liebe auf den ersten Blick, berichtet ihre Mutter. "Die beiden reagieren fantastisch aufeinander." Und das ist unabdingbar: Eine extrem enge Bindung zwischen Hund und Mensch machen ein zuverlässiges Warnen des Hundes vor einem epileptischen Anfall erst möglich.

Schon zweimal hat Alia das Mädchen bereits gewarnt. So konnten durch frühzeitige Einnahme der Notfallmedikamente schlimme Anfälle verhindert werden. "Wir hoffen, dass unsere Tochter mithilfe des Hundes ein Stück selbstständiger leben kann", sagt Veronika Stolz.

Dafür trainiert die Mutter nun täglich mit Alia in Eberbachs Straßen die "Hausaufgaben", die Susanne Nees ihr aufgibt. Oder sie bittet in Geschäften um Zutritt für ihren Hund. "Die meisten Menschen sind sehr freundlich, wenn ich ihnen erkläre, worum es geht", lautet ihre Erfahrung.

Ziel ist eine Gewöhnung des Hundes an alles, was ihm begegnen kann. Er muss lernen, sich durch nichts von seiner Aufgabe als Warnhund ablenken zu lassen und, wenn nötig, Hilfe zu holen. Irgendwann wird Alia dann Juditas ständige Begleiterin werden. Nach etwa eineinhalb Jahren erfolgt die "Teamprüfung" von Hund und Frauchen. Dann gibt es einen Ausweis, der Alia das Zutrittsrecht zu Supermarkt oder Krankenhaus, Flugzeug oder Theater verleiht.

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