Mannheim

Was am Ende vom Großprojekt Buga bleiben wird

Mit dem Großereignis und darüber hinaus wird Mannheim grüner und in Hitzemonaten kühler. Die Eingriffe in die Natur gefallen aber nicht jedem.

12.04.2023 UPDATE: 12.04.2023 06:00 Uhr 5 Minuten
Der Panoramasteg bietet einen Blick auf die Feudenheimer Au. Foto: dpa

Von Alexander Albrecht, Jan Millenet und Marco Partner

Mannheim. Die an diesem Freitag beginnende Bundesgartenschau ist auch ein großes Städtebauprojekt und schafft bleibende Werte, die allerdings teilweise nicht unumstritten sind.

> Grünzug Nordost: "Das ist die große Klammer der Buga – fast alles, was wir machen, hat damit zu tun", sagt Christian Lerch, Projektleiter für Parkanlagen und Infrastruktur bei der Bundesgartenschau GmbH. Durch Flächenentsiegelung und dem Abriss von Bestandsgebäuden auf dem ehemaligen Militärgelände Spinelli entsteht auf mehr als 200 Hektar ein riesiger Grüngürtel.

Dieser zieht sich vom Vogelstangsee über Spinelli, die Feudenheimer Au und den Neckar bis zum Luisenpark. Und sorgt für frische Luft und etwas Abkühlung in tropisch heißen Nächten – sogar in der Innenstadt, wie Experten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) vorhersagen. "Es geht um Winde, die grob gesprochen vom Odenwald und der Bergstraße bis in die Mannheimer City wehen", weiß Lerch. Der größte Teil von Spinelli bleibt unbebaut.

> Neckarrenaturierung: Das Ufer am Fluss hat sich in einigen Bereichen von Höhe Fernmeldeturm bis zur Riedbahnbrücke schon sichtbar verändert. Die Steinaufschüttungen sind abgetragen, dafür neue Wiesen und Wasserpflanzen angelegt worden. Der Verlauf des Neckars wirkt bereits natürlicher. Noch aber dominieren Bagger, Zäune und Schlammhügel das Bild, noch gleicht die Renaturierung einer Baustelle. Bis Ende März sollte dieser erste Abschnitt – der zweite bis zum Fährhaus folgt bis 2026/27 – fertig sein. Nun hofft man, dass bis zum Start der Buga zumindest der Bereich rund um die über dem Fluss schwebende Seilbahn gemeistert ist.

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"Ich würde sagen, wir haben ungefähr 80 Prozent geschafft", sagt Lerch. Mit dem Projekt soll der einst begradigte Fluss sich wieder durch die Natur schlängeln, mehr Lebensraum für Flora und Fauna bieten und mit kleinen Nebenarmen und Verschwenkungen zum Naturreservoir werden. Aber auch für Menschen soll er zugänglicher und erlebbar werden, seinen Kanal-Charakter verlieren und insgesamt abgeflacht, also sozusagen tiefergelegt werden.

Für die Verzögerung gebe es nun eine Reihe von Gründen. "Wir waren schon mit der Ausschreibung relativ spät, auch bei der Vorbereitung gab es Schwierigkeiten", so Lerch mit Blick auf den Kampfmittelräumdienst, der zum Beispiel in Neuostheim anrücken musste. Hauptgrund aber ist der Transport. Ganz bewusst hatte man sich dafür entschieden, die überschüssigen Erdmassen per Schiff und nicht per Schwerlaster zu befördern, um den Lkw-Verkehr aus der Stadt zu halten. Mit rund 89.000 Kubikmetern an Sand, Kies, Lehmboden und Gestein wurde gerechnet. "Die Mengen, die tatsächlich abgefahren werden mussten, aber waren mehr, und es hat auch länger gedauert", so Lerch.

Das lag vor allem am Wasserpegel. "Bei Hochwasser können sie nicht fahren und bei Niedrigwasser die Schiffe nur halb beladen. Wir hatten leider viele Hoch- und Niedrigwasserphasen, bei denen wir nicht die Tonnagen bewegen konnten, die vorgesehen waren", erklärt der Bereichsleiter. Bis zum Buga-Start aber wolle man im Abschnitt unterhalb der Seilbahn fertig sein. "Das ist uns sehr wichtig, dass die Besucher schon den optischen Eindruck haben, wie das Gelände hergestellt ist. Der Bereich ist auch angesät, aber eben noch nicht grün. Es wird erst in den nächsten Jahren alles richtig einwachsen", sagt Lerch. Die abgetragenen Mengen an Kies, Lehm und Sand wurden sortiert und sozusagen als Baumaterial recycelt.

> Feudenheimer Au: Das Landschaftsschutzgebiet gegenüber von Spinelli sollte ursprünglich der zweite Spielort der Buga sein, nach Protesten nahm man davon Abstand und den Luisenpark hinzu. Das heißt aber nicht, dass in der Au nichts passiert – ganz im Gegenteil. Ein markantes neues und bleibendes Merkmal ist ein Panoramasteg, der von Spinelli aus in das Gebiet hineinragt und über einem künstlich angelegten See als Aussichtsplattform dient.

