Mannheim

Kein Alkoholverbot am Paradeplatz

Gesetzliche Hürden sind zu hoch - Schwere Enttäuschung bei Gemeinderäten und Einzelhändlern

12.07.2018 UPDATE: 13.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Die Stadtverwaltung hätte gern ein Verbot für Alkoholkonsum am Paradeplatz erlassen, die gesetzlichen Vorgaben lassen das aber nicht zu. Foto: Gerold

Von Gerhard Bühler und Olivia Kaiser

Mannheim. Es ist ein milder Sommerabend. Auf dem Mannheimer Paradeplatz sitzen Menschen in Grüppchen zusammen, Kinder springen um her. Eine Mutter begleitet ihr Kleinkind zum Springbrunnen, hebt es hoch, so dass der Junge seine Händchen ins Wasser tauchen kann. An diesem Abend ist weit und breit niemand mit einer Schnaps- und Bierflasche in Sicht