Umweltminister braucht drei Monate für Antwortschreiben
Trifluoracetat wird seit September in den Brunnen der Neckargemeinde gemessen

Bei der Verunreinigung ihres Trinkwassers fühlt sich Edingen-Neckarhausen von politischer Seite allein gelassen. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz und Maren Wagner
Edingen-Neckarhausen. Es ist ein Trauerspiel, das sich gerade zwischen Edingen-Neckarhausen und Stuttgart abspielt: Da sagt der Grüne-Landtagsabgeordnete Uli Sckerl beim Ortsverband in Edingen-Neckarhausen, die Partei müsse sich auf ihre Kernkompetenzen Klima- und Umweltschutz besinnen, um im Bundestagswahlkampf zu punkten. Und dann lässt ein grün-geführtes Umweltministerium die Gemeinde bei der Verunreinigung des Trinkwassers mit dem Salz Trifluoracetat alleine stehen.
Trifluoracetat (TFA) wird seit September in den Brunnen der Neckargemeinde gemessen. Das Salz entsteht als Abbauprodukt bei der Verarbeitung von Stoffen wie Trifluoressigsäure, die in Düngemitteln oder Medikamenten genutzt werden, um deren Wirkung zu erhöhen. Die Firma Solvay Fluor leitet das TFA in ihrem Werk in Bad Wimpfen mit dem behandelten Abwasser in den Neckar ein.
Es gilt nicht als gesundheitsschädlich, die Behörden haben aber nur wenig Erfahrung damit. Liegen die TFA-Werte im Trinkwasser über zehn Mikrogramm pro Liter, müssen Wasserversorgungsverbände daher einschreiten. In Edingen-Neckarhausen wurden über 20 Mikrogramm gemessen. Vom TFA sind alle Verbände betroffen, die ihr Trinkwasser aus Brunnen beziehen, die vom Uferfiltrat des Neckars beeinflusst sind. Schwappt der Fluss über, gelangt das Salz ins Grundwasser und wird von dort gefördert.
Es liegt wohl an der besonderen Uferbeschaffenheit von Edingen-Neckarhausen, dass das Flusswasser dort permanent bis ins Grundwasser durchdringt. Und so ist die Gemeinde bislang als einzige derart stark mit TFA belastet, dass alle Brunnen abgeschaltet werden müssen. Das Trinkwasser kommt bald aus Mannheim, für die Bürger steigen die Kosten. Seit Anfang des Jahres versucht Edingen-Neckarhausen, Schadenersatzansprüche gegen Solvay oder das Land prüfen zu lassen.
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Denn das Chemieunternehmen darf seit 1991 TFA im Abwasser einleiten, das Regierungspräsidium (RP) in Stuttgart hat die wasserrechtliche Genehmigung zudem erst im Mai 2016 erneuert. Zwar ist dort nicht explizit von TFA die Rede, sondern nur allgemein von prozessbedingt anfallendem Abwasser, illegal leitet Solvay das Salz dennoch nicht ein. Für TFA enthält die Abwasserverordnung schlicht keinen Überwachungswert.
Weil Edingen-Neckarhausens Anwalt für Schadenersatzforderungen weitere Informationen vom Land benötigt, wandte sich Bürgermeister Simon Michler am 18. April in einem Schreiben an Umweltminister Franz Untersteller. Geantwortet hat er am 11. Juli, nachdem der Anwalt der Gemeinde einen zweiten Brief geschickt hatte. "Gebracht hat es uns gar nichts", sagt Michler. Der Minister weise nur darauf hin, dass es mittlerweile einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Solvay und dem RP gebe. Dieser regelt, dass die Einleitung von TFA um zwei Drittel verringert wurde und bald noch weiter zurückgehen soll. Das aber ist seit Monaten bekannt. Genauso, dass es einen Runden Tisch geben soll, an dem Edingen-Neckarhausen teilnehmen darf. Wann das Treffen stattfindet, darauf gebe Unterstellers Brief keine Antwort, so Michler.
Die Pressestelle des Umweltministeriums ringt um Erklärungen: "In der Tat sind beinahe drei Monate bis zu einer Antwort ein langer Zeitraum", heißt es dort auf Anfrage, "berücksichtigt man die involvierten Behörden und Stellen, mit denen eine Abstimmung nötig ist, wird der Zeitraum aber etwas relativiert." Dafür hat Michler kein Verständnis mehr: "Aus unserer Sicht hätte der Minister diesen Brief auch schon Anfang Mai schreiben können."
Die Zurückhaltung der Grünen bei der Trinkwasser-Verunreinigung zieht sich durch alle politischen Ebenen. Den Landtagsabgeordneten Uli Sckerl hatte die RNZ bereits vor Wochen per E-Mail um eine Stellungnahme gebeten. Beim Grünen-Ortsverband sagte er nun, das Thema TFA sei ein "wunder Punkt". Er wolle sich aber "umfassend" und möglichst noch vor der Sommerpause zu Wort melden.



