Knappe Entscheidung gegen zweiten verkaufsoffenen Sonntag
Der Gemeinderat stimmt knapp dagegen. Der einzige Termin ist und bleibt in diesem Jahr der 6. Oktober.

Von Olivia Kaiser
Mannheim. 20 Ja- und 23 Neinstimmen: Trotz allem Werbens für zwei verkaufsoffene Sonntage in der Innenstadt in diesem Jahr konnte Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) keine Mehrheit für den Vorschlag der Verwaltung gewinnen. Der 16. Juni wurde abgeschmettert, lediglich der traditionelle Termin am ersten Sonntag im Oktober findet statt.
Spechts Argumente zogen bei den meisten Stadträtinnen und Stadträten von Grünen, SPD und Lipartie (Die Linke, Die Partei und Tierschutzpartei) nicht. Der OB legte zunächst eine Statistik vor, die einen bundesweiten Trend widerspiegelt. Demnach sehen circa 22 Prozent der unter 30-Jährigen verkaufsoffene Sonntage für "sehr wichtig" und circa 32 Prozent für "wichtig" an. "Gerade diese Altersgruppe kauft viel über das Internet ein", gab er zu bedenken. Daher müsse man vor allem sie in die Stadt holen. Bei den 30- bis 64-Jährigen ist eine Ladenöffnung am Sonntag nur noch für 14 Prozent "sehr" und für 21 Prozent "wichtig". Bei den über 64-Jährigen sind es vier beziehungsweise zehn Prozent.
Specht warnte davor, Mannheim gegenüber anderen Städten in einen Nachteil zu bringen, denn die meisten Kommunen im Bezirk der IHK Rhein-Neckar haben mehr als einen verkaufsoffenen Sonntag. Der Tag sei für den Einzelhandel von höchster Wichtigkeit, Ersatzveranstaltungen wie Lange Einkaufsnächte oder andere Aktivitäten an Freitagen und Samstagen brächten weit weniger Menschen in die Innenstadt.
Gleichzeitig betonte er nochmals, dass es dabei auch um eine Attraktivitätssteigerung der City gehe, denn die Ladenöffnungen würden stets von einem Rahmenprogramm flankiert. Am 16. Juni sollte Mannheim als Unesco City of Music gefeiert werden, zahlreiche Bands sollten auftreten. Zudem waren Modenschauen von Mannheimer Labels geplant. "Die Menschen sollen die Stadt wieder für sich entdecken und merken, dass es sich lohnt, nach Mannheim zu kommen." Er hoffe darauf, dass so mancher dann auf einen Ort oder ein Kulturangebot stoße, das der Grund für einen weiteren Besuch sei. "Wenn man den Handel unterstützen und Oberzentrum der Metropolregion bleiben will, dann muss man für die beiden Sonntage stimmen", befand CDU-Fraktionsvorsitzender Claudius Kranz. Das sah die Grünen-Sprecherin Stefanie Heß anders: "Ein verkaufsoffener Sonntag ist keine nachhaltige Attraktivierung der Innenstadt. Da braucht es mehr, zum Beispiel ein neues Konzept für den Handel und ein tragfähiges Verkehrskonzept." Allerdings wird ja bereits mit dem Projekt Futuraum an einem Konzept für die Innenstadtentwicklung gearbeitet.
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Sie sprach zudem eine Ungereimtheit bezüglich der Belegschaft von Galeria-Kaufhof an: Im Hauptausschuss hatte der OB erklärt, die Betriebsräte des gebeutelten Kaufhauskonzerns seien für einen zweiten verkaufsoffenen Sonntag. "Mitarbeitende sind aber auf uns zugekommen und haben dem widersprochen", so Heß. "Sie sind an ihrer Belastungsgrenze angekommen."
Reinhold Götz (SPD) nannte es einen Fehler, die Gewerkschaften nicht frühzeitig an den Tisch geholt zu haben, auch wenn deren Haltung klar sei. "Das war kein guter Stil, keine gute Kommunikation." Auch er plädierte dafür, gemeinsam mit den Gewerbetreibenden nach neuen Konzepten zu suchen. Dennis Ulas (Lipartie) erklärte, dass der Sonntag für viele Menschen der einzige Tag sei, den man mit der Familie verbringen könne, da helfe auch ein Ausgleichstag unter der Woche nicht.
Holger Schmid von der Mannheimer Liste (ML) fand die Haltung der Gegner "merkwürdig": "Zuerst wollen Sie dem Handel die Tür vor der Nase zuschlagen und dann aber mit den Gewerbetreibenden gemeinsam Konzepte erarbeiten." Seine Fraktion spreche sich für einen zweiten Termin aus – aber dabei sollte es dann bleiben.
