Kahrs findet Verhalten des Landes "schofelig"
SPD-Haushaltsexperte fordert, dass Grün-Schwarz wie der Bund 80 Millionen Euro für die Sanierung des Nationaltheaters zuschießt

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Stadt finanzielle Hilfe aus Berlin bekommt. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Der Regen prasselt am Sonntagmorgen unaufhörlich hernieder, der erste Advent in Mannheim ist nass und usselig. "Bei uns in Hamburg sagt man dazu erhöhte Luftfeuchtigkeit", witzelt Johannes Kahrs hanseatisch-trocken. Eine Stunde nimmt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete für die RNZ im Restaurant "Luxx" Zeit - ehe er von Oberbürgermeister Peter Kurz durch die neue Kunsthalle nebenan geführt wird.
Kahrs ist auf Einladung des Kurpfälzer Parteifreunds schon am Samstag in Mannheim angekommen. Die Stadt will dem Mann danken, der im Haushaltsausschuss des Bundestags dafür gekämpft hat, dass Berlin 80 Millionen Euro für die Sanierung des Nationaltheaters zuschießt. Damit sind ein Drittel der voraussichtlichen Kosten gedeckt. 200 Millionen Euro entfallen auf die reinen Baukosten, 40 Millionen für Umzug und Ausweichspielstätten während der vierjährigen Übergangsphase.
Harald Christ, Unternehmer aus Worms mit SPD-Parteibuch, hatte Kahrs und Kurz bei einem Essen miteinander bekannt gemacht. "Der Oberbürgermeister war ziemlich überzeugend. Er engagiert sich sehr für die Kultur und hat alle Feinheiten der Sanierung erklären können, das findet man selten in der Bundesrepublik", lobt Kahrs den Mannheimer OB.
Die Vorzeichen für die Finanzspritze standen günstig, hatte der Bund dank der boomenden Konjunktur doch dicke Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet. "Und wenn eine Stadt solche Objekte mit großer Strahlkraft wie das Nationaltheater hat und das Kostenvolumen für den Umbau derart hoch ist, dann müssen wir in Berlin helfen", so Kahrs, der auch Sprecher des konservativen SPD-Parteiflügels Seeheimer Kreis ist.
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Doch dann begann das Gehakel mit dem Koalitionspartner - auf der einen Seite Kahrs, auf der anderen die CDU mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters und ihrer Finanzexpertin Patricia Lips. Die Ministerin habe zunächst gar keinen Zuschuss bewilligen wollen, erinnert sich Kahrs an den Poker: "Sie hatte Angst, dass dann alle Theater aus den 50er- und 60er-Jahren kommen und Geld wollen." Doch wenn der eine Partner etwas unbedingt wolle, könne der andere nicht kategorisch Nein sagen. Kahrs wollte 100 Millionen Euro, während die CDU zunächst 50 und 60 Millionen Euro anbot. Schließlich einigten sich beide Seiten auf 80 Millionen Euro.
Als der Ausschuss das Geld bewilligt hatte, saß neben Kurz der Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel im Nationaltheater auf dem Podium und reklamierte den Erfolg auch für sich, wie er die Mannheimer später zudem auf Plakaten in der Stadt wissen ließ. "Naja, Herr Löbel ist ein netter Kerl - und neu im Bundestag. Ich nehme an, er hat mit Frau Lips geredet", meint Kahrs. Andererseits: "Frechheit siegt. Als ich in meiner ersten Legislaturperiode war, hätte ich mir gewünscht, mich das zu trauen."
Kahrs sagt aber auch, dass der Bundeszuschuss unter der Prämisse genehmigt worden war, dass sich das Land in gleicher Höhe an der Sanierung beteiligt. "Ich kenne das gar nicht anders." Die aus Vertretern der grün-schwarzen Regierung und ihrer Fraktionen bestehende Haushaltskommission hat jedoch "nur" die Hälfte bewilligt, also 40 Millionen Euro. Kahrs findet das wechselweise "schofelig", das Wort benutzt er häufiger, "unanständig" oder "nicht die feine Art". Es sei nicht so, dass die Stadt daneben stehe und lächle. "Sie muss ja auch um die 80 Millionen Euro für die Ausweichspielstätten und das ganze Drumherum aufbringen", betont Kahrs. Bei der Erweiterung und Sanierung des Berliner Naturkundemuseums teilten sich Stadt und Bund die Gesamtkosten von 660 Millionen Euro. Dann müsse das doch auch im reichen Baden-Württemberg möglich sein. Verhielte sich das Land weiter "schofelig", sollte es der Stadt zumindest bei den Kosten für die Ersatzquartiere unter die Arme greifen.
Oberbürgermeister Peter Kurz hält sich dazu bedeckt und verweist auf laufende Verhandlungen mit Stuttgart. Ergebnisse und Zahlen zur Finanzierung will die Stadt bei der Gemeinderatssitzung am 18. Dezember vorlegen. Kurz ist sich sicher, dass das Kommunalparlament mit großer Mehrheit hinter dem Umbau steht. "Und das hat der Bau auch verdient", meint Kahrs, der sich am Samstag bei einem Empfang für ihn und Harald Christ einen Blick vor Ort verschafft hat. Er sei zwar kein Fan der aus den 50er-Jahre stammenden Architektur des Hauses. "Aber wenn man alles, dass man in den 70er- und 80-Jahren da reingehauen hat, wieder herausnimmt, dann kann die Schönheit des alten Baus zurückkommen. Ein echtes Juwel", glaubt der Hamburger.
Etwas erschrocken war Kahrs ob des kleinen und viel zu engen Orchesterprobensaals. "Schon aus arbeitsschutzrechtlichen Dingen muss man da sanieren", so der Haushaltsfachmann, der allerdings auch auf Unwägbarkeiten zu sprechen kommt. Niemand wisse, wie sich die Baupreise und die Inflation entwickelten. Eine böse Überraschung bergen könnte auch das Aufbuddeln des undichten und aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Bunkers.
Entsprechend kann er sich vorstellen, dass die Sanierung teurer wird. "Wobei man da niemandem bösen Willen oder Unfähigkeit unterstellen sollte", nimmt Kahrs die Planer in Schutz.



