Oberbürgermeisterwahl Mannheim

15 Prozent der Bürger haben keine Stimme

Aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft können sie an der OB-Wahl nicht teilnehmen. Andere dürfen zwar, aber tun es nicht.

16.06.2023 UPDATE: 16.06.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 1 Sekunde
Mannheim wählt am Sonntag ein neues Stadtoberhaupt. Falls kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, findet am 9. Juli erneut eine Wahl statt, bei der dann die einfache Mehrheit genügt. Foto: Gerold

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Circa 235.000 Bürgerinnen und Bürger können am kommenden Sonntag ihre Stimme für die künftige Oberbürgermeisterin oder den künftigen Oberbürgermeister von Mannheim abgeben. Davon sind 39.500 Personen keine deutschen Staatsbürger, sie dürfen jedoch wählen, weil sie einen EU-Pass besitzen. Doch Menschen mit einer anderen Staatsbürgerschaft, zum Beispiel der türkischen, dürfen nicht mitentscheiden, wer künftig die Geschicke in ihrer Stadt lenkt. In Mannheim heißt das, dass immerhin 15 Prozent der Einwohner ab 16 Jahren nicht wählen dürfen, weil sie den falschen Pass besitzen.

Und daran wird sich wohl auch so schnell nichts ändern, denn am 1. August tritt die Änderung des Kommunalwahlrechts in Baden-Württemberg in Kraft. Die Ausweitung des Wahlrechts auf Nicht-EU-Bürger sei dabei kein Thema gewesen, berichtet Norbert Brugger, Dezernent des Städtetags Baden-Württemberg. Und auch sonst sei es nicht so, dass Kommunen, Verbände oder Initiativen sich deshalb an den Städtetag gewandt hätten. "Wir haben dazu auch keinen Beschluss gefasst", sagt er. Ein Austausch mit anderen Städtetagen dazu gibt es nicht.

Allerdings treibt Brugger ein anderer Umstand um: die Wahlbeteiligung der EU-Bürger. Seit 1999 dürfen sie in Deutschland an Kommunalwahlen teilnehmen. Umgekehrt dürfen deutsche Staatsangehörige in EU-Staaten ihre Stimme abgeben. "Eine tolle Errungenschaft", findet der Dezernent. "Die Wahlbeteiligung der nichtdeutschen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger liegt bei diesen Wahlen allerdings sehr deutlich unter jener der deutschen Bevölkerung, wie Erhebungen nach den ersten Wahlen ergeben haben."

Daran hätten auch intensive Werbekampagnen für die Stimmabgabe nichts ändern können. So wählten 1999 in Stuttgart 22,5 Prozent der Unionsbürger, 2009 waren es noch knapp 15 Prozent. Bei der letzten OB-Wahl in Mannheim im Jahr 2015 waren es beim ersten Wahltermin 4,8 und beim zweiten 5,1 Prozent. Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung der EU-Bürger wurden bislang nicht ermittelt. Zumal bei Kommunalwahlen auch deutsche Staatsangehörigen nicht gerade in Massen die Wahllokale stürmen. Ein Blick in die Statistik zeigt: In Mannheim lag die Wahlbeteiligung bei Personen mit deutschem Pass bei der letzten OB-Wahl bei 35,4 beziehungsweise 32,8 Prozent.

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Ein Grund für die Wahlverdrossenheit könnte der vergleichsweise komplizierte Wahlzettel bei Kommunalwahlen im Südwesten sein. Allerdings gilt das nicht für Bürgermeisterwahlen, bei denen nur eine Stimme abzugeben ist. Eine Untersuchung, warum die Beteiligung so niedrig ist, müsste somit alle Wahlberechtigten ins Auge fassen – wobei Menschen im Alter von über 70 Jahren laut Statistik am aktivsten sind.

Seit 2014 dürfen auch 16- und 17-Jährige bei den Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Circa 4800 Jugendliche sind es diesmal in Mannheim. Bei der vergangenen OB-Wahl beteiligten sich die 16- und 17-Jährigen mit 26,6 beziehungsweise 23,7 Prozent im Vergleich zu allen Wahlberechtigten zwar unterdurchschnittlich, die Altersgruppe mit der geringsten Wahlbeteiligung bildeten jedoch die 21- bis 24-Jährigen mit 15,7 und 14,3 Prozent.

Auch wenn es auf der Landesbühne kein großes Thema zu sein scheint, setzt sich der Migrationsbeirat in Mannheim durchaus mit dem Wahlrecht auseinander und hat zur symbolischen OB-Wahl aufgerufen. Menschen, die kein Wahlrecht haben, konnten im Vorfeld der offiziellen Wahl ihre Stimme abgeben (die RNZ berichtete). Man wolle den Menschen signalisieren, dass sie dazugehören, so Zahra Alibabanezhad Salem, Vorsitzende des Migrationsbeirats. Das Ergebnis wird erst bekannt gegeben, wenn der oder die neue OB feststeht. Nicht ganz uninteressant dürfte dann auch die Wahlbeteiligung sein.

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