Heß, Götz und Ulas betonten, dass bei der Abstimmung kein Fraktionszwang bestehe. Vor allem bei der SPD gab es Mitglieder, die sich der Fraktionsmeinung nicht anschlossen. Die drei Vorsitzenden sprachen sich zudem für eine getrennte Abstimmung aus, was mehrheitlich angenommen wurde. Aufgrund der "Abweichler" fiel das Ergebnis gegen den 16. Juni zwar knapp, aber eindeutlich aus: Die Geschäfte bleiben an diesem Tag geschlossen. Einigkeit gab es dann aber für den verkaufsoffenen Sonntag am 6. Oktober. Auch an diesem Tag ist ein Rahmenprogramm geplant – diesmal rund um Genuss. Das muss auch so sein, denn in Baden-Württemberg müssen verkaufsoffene Sonntage per Gesetz stets mit einem Ereignis gekoppelt sein.
Stimmen zum Beschluss
Für Raphael Pellegrini, Inhaber des gleichnamigen Schuhgeschäfts an der Fressgasse, sind verkaufsoffene Sonntage lohnenswert, "auch wenn die Kaufkraft in den vergangenen Jahren nachgelassen hat". Er hat sich 2023 an allen drei Terminen beteiligt. "Personaltechnisch ist das kein Problem, dafür erhalten die Mitarbeiter dann einen freien Tag unter der Woche."
Anders sieht das Tanja Birkmeir, sie betreibt das Geschäft Papyrien an der Kunststraße: "Die Umsätze sind eher dürftig." Daher entscheide sie spontan, ob sie sich beteiligt und macht es auch wetterabhängig. "Das ist der Luxus bei einem inhabergeführten Geschäft", konstatiert Birkmeir. In der Vergangenheit habe sie zum Oktobertermin meist geöffnet, sich 2023 aber nur an zwei Terminen beteiligt: "Drei waren mir zu viel." Bei den Sonntagsöffnungen steht sie allein im Laden. "Ich habe dafür kein Personal."
Das Südlandhaus in der Fressgasse bleibt an verkaufsoffenen Sonntagen geschlossen. "Für einen Feinkostladen rentiert sich das nicht", befindet Inhaber Alex Füßl. "Der Tag ist sehr gut für die Planken, für die Parallel- und Seitenstraßen eher weniger." Allenfalls die Gastronomie werde er gegebenenfalls öffnen. Die Entscheidung des Gemeinderats spielt für ihn daher nur eine untergeordnete Rolle. Für Füßl muss der Fokus weniger auf einem zusätzlichen Verkaufstag, sondern mehr auf der "Aktivierung der Innenstadt" liegen. "Wir müssen weg vom Kommerz hin zum Erlebnis." Vor allem beim Rahmenprogramm an den verkaufsoffenen Sonntagen müsse mehr gemacht werden. "Da erhoffe ich mir neue Impulse vom Futuraum", betont Füßl, der selbst bei dem Projekt aktiv ist und viele einige Ideen hat. Beispielsweise ein Shuttle-Service vom Großparkplatz am Maimarkt in die Innenstadt oder die Schließung der Fressgasse. "Da gibt es viel Potenzial."
Stefan Heeg, der mit seiner Familie die Buchhandlung Bender in O 4 betreibt, fordert ein Rahmenprogramm, das explizit die Geschäfte abseits der Planken einbindet. Denn obwohl er sich für mehr als einen verkaufsoffenen Sonntag ausspricht und seine Buchhandlung an den Terminen stets öffnet, sagt er: "Die Kundenfrequenz ist nicht sehr hoch. Wir sehen dann, wie sich die Massen durch die Planken schieben, profitieren aber nicht wirklich davon." Anders sei es dann aber im vergangenen Juli gewesen, als die Bands in der Innenstadt auftraten. Weil in unserer Seitenstraße eine Musikgruppe spielte, kamen viele Menschen, die auch den Weg in unser Geschäft fanden." Im Laden stehen dann er, seine Schwester und eine Mitarbeiterin. Dafür machen wir dann an einem anderen Tag frei."
Auch Wolfgang Blatt, Inhaber des Spielzeuggeschäfts Urmel an der Kunststraße, arbeitet an den verkaufsoffenen Sonntagen selbst im Laden, damit sein Personal den freien Tag hat. "Für uns lohnt es sich", sagt er. Denn die Kunden würden mehr Zeit mitbringen und man könne gut beraten. Daher hätte er sich auch zwei Termine im Jahr gewünscht. "Da kann man nicht von Aufweichen der Sonntagsruhe sprechen."




