Schwetzingen

Kommen die "Risse in der Wohnung" durch die Vibrotrucks?

Die Schäden im Schälzigweg wurden wohl durch die Geothermie-Fahrzeuge verursacht.

30.01.2023 UPDATE: 30.01.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 21 Sekunden
Diese Vibrationsfahrzeuge sollen für Schäden in Schwetzingen verantwortlich sein. Foto: Lenhardt

Schwetzingen/Rhein-Neckar. (sha/mb) "Wir wollen bis 2030 die Grundlast der Fernwärme aus Geothermie abdecken", hat Matthias Wolf, Geschäftsführer der GeoHardt GmbH, eine Tochtergesellschaft von MVV und EnBW, jüngst optimistisch angekündigt. Dafür soll 150 Grad heißes Wasser aus der Tiefe des Oberrheingrabens als Ersatz für das Mannheimer Großkraftwerk rund 100 thermische Megawattstunden erzeugen. Die Voruntersuchungen haben jetzt begonnen und wohl für Risse in einem Haus im Schwetzinger Schälzigweg gesorgt.

Seit Mitte Januar rollen sogenannte Vibrationsfahrzeuge bei Oftersheim durch die Landschaft und senden alle 40 Meter ihre Schallwellen in die Tiefe. Bis die Geothermie "einsatzbereit" ist, wird zwischen Ketsch, Brühl, Schwetzingen, Plankstadt und dem Süden Mannheims noch an vielen Stellen "gerüttelt".

Und damit beginnen die Probleme: Den 17. Januar dieses Jahres werden Gerti und Peter Miehle, die im Schälzigweg wohnen, wohl nicht mehr vergessen. "Zwischen 9.15 und 9.30 Uhr gab es plötzlich ein Riesengetöse wie ein Erdbeben. Ich komme aus der ehemaligen DDR, und da wurden schlagartig bei mir Erinnerungen wach, als früher russische Panzer durch unser kleines Dorf gefahren sind. Ich habe hier am Tisch gesessen und gezittert und gedacht, hier bricht alles zusammen", berichtet die 86-jährige Gerti Miehle dem Landtagsabgeordneten Andreas Sturm (CDU) mit feuchten Augen, der zu einem Informationsbesuch vorbeigekommen war und seine Unterstützung anbot.

Gerti Miehle zeigt Andreas Sturm die Risse an den Wänden in ihrer Wohnung und den großen Riss im Schälzigweg – dort, wo ein Vibrationsfahrzeug stand. Foto: Busse

Als sie auf die Straße geeilt sei, habe sie die "riesigen Fahrzeuge", die direkt vor ihrem Haus positioniert waren, gesehen und zudem einen Mann, der "einfach durch die Vorgärten spazierte und Messinstrumente aufstellte". "Unsere Nachbarn und wir wussten von gar nichts. In unserem ganzen Umfeld hat niemand zuvor einen entsprechenden Infoflyer erhalten", sagt Miehle. Zurück im Haus habe sie bei der Stadt Schwetzingen angerufen. "Die Dame am Telefon ist informiert gewesen und hat mir gesagt, dass es bereits ein paar Anrufe diesbezüglich gegeben habe", so Miehle. Von dieser habe sie dann auch erst erfahren, um was es gehe.

Schließlich hat die Familie dann Risse in ihrer Wohnung festgestellt. Einige Tage später habe ein von dem Unternehmen GeoHardt GmbH Beauftragter sie aufgesucht und die entstandenen Schäden aufgenommen. Dieser habe allerdings betont, dass er Geologe und nicht Gutachter sei. In dem entsprechenden Protokoll, das Sturm sich ansieht, steht unter anderem: "Viele Risse in der Wohnung und auf dem Balkon, im Dachgeschoss Risse in jedem Raum."

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Während Sturms Besuch bei dem Schwetzinger Ehepaar klingelt alle paar Minuten das Telefon, Freunde erkundigen sich, wie es ihnen geht. Die ganze Aufregung ist weder an der 86-Jährigen noch an ihrem 83-jährigen Ehemann spurlos vorübergegangen. Es wird dauern, bis beide das verarbeitet haben, sofern das überhaupt geht. "Mit der inneren Ruhe ist es vorbei, ich wache jetzt jeden Morgen ganz früh auf, und mein erster Gedanke ist: Was ist mit der Wohnung", erzählt Gerti Miehle.

