Stuttgart/Heidelberg

Abellio will holprigen Start vermeiden

Privater Schienenverkehrsanbieter übernimmt ab Juni Strecken in der Region - Doch nicht alle bestellten Züge werden pünktlich fertig

21.03.2019 UPDATE: 22.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden

Abellio will Züge von Bombardier im Landes-Design einsetzen. Aber es gibt Probleme bei der Produktion und mit der Software. Foto: dpa

Von Carsten Blaue

Stuttgart/Heidelberg. Die Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH, ein privater Anbieter im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr mit Sitz in Stuttgart, wird ab Juni insgesamt sechs Regionalbahnlinien übernehmen - auch im Neckar- und Elsenztal sowie auf der Strecke der Frankenbahn. Das Unternehmen will zumindest am Anfang auch die Züge anderer Anbieter auf die Gleise bringen, damit der Start nicht holprig wird. Denn der Hersteller Bombardier Transportation kann die von Abellio bestellten Fahrzeuge nicht rechtzeitig liefern.

Abellio hatte im Vergabeverfahren den Zuschlag für das sogenannte Los 1 im "Stuttgarter Netz" bekommen und wird die Linien im Auftrag des Landes Baden-Württemberg befahren. Grundlage für den Betrieb ist ein auf dreizehneinhalb Jahre geschlossener Verkehrsvertrag zwischen Abellio und dem Verkehrsministerium in Stuttgart. Auch die Bahn-Tochter DB Regio hatte sich an der Ausschreibung beteiligt: "Doch Abellio hatte offenbar das attraktivere Angebot", wie ein Bahn-Sprecher auf Anfrage sagte.

Er wies jedoch Vermutungen zurück, dass die Bahn vor dem Hintergrund der Neuvergabe jetzt die Zügel schleifen lässt. Etwa auf der Neckartal-Strecke Heilbronn - Mannheim, auf der mal kürzere, mal längere Züge unterwegs sind: "Wir fahren grundsätzlich die vom Land bestellte Leistung. In der Hauptverkehrszeit sind die Züge natürlich mit mehr Wagen bespannt. Es kann auch vorkommen, dass umlaufbedingt oder wegen einer Fahrzeugstörung ein Zug nicht die vorgeschriebene Wagenzahl hat, das ist aber nur die Ausnahme."

Als Erstes wird Abellio ab Juni die Strecken von Stuttgart über Mühlacker nach Pforzheim, beziehungsweise über Mühlacker, Bruchsal und Wiesloch-Walldorf nach Heidelberg (Linie RE 17 b) betreiben. Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember dieses Jahres sollen die Linien RE 10a und 10b von Stuttgart über Heilbronn und Heidelberg nach Mannheim dazukommen. Das teilte das Unternehmen auf RNZ-Anfrage mit.

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Diese Linien verkehren über Bad Friedrichshall. Von dort aus teilen sie sich und gehen abwechselnd weiter über Sinsheim und Neckargemünd oder über Mosbach-Neckarelz, Eberbach und Neckargemünd in Richtung Heidelberg und Mannheim. Zudem wird die Regionalbahn 18 dann stündlich zwischen Stuttgart, Bad Friedrichshall und Osterburken fahren. Ab dem Fahrplanwechsel im Juni 2020 werden die Linien RE 10a und 10b bis Tübingen weitergeführt. Abellio will auf den Strecken insgesamt 52 Elektrotriebzüge vom Bombardier-Typ "Talent 2" einsetzen - je 26 drei- und fünfteilige Bahnen. Die Dreiteiler haben 163 Sitzplätze und Platz für 24 Fahrräder. Die Fünfteiler bieten Sitzgelegenheiten für 273 Fahrgäste und können 39 Fahrräder auf entsprechenden Abstellmöglichkeiten befördern.

Eine Unternehmenssprecherin versprach, die Kunden mit Service und Komfort begeistern zu wollen. Die Züge seien neu und modern und würden über Klimaanlage, Steckdosen und WLAN in der ersten und zweiten Klasse verfügen. Auch die verbesserte Mitnahmemöglichkeit für Fahrräder hob sie hervor. Außerdem sollen die Züge im baden-württembergischen Landesdesign schon optisch was hermachen.

Die Sache hat aber einen Haken: Bombardier hat massive Lieferschwierigkeiten und kann längst nicht alle Züge pünktlich übergeben. Genau 16 Fünfteiler waren vertraglich für Abellios erste Betriebsstufe zugesagt worden, nur zehn wird Bombardier liefern können - wenn überhaupt. Der Grund sollen Probleme mit der neuen Software sein, die im neuen Typ "Talent 3" eingesetzt werden soll, aber auch schon in den Zügen für das "Stuttgarter Netz" eingebaut wurde. Laut Bombardier sei es nicht rechtzeitig gelungen, alle Softwareanforderungen für die Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt zu integrieren. Außerdem kam es zu Verzögerungen im Produktionsablauf bei den Wagenkästen.

Abellio war auf einen solchen Fall vorbereitet und zog ein Ersatzkonzept aus der Schublade. Das sieht den Einsatz von Leihfahrzeugen anderer Eisenbahnunternehmen vor: "Wir stehen derzeit mit der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft und anderen Unternehmen in Verhandlungen", so die Abellio-Sprecherin gegenüber der RNZ. Dabei geht es um sechs Triebfahrzeuge, die es richten sollen. Auch die DB Regio hatte Abellio die Zusammenarbeit angeboten. Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht. Sicher sei, dass Abellio einen stabiles Angebot von Anfang an gewährleiste, so die Sprecherin. Und Roman Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH, unterstrich, er erwarte von Bombardier, dass das Unternehmen seinen Lieferverzug schnell aufholt. Für den Betrieb in der Region hat Abellio, das seinen Sitz eigentlich in Berlin hat, eigens einen Verwaltungsstandort in Stuttgart eingerichtet. Von hier aus wird das neue Nahverkehrsangebot gesteuert und auf die Schiene gebracht. Außerdem hat Abellio ein eigenes Vertriebsnetz aufgebaut - mit Verkaufsstellen, Fahrkartenautomaten sowie eigenen Kundencentern in Heilbronn und Mühlacker. Zur Wartung und Instandhaltung der Züge wird in Pforzheim ein Bahnbetriebswerk gebaut.

Abellio will im hiesigen Regionalnetz nach eigenen Angaben jährlich 7,3 Millionen Zugkilometer erbringen. Die Gestaltung der Fahrpreise in der Region liegt in der Verantwortung der Verkehrsverbünde. Seit vergangenem Dezember gilt zudem der landesweite "bwtarif" für alle Fahrten in Baden-Württemberg, die Verbundgrenzen überschreiten.

Info: Details zum Liniennetz findet man im Internet unter www.abellio.de/bw-liniennetzplan.

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