Zur Neubaustrecke ist es ein langer Weg
Sechs Trassenvarianten werden geprüft - Entscheidung noch in diesem Jahr - Lärmschützer und Kommunalpolitiker sind besorgt

Mit der Neubaustrecke will die Bahn auch das Angebot auf Fernstrecken verbessern. So sollen weitere 40 ICE- und IC-Züge täglich zwischen Frankfurt und Mannheim pendeln. Foto: Boris Roessler
Von Stephen Wolf
Mannheim/Frankfurt. Noch in diesem Jahr will die Bahn entscheiden, wo die neue Trasse zwischen den Ballungsräumen Rhein-Main und Rhein-Neckar gebaut werden soll. Danach beginnt die Arbeit aber erst richtig.
Es ist ein ehrgeiziges Projekt, und es dürfte mehrere Milliarden Euro kosten. Der Bau der neuen Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim ist eine langfristige Angelegenheit, bei der es viele Hürden zu überwinden gilt. Die Bahn plant die wichtigste Entscheidung bis Ende 2019. Dann soll die bevorzugte Trassenführung feststehen. "Bis dahin prüfen wir die verschiedenen Varianten ergebnisoffen", sagt Jörg Ritzert, Projektleiter bei der Bahntochter DB Netz AG. Bestehende Trassen zwischen den Städten - die der Riedbahn und der Main-Neckar-Bahn - sind seit Jahren ausgelastet.
Beide Strecken durch Südhessen zählen in der Republik zu den Gebieten mit dem größten Verkehrsaufkommen, heißt es vom Fahrgastverband Pro Bahn. "Wir brauchen daher dringend diese Trasse, wenn wir mehr Verkehr auf der Schiene möchten", sagt Thomas Kraft, Landesvorsitzender von Pro Bahn Hessen. Mit der neuen Trasse will die Bahn auch das Angebot auf Nah- und Fernstrecken verbessern. Geplant seien zusätzlich 40 ICE- beziehungsweise IC-Züge, die täglich zwischen Frankfurt und Mannheim pendeln. Außerdem dürfte sich die Reisezeit zwischen den Städten um neun Minuten auf insgesamt 29 Minuten verringern. Auf der Strecke sollen tagsüber ICE und nachts Güterzüge fahren.
Seit Dezember 2016 begleitet ein "Beteiligungsforum" die Planungen. Dabei wird etwa mit Behörden, Initiativen, Umweltschutzverbänden und den Verkehrsministerien der Einfluss verschiedener Trassenvarianten auch auf Wohnbebauungen, Umwelt- und Naturschutz diskutiert. "Ziel ist, eine Vorzugsvariante mit hoher Akzeptanz und Planrechts- und Finanzierungssicherheit zu ermitteln", sagt Ritzert. Allerdings: Wie berichtet, sehen lokale Lärmschutzinitiativen, die in der Interessengemeinschaft Rhein-Neckar 21 (IG BRN 21) organisiert sind, das "Beteiligungsforum" kritisch. Sie halten das Forum für ineffizient. Zudem würden Vorschläge seitens der IG BRN 21 nicht ausreichend berücksichtigt.
Auch interessant
Der Bundestag befasst sich erst im kommenden Jahr wieder mit dem Vorhaben. Auch stehen planungsrechtliche Verfahren für den zweigleisigen Neubau auf etwa 60 Kilometern Länge an. Läuft alles nach Plan, auch beim Baurechtsverfahren, dürften die Arbeiten an der Trasse Mitte der 2020er Jahre starten.
Dann aber könnte der Fachkräftemangel zur Herausforderung werden. Tatsächlich ist das Problem schon heute akut: "Im Gleisbau als Nischenbranche, die bei ihren Mitarbeitern auf spezifisches Fachwissen angewiesen ist, fällt es zunehmend schwer, Personalbedarfe zu decken", heißt es bei der PMC Rail International Academy, einem Unternehmen aus Bingen am Rhein, das Mitarbeiter von Gleisbauunternehmen weiterbildet. Verzögerungen sind also nicht ausgeschlossen. Zumal langwierige Ausschreibungen anstehen. Die Bahn und ihre Partner in den Planungsbüros und der Bauwirtschaft müssten dafür sorgen, dass genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, heißt es bei der Bahn. So stelle das Unternehmen derzeit zahlreiche neue Mitarbeiter ein, darunter viele Ingenieure, sagt ein Bahnsprecher.
Aber ein Schritt nach dem anderen. Auf der fünften Sitzung des "Beteiligungsforums" stellte die DB Netz AG Anfang Februar nach eigenen Angaben die Varianten für den anstehenden Vergleich vor. Für die künftige Anbindung der Strecke Mainz-Darmstadt an die Neubaustrecke gibt es vier Möglichkeiten. Auf der Strecke sollen Güterzüge, die aus Richtung Mainz kommen, schließlich auf die Neubaustrecke gelangen, um die Riedbahn von nächtlichem Lärm des Güterverkehrs zu entlasten. Offen ist noch, wie Darmstadt in Richtung Süden mit der Neubaustrecke verbunden wird und wie die Trasse zwischen Darmstadt, Lorsch und Mannheim-Waldhof verläuft. Hier soll die Neubaustrecke enden - für die Lärmschutzinitiativen eine voreilige Entscheidung, weil Anwohner entlastende Alternativen wie Umfahrungen oder Untertunnelungen von Wohngebieten, zuerst zu prüfen seien.
Insgesamt sechs Hauptvarianten werden für die Trassenführung untersucht. Drei davon verlaufen westlich von Darmstadt mit Nordanbindung und unterschiedlichen Südanbindungen von Darmstadt an die Neubaustrecke. Drei weitere Varianten führen durch Darmstadt und dann in Richtung Süden entweder entlang der A67 oder der A5. Für die Streckenführung zwischen Lorsch und Mannheim-Waldhof stehen nochmals zwei Untervarianten zur Auswahl. Die zweite Variante verläuft in einer Diagonale direkt von Lorsch nach Mannheim-Waldhof.
Indes wird die Planung der Bahn in manchen Kommunen misstrauisch verfolgt - nicht nur von Lärmschützern. In Bensheim lehnen etwa die dortigen Christdemokraten einen möglichen Streckenverlauf entlang der A5 ab. Die Züge würden für zusätzliche Lärmbelästigung sorgen, auch wäre der Landschaftsverlust zu groß, sagt CDU-Stadtverordneter Tobias Heinz.
Die Bürgerinitiative Lampertheim will am 1. März mit einem Lichterzug darauf aufmerksam machen, dass eine der geplanten Strecken durch den Wald bei Neuschloß führen könnte. "Würde diese Trasse kommen, wäre das ein erheblicher Einschnitt für unsere Lebensqualität", sagt der Sprecher der Initiative, Günter Weidenauer. In Sachen Lärmschutz haben sich darüber hinaus Hockenheim, Oftersheim und Schwetzingen zusammengeschlossen. Die Bürgermeister unterzeichneten eine gemeinsame Resolution. Die Pläne der Bahn dürften nicht dazu führen, dass die Bürger noch mehr Bahnlärm ausgesetzt seien. Auch nicht südlich von Mannheim.