Das Medieninteresse sei groß, sogar ein Kamerateam wollte kommen. Das haben beide allerdings abgelehnt. "Wir wollen nicht ins Fernsehen kommen, sondern dass die entstandenen Schäden schnellstmöglich behoben werden", sagt die 86-Jährige. Und ihr Mann Peter befürchtet: "Das wird eine Baustelle geben, die lange dauert." Aktuell seien sie auf der Suche nach einem entsprechenden Fachanwalt. Dass das Thema "Geothermie" für beide ad acta gelegt ist, das dürfte nachvollziehbar sein. "Wir haben uns umfassend informiert", sagt Gerti Miehle, während sie in einem kleinen Aktenordner blättert, in dem sich zahlreiche diesbezügliche Zeitungsberichte befinden. "Wer gibt uns denn die Garantie, dass so etwas bei einem Betrieb eines Geothermiekraftwerks nicht wieder passiert? Ich bin von Herzen dagegen. Eine Bürgerinitiative wäre wirklich gut." Landtagsabgeordneter Sturm betont nach der Besichtigung der Wohnung, dass er erwarte, dass die entstandenen Schäden unverzüglich beseitigt werden. "Das hat auch überhaupt nichts mit Kulanz zu tun, wie ich in einem Bericht gelesen habe. Hier geht es nicht um ein freundliches Entgegenkommen, sondern um einen gleichwertigen Ersatz. Das ist die Pflicht des Unternehmens."

Gerti Miehle zeigt Andreas Sturm die Risse an den Wänden in ihrer Wohnung und den großen Riss im Schälzigweg – dort, wo ein Vibrationsfahrzeug stand. Foto: Busse

Ein Geothermiekraftwerk in der Region lehne er aufgrund der Erfahrungen ab: "Wir befinden uns hier in einem tektonischen Erdbebengebiet. Zudem stehen Aufwand und Ertrag bei einem Geothermiekraftwerk in keinem Verhältnis. Es bestand nun die Möglichkeit, in einem geordneten und transparenten Verfahren für Vertrauen in der Bevölkerung zu werben. Wer aber den Umgang mit drei Rüttelfahrzeugen nicht beherrscht und ein solches Kommunikationsdesaster abliefert, dem traue ich auch keine Bohrung in 3500 Metern im Erdbebengebiet zu.”

Abschließend nimmt Sturm gemeinsam mit Gerti Miehle einen Riss in Augenschein, der sich auf der Straße direkt gegenüber dem Haus befindet, in welchem die Eheleute Miehle ihre Eigentumswohnung haben, und der sich fast über die komplette Straßenbreite erstreckt. "Genau hier stand ein Vibrationsfahrzeug. Und der Riss war vorher nicht da", betont Miehle.

Die Messkampagne der 3 D-Seismik werde durchgeführt, um induzierte seismische Aktivitäten durch eine Geothermienutzung zu vermeiden, bei denen Gebäuderisse entstehen könnten, schaltet sich auch Andre Baumann, Landtagsabgeordneter der Grünen, in den Konflikt ein. "Dass möglicherweise durch die Messkampagne selbst Gebäuderisse entstehen, kommt unerwartet und muss grundlegend untersucht werden", fordert er. Schadensmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern müssten sehr ernst genommen werden.

"Ich erwarte, dass GeoHardt Vorkehrungen getroffen hat und trifft, dass keinerlei Gebäudeschäden durch die 3 D-Seismik entstehen, eine schnelle Sachverhaltsaufklärung durch Bausachverständige stattfindet, Schäden an Gebäuden, bei denen Seismikmessungen als Ursache nicht ausgeschlossen werden können, sehr kulant und sehr schnell entschädigt werden und bis auf Weiteres in sensiblen Siedlungsbereichen keine Vibrotrucks den Untergrund in Schwingungen versetzen," redet Baumann Klartext.

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