Prozess gegen falschen Polizisten

Der Angeklagte lachte während der Urteilsbegründung

Fünf Jahre Haft für 30-Jährigen - Richter erhofft sich Abschreckungseffekt

03.12.2018 UPDATE: 04.12.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden
Das Heidelberger Landgericht. Archiv-Foto: Dorn

Von Willi Berg

Heidelberg. Auf vermeintliche Polizisten ist eine 64-Jährige aus Sinsheim hereingefallen. Sie vertraute einem Kriminellen Schmuck, Goldmünzen, teure Uhren und Bargeld im Wert von über 300.000 Euro an. In dem irrigen Glauben, ein "Kommissar Schmitt" werde ihre Schätze vor Einbrechern in Sicherheit bringen. Und später wieder zurückgeben. Nach der Überzeugung des Heidelberger Landgerichts war es der Angeklagte, der jetzt zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde.

"An der Täterschaft bestehen keine Zweifel", sagte der Vorsitzende Richter, Christian Mühlhoff. Er erhofft sich einen Abschreckungseffekt durch das Urteil. Der Angeklagte lachte während der Urteilsbegründung mehrfach auf und redete dazwischen. Der 30-jährige Türke will Rechtsmittel einlegen.

"Das Vertrauen des Opfers ist nachhaltig missbraucht worden", sagte der Vorsitzende. Die Seniorin hatte am Abend des 19. Februar 2018 mehrere Anrufe von angeblichen Beamten des Polizeipräsidiums Mannheim erhalten. Zwei "Oberkommissare" behaupteten, man habe bei einer Festnahme eine Liste von potenziellen Opfern gefunden, die überfallen werden sollten. Auch die Sinsheimerin sei darunter.

Die Frau stopfte alles in eine Tüte und wartete vor ihrem Haus. Gegen 23 Uhr erschien ein Mann, der sich als "Schmitt" vorstellte. Er nahm die Tüte und verschwand. Das Opfer ist sich sicher, dass es der Angeklagte war. Auf einem Foto bei der Polizei will sie ihn erkannt haben.

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Dieser bestreitet die Tat und behauptet, in jener Nacht in Hagen gewesen zu sein. Das Gericht glaubte ihm nicht. Auch nicht den Zeugen, der ihn dort gesehen haben wollen. Die Strafkammer befand den Angeklagten jetzt des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie der Amtsanmaßung für schuldig. Ganz anders sieht dies Verteidiger Gerd Salzmann, der auf Freispruch plädierte. Nur einer der Männer beim Fotovergleich sei korpulent gewesen, nämlich der Angeklagte: "Der Beweiswert geht gegen Null." Das Gericht wies die Kritik an der Polizei zurück.

Staatsanwalt Christian Fuchs forderte fünfeinhalb Jahre Haft. Die Anklage habe sich "in vollem Umfang bestätigt". Die Tat stehe "sittlich auf einer besonders tiefen Stufe". Der Angeklagte und unbekannte Mittäter seien "hochprofessionell" vorgegangen. Der 30-Jährige habe als "Läufer" einen wichtigen Beitrag innerhalb der Bande geleistet. Dessen angebliches Alibi nannte er "konstruiert".

Die Aussage des Opfers hingegen sei "in jeder Hinsicht glaubhaft". Der junge Mann ist bereits wegen einer ähnlichen Tat verurteilt worden. Zwei Tage nach dem Sinsheimer Fall wurde er bei Böblingen auf frischer Tat ertappt, als er bei einem Mann 50.000 Euro abholen wollte.

Dem Sinsheimer Opfer macht das Erlebte psychisch immer noch schwer zu schaffen. Sie sei "menschlich ruiniert" und habe seitdem ihr Haus verriegelt. Es mache ihr Angst, dass die Mittäter noch nicht gefasst sind. Und es vermutlich auch niemals sein werden. Wenn überhaupt, werden, wie in diesem Fall, nur die sogenannten "Läufer" geschnappt. Die Drahtzieher operieren zumeist von der Türkei aus.

Sogenannte "Keiler" rufen aus Callcentern bundesweit potenzielle Opfer an. Die Serie der Anrufe von angeblichen Polizisten reißt nicht ab. Am letzten Dienstag wurden allein im Bereich des Reviers Schwetzingen rund 30 Anrufe bekannt. In Mannheim, Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr über 550 Fälle. Im Jahr 2016 waren es erst 87.

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