Gespeist wird der See mit dem Grundwasser eines Bachlaufs. Dafür sind natürliche Kläranlagen angelegt worden, ein Schilfgürtel, in den das sehr eisenreiche Wasser hinein- und deutlich weniger belastet wieder herausläuft, wie Lerch erklärt. Aber auch hier gab es Verzögerungen. Es drückte Grundwasser hoch; Abhilfe schaffte ein fein gemahlenes Gemisch aus Sand, Kies und Ton, das von einer Baustelle aus Karlsruhe stammte und als Untergrund in das Gewässer geschüttet wurde. Bis zur Buga-Eröffnung soll der See aber auf jeden Fall gefüllt sein. Nach der Großveranstaltung soll der "Durchstich" erfolgen und im Zuge der Neckar-Renaturierung das Wasser für den See direkt aus dem Fluss fließen. Bereits während der Buga soll mit dem See-Wasser ein Teil von Spinelli bewässer werden. "Dadurch sind wir nicht auf Trinkwasser angewiesen", sagt Lerch. Alles, was versickere, gehe wieder zurück ins Reservoir, wodurch man im ökologischen System bleibe und davon im wohl trockenen Sommer profitiere.

Bürgerinitiativen und dem BUND gehen die Eingriffe in der Au zu weit. "Es sind einfach ein Landschaftsschutzgebiet und eine Streuobstwiese kaputt gemacht worden", schimpft die Naturschützerin Ursula Risch. Die beiden vorübergehend aufgestellten, mächtigen Seilbahnpfosten hätten den Boden verdichtet. "Und wofür dieser Panoramasteg sein soll, das erschließt sich mir ebenfalls nicht", klagt sie weiter. Kritik übt Risch auch am Verlauf eines neuen Radschnellwegs.

> Radschnellweg: Damit Radler und Fußgänger von der Au auf Spinelli kommen, ist eine relativ breite Unterführung in das Hochgestade des Landschaftsschutzgebiets gebaut worden. Das hat viele Naturschützer auf die Palme gebracht. Die Strecke ist Teil des Radschnellwegs zwischen Mannheim und Viernheim. Auf Spinelli darf während der Buga nicht geradelt werden. Heftiger Gegenwind kommt auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) und vom Mannheimer Bündnis Fahrradstadt. Sie stören sich an einer bereits fertiggestellten Einmündung der Trasse am sogenannten Neckarplatt. Dort ist der Weg in einem rechtwinkligen "Knick" so angelegt worden, dass Radler praktisch zum Anhalten gezwungen werden, während Autos gefühlt freie Fahrt haben.

> U-Halle: Ursprünglich umfasste die riesige ehemalige, U-förmige Lagerhalle knapp 22.000 Quadratmeter überdachte Fläche. Weil sie aber inmitten des Grünzugs liegt und um die Kaltluftströmung nicht zu behindern, wurden Teil der Dächer geöffnet, rund die Hälfte der gesamten Immobilie für die Buga abgerissen. Nach dem 180-tägigen Spektakel bleiben noch 7000 Quadratmeter übrig. Für die Nachnutzung gibt es verschiedene Idee. Mehr oder weniger schon beschlossen ist ein Lapidarium mit einer öffentlich zugänglichen Sammlung historischer Grabsteine, Skulpturen und Originalen von Denkmälern.

In der Diskussion sind: ein Zentrum für Umwelt und Freizeit, das Klimathemen spielerisch vermitteln soll, ein Forum der Jugend mit Theater-, Musik- und Filmangeboten (bisher an der Neckarpromenade angesiedelt) und eine Trendsporthalle für Klettern und Yoga. Auch Gastronomie soll in die U-Halle kommen. Die Sanierung des Gebäudekomplexes gestaltete sich laut Christian Lerch teurer und wesentlich komplizierter als gedacht, da die US-Streitkräfte nach ihrem Abzug keine Pläne und Skizzen hinterließen. "Es war wie eine Wundertüte."

> Sport- und Bewegungspark: In der sogenannten Parkschale Käfertal, die den Spinelli-Park im Norden halbkreisförmig umschließt, ist eine Anlage für Kinder und Erwachsene entstanden. Fünf Spielgeräte, die Mannheimer Erfindungen zum Thema haben, sollen von allen Generationen genutzt werden können. Insgesamt erstreckt sich der Bewegungspark über eine Länge von 1,3 Kilometern. Im Osten schließen sich weitere Sportflächen an, darunter ein Parcours-Gelände, eine Frisbee-Golf-Anlage, ein Bewegungszirkel und Calisthenics-Trainingsgeräte. Um den Sport- und Bewegungspark herum entstehen zwei neue Parks für Bewohner des Quartiers.

> Flächen und Bebauung: Ein großer Teil der Blumen- und Gartenausstellungen findet bei der Buga auf dem Experimentierfeld des Spinelli-Geländes statt. Es wird anschließend zurückgebaut, darüber wächst Magerrasen. Lerch kann sich vorstellen, dass die dazwischen liegenden Betonwege erhalten bleiben. Die auf dem Experimentierfeld gesetzten 2023 Zukunftsbäume sollen später, frühestens 2024, im ganzen Stadtgebiet umgepflanzt werden. Bei den Bestandsimmobilien auf Spinelli bleiben die aktuelle "Buga-Zentrale" und zwei flankierende Gebäude – eines zur Unterbringung Geflüchteter, das andere für Azubi-Wohnungen – stehen.

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft will die ehemalige Turnhalle der Amerikaner weiter nutzen, vielleicht zur Kinderbetreuung. Das Buga-Parkhaus wird zum Quartiersparkhaus. Und auch der neue kommunale Grünhof wird sich auf Spinelli ansiedeln. An den Rändern entsteht hochwertiger Wohnraum. Die ersten 500 Bewohner sind schon eingezogen, am Ende werden es 2500 sein.

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