Mannheim

Kult-Kneipe "Café Vienna" ist gerettet und wieder offen

Nach dem Tod des Besitzers führen nun die Mitarbeiter das Mannheimer Café weiter.

28.12.2022 UPDATE: 28.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Lukas Ogiejko (l.) und Francisco Santos haben mit den anderen Mitarbeitern hart darum gekämpft, dass das Café Vienna wieder öffnen kann. Foto: Partner

Von Marco Partner

Mannheim. Seit dem Wegfall der Corona-Einschränkungen scheint in den Restaurants bis auf den Personalmangel wieder Normalität eingekehrt zu sein. Die Tür zu einer Kult-Kneipe in Mannheim aber blieb lange geschlossen: Das Café Vienna im Quadrat S 1 stand während der Pandemie gleich mehrmals vor dem Aus. Als im September dann noch der Inhaber und Gründer verstarb, schien eine Fortführung fast unmöglich. Doch das Team hielt zusammen und betrieb nicht nur einen finanziell, sondern auch einen bürokratisch hohen Aufwand, um den Geist des Viennas wiederzubeleben. Seit Anfang Dezember hat das Lokal wieder geöffnet. Und alles wirkt wie früher.

Die Holzstühle und Barhocker, die gediegene Musik im Hintergrund, die Ledercouch in der Ecke zum Hinfläzen, die Wände voller kleiner Aufkleber, die sich über die Jahre angesammelt haben. Genauso wie die Geschichten, die sich vor allem Stammgäste in der beliebten, für ihr bunt gemischtes Publikum bekannten Kneipe zu erzählen haben. Wenn man so hineingeht, die Atmosphäre spürt, könnte man fast vergessen, dass es in den Räumen lange still und dunkel war. Wie viele Gaststätten setzte das Café während der Pandemie auf einen Liefer- und Abholservice, versuchte über Spendenkampagnen Geld zu generieren – und stand doch mehrmals vor dem Ruin.

"Wir konnten nicht kostendeckend arbeiten, vor allem die Einnahmen durch die Getränke waren weggefallen", erinnert sich Mitarbeiter Lukas Ogiejko. Doch als im Frühjahr die meisten Gaststätten in den Normalbetrieb wechselten, machte das Vienna plötzlich ganz zu. Der Grund: Peter Adomeit, Gründer, Inhaber und die gute Seele des Cafés, erkrankte schwer und verstarb im September.

Neben der Trauer stand das Team auch vor der Frage, ob und wie es überhaupt weitergehen kann. "Es blieb viel Organisatorisches auf der Strecke. In dieser Phase waren wir unsicher, ob wir weiter machen können", gesteht Ogiejko. Zwar hatten er und andere Mitarbeiter an der Theke oder als Bedienung den Laden stets am Laufen gehalten, mit der bürokratischen Hintergrundarbeit aber hatte man kaum was am Hut. "Wir mussten uns erst beraten lassen, wie man eine Gastronomie eröffnet. Da der Nachlass noch nicht geregt war, mussten wir ein neues Unternehmen gründen." Jeden Tag habe man sich zusammengesetzt, doch die rechtliche Genehmigung zog sich über Monate. Erst am 1. Dezember um 14 Uhr, drei Stunden vor der Eröffnung, hielt man die Konzession in den Händen.

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Und die Leute standen Schlange. "Schon um 17.03 Uhr war der Laden voll", sagt Ogiejko, der sich zum ersten Mal seit Jahren an seine Anfangszeit zurückversetzt fühlen durfte, als zur Spätschicht leere Getränkekisten aufgestellt wurden, um den vielen Gästen eine weitere Sitzgelegenheit zu bieten. Seitdem hält der Ansturm an, obwohl die Öffnungszeiten noch sehr schwankend sind. "Es muss sich erst einpendeln, natürlich suchen auch wir Personal. Und die Stromkosten haben sich seit der letzten Wiedereröffnung verdoppelt", erklärt Lukas Ogiejko, der vor allem für den Service zuständig ist.

An den günstigen Preisen wolle man jedoch trotz Inflation festhalten. Seit 2006 gibt es das kultige Café, legitimer Nachfolger des 1984 gegründeten "Old Vienna" in U 1, das dem Neubau der Abendakademie weichen musste. Schnitzel mit Pommes für 7 Euro war für Studenten schon damals unschlagbar günstig, seitdem hat sich kaum etwas geändert, wurde die Speisekarte lediglich mit veganen Schnitzel- oder Currywurstvarianten ergänzt. Das Vienna war schließlich schon hip, als es noch keine Hipster gab. Die meist einstelligen Preise aber sind geblieben.

"Manche Orte mag man, aber sie sind zu teuer. Hier kann jeder reinkommen, und es sich auch leisten", sagt Küchenchef Francisco Santos. In Schottland, Frankreich und Spanien hat der Mexikaner, den alle nur Pancho nennen, schon gearbeitet. Im Vienna fühlt er sich angekommen. "Es ist die Atmosphäre. Man sieht glückliche Gesichter, nette Mitarbeiter, für mich ist es das Menschliche", betont er. Das sieht Lukas Ogiejko ganz ähnlich: "Es geht nicht nur ums Essen und Trinken, es ist der soziale Faktor. Jeder darf durch unsere Tür kommen, so wie er oder sie ist. Das verbindet die Leute und geht durch alle Schichten. Hier sitzt eine Studentengruppe, am anderen Tisch vielleicht ein älteres Pärchen, das sich gerade datet. Es hat etwas Spezielles,", sagt er über das typische Vienna-Flair.

Ort des Geschehens

Auch in den Sozialen Medien wird deutlich, wie sehr das Herz vieler Gäste an dem Lokal hängt, wie sehr sie es vermisst haben: "Jetzt können wir wieder unseren Drei-Generationen-Ausflug zu euch machen: Meine erwachsenen Enkelkids, meine Kids und ich. Und Ado auf Wolke 7 da oben freut sich mit uns allen", schreibt eine Nutzerin. Als "Mega-Vorab-Bescherung" wird die Wiedereröffnung bezeichnet – oder ganz selbstlos: "Ich hätte gestern gerne noch ein Bier getrunken, aber es war ja Gott sei Dank gerammelt voll" gepostet.

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