Im Wahlkampf werden jetzt harte Bandagen angelegt
Die SPD attackiert erneut den CDU-Kandidat Christian Specht und die Christdemokraten werfen Thorsten Riehle vor, Versprechen zu brechen.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Im Endspurt der OB-Wahl kann Thorsten Riehle (53) auf die Unterstützung der Grünen zählen. Seine SPD lässt vor der Entscheidung an diesem Sonntag die Abteilung Attacke von der Leine und greift CDU-Mitbewerber Christian Specht (56) in zwei Mitteilungen mal subtil, mal frontal an. In der ersten Erklärung warf Stefan Fulst-Blei, der Kreisverbandschef der Genossen, vor wenigen Tagen dem Team des Ersten Bürgermeisters indirekt vor, Riehle-Plakate abgerissen und dafür solche mit dem eigenen Kandidaten aufgehängt zu haben.
Am Montag legte die SPD nach und verlangte von Specht, seine Wahlkampffinanzierung und die politischen Absichten mit der ihn ebenfalls unterstützenden FDP und Mannheimer Liste offenzulegen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Bernd Beetz – Präsident und Mäzen des SV Waldhof – würde dem Christdemokraten helfen. Dafür spricht, dass der Heidelberger bei Spechts Wahlkampfveranstaltung mit Friedrich Merz zu Gast war.
Und dass der Waldhof-Boss laut seiner Darstellung in einem Interview mit dem Sender "Ron TV" vom Ersten Bürgermeister überzeugt worden war, ein neues Stadion mit einer höheren Zuschauerzahl als ursprünglich geplant finanzieren zu wollen.
Das meint die SPD nach RNZ-Informationen, wenn sie in der Mitteilung Specht auffordert, "Einfluss auf zukünftige Entscheidungen des neuen OB durch Dritte aufzudecken und den Nebel über sein Wahlkampfbudget zu lichten". Der Gemeinderat hatte zuletzt mit rot-rot-grüner Mehrheit ein neues Stadion hintangestellt und eine Sanierung des bestehenden Carl-Benz-Stadions bevorzugt. Aktuell prüfen Gutachter, was das kosten würde.
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Indes haben Riehle, seine Partei und die Grünen in drei Politikfeldern eine Vereinbarung getroffen. Bemerkenswert ist der Passus zum Verkehr. Danach wollen die Unterzeichner den im März ausgelaufenen Verkehrsversuch mit Autosperren ab Anfang nächsten Jahres in der Fressgasse "verstetigen". Damit stellen sich Riehle und Co. gegen eine Mehrheit der Einzelhändler, die diese Maßnahme ablehnen und Umsatzeinbußen befürchten. Profitieren würden die Anwohner, die ruhiger schlafen können. Im ersten Wahlgang lag Riehle in der Innenstadt vorne, was ihn zu dieser Positionierung motiviert haben dürfte.
Noch in diesem Jahr, so die Vereinbarung, soll sich die Schranke in der Fressgasse nachts senken, um den Durchgangsverkehr zu unterbinden. Ein Ziel, das alle politischen Kräfte in Mannheim zwar teilen. Für Specht haben die Ergebnisse des Verkehrsversuchs – deutlich weniger Autos, viel mehr Radfahrer – allerdings kaum Aussagekraft, weil sie in die Zeit vieler Baustellen und des gesperrten Fahrlachtunnels fielen.
Zudem haben sich Genossen und Grüne darauf verständigt, eine neue Stadtbibliothek "in angestrebter Qualität" in N 2 zu bauen. Auch hier hebt der Stadtkämmerer Specht den erhobenen Zeigefinger und rechnet damit, dass die bislang veranschlagten Kosten von 70 Millionen Euro rasch auf 100 Millionen Euro steigen könnten. Ja, und dann will Rot-Grün noch den Klimaschutzaktionsplan mit zehn bis 15 Millionen Euro jährlich anschieben.
Mit dem Geld sollen private Photovoltaik-Anlagen und die ökologische Modernisierung öffentlicher Gebäude gefördert werden. Specht, der "Kandidat der Mitte", lag im ersten Wahlgang am 18. Juni mit 45,6 Prozent der Stimmen mehr als 15 Prozent vor Riehle. Die Grünen hatten allerdings ihren Stadtrat Raymond Fojkar (13,8 Prozent) ins Rennen geschickt, die Linke die Krankenschwester Isabell Belser (5 Prozent). Beide haben ihre Kandidaturen zurückgezogen.
Specht hat im Vergleich zu Riehle sein Wahlprogramm ("Dein Mannheim kann mehr") nicht angepasst oder aktualisiert. Er will kleine und mittlere Unternehmen stärker unterstützen und sieht in der Verkehrspolitik den öffentlichen Nahverkehr, das Rad, das Auto und die Fußgänger als gleichberechtigt an. "Wir müssen Wege finden, sie geschickt zu kombinieren und zu verzahnen", so Specht.
In diesem Zusammenhang hält die CDU Riehle, dem SPD-Fraktionschef, eine "Rolle rückwärts" vor und erinnert ihn an einen Satz vor dem Papier mit den Grünen: "Ich bin auch derjenige, der im Gemeinderat ganz klar fordert, nicht sofort eine Entscheidung zu fällen, sondern tatsächlich gemeinsam, gemeinsam mit der Wirtschaft, gemeinsam mit dem Handel, sich an einen Tisch zu setzen", hatte der scheidende Chef des Kulturhauses Capitol vor wenigen Monaten verkündet.
Allgemein fällt auf: Beide Bewerber haben im Wahlkampf keine Visionen davon entwickelt, wie Mannheim in acht Jahren aussehen könnte. Ein neues Stadion oder eine neue Stadtbibliothek sind kostspielig, liegen aber im Bereich des Möglichen. Aus heutiger Sicht kaum zu schaffen ist das ambitionierte Ziel, dass Mannheim bis 2030 klimaneutral wird. Hier wird es großer Anstrengungen und Fördermittel von der Europäischen Union bedürfen.




