Heidelberg

"Falsche Polizisten" vor Gericht - Betrüger machen Millionenbeute

Den Respekt alter Leute vor Autoritätspersonen wollen sich immer mehr Gauner zunutze machen. Falsche Polizisten bringen Senioren dazu, aus Angst vor Einbrechern ihr Vermögen herzugeben. Der Tipp des Seniorenrats: einfach mal unhöflich sein.

04.11.2018 UPDATE: 04.11.2018 15:11 Uhr 1 Minute, 44 Sekunden

Symbolfoto: Uli Deck/dpa

Heidelberg/Sinsheim/Tübingen. (dpa) Falsche Polizisten nutzen die Gutgläubigkeit und Hilflosigkeit älterer Menschen aus und ergaunern dabei allein in Baden-Württemberg Millionenbeträge. Zwei Männer stehen in der kommenden Woche in Tübingen und Heidelberg wegen dieser Betrugsmasche vor Gericht, mit der im vergangenen Jahr im Land insgesamt fast 5,3 Millionen Euro erbeutet wurden. Durchschnittliche Schadenssumme: rund 50.000 Euro. Das Landeskriminalamt (LKA) gibt rechnet mit einem stärkeren Anstieg der Betrugsfälle in diesem Jahr.

Das Muster ist in allen Fällen ähnlich: Ältere Menschen werden am Telefon von den angeblichen Polizisten mit dem Hinweis auf Einbrecher in ihrer Umgebung unter Druck gesetzt. Sie sollten ihre Wertsachen der Polizei übergeben, die sie in sichere Verwahrung nehme. Die Wertsachen würden zurück gegeben, sobald die Gefahr vorbei sei.

"Sie malträtieren die alten Leute mit Unmengen von Telefonaten, so dass diese nicht nachdenken oder sich bei Angehörigen Rat holen können", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes. Zu dem erlittenen finanziellen Schaden kämen schwerwiegenden psychische Folgen. Die Betroffenen seien mit Scham und Schuldgefühlen erfüllt, auf den Trick hereingefallen zu sein und so ihr Erspartes verloren zu haben. Dabei verlieren die Opfer nicht selten ihre Altersvorsorge oder für Erben bestimmtes Geld.

"Betroffene sollten auf jeden Fall Anzeige erstatten bei der Polizei, auch bei Versuchen, damit wir Ermittlungsansätze erhalten", betonte der Landeskriminalamtssprecher. Für die Polizei selber sei es ein Ärgernis, dass die Täter den guten Ruf der Polizei und das Vertrauen zu ihr in der Bevölkerung missbrauchten.

2017 wurden 1955 Fälle registriert, davon 1843 Versuche. 2016 waren es noch 225 Fälle, davon 182 Versuche. Der Schaden lag 2016 bei knapp 1,4 Millionen Euro.

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Besonders schlimm hat es Anfang dieses Jahres eine alte Dame aus Sinsheim getroffen: Sie soll dem vor dem Landgericht Heidelberg angeklagten Mann Schmuck und Wertgegenstände im Wert von mindestens 300.000 Euro übergeben haben. Der Beschuldigte, der am Mittwoch vor der Großen Strafkammer steht, hat laut Anklage in einer Gruppe mit weiteren Mittätern als sogenannter Läufer fungiert, also als derjenige, der die Beute abholt (1 KLs 430 Js 5973/18).

In der Verhandlung in Tübingen am Donnerstag hingegen steht ein sogenannter Keiler - ein Anrufer - im Fokus. Er hat laut Anklage die Telefonate von einem unbekannten Ort vor allem in der Türkei geführt. Typisch ist laut LKA, dass er von dort aus operierte, wodurch die Fahndung erschwert werde. Gemeinsam mit getrennt verfolgten Komplizen soll er spätestens seit 2017 Senioren um insgesamt mehr als 113.000 Euro gebracht haben (2 KLs 42 Js 11412/17) haben. Er muss sich wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in drei Fällen sowie drei Betrugsversuchen verantworten.

Beim Landesseniorenrat ist die Masche altbekannt. Im Kreisseniorenrat Ludwigsburg etwa wird in Zusammenarbeit mit Theatertherapeuten und Polizei auf die Betrügereien hingewiesen. Aus Sicht der Kreisvorsitzenden Nora Jordan-Weinberg müssen die Senioren ihren Respekt vor der Polizei ablegen und ein Telefonat auch einmal unhöflich abbrechen.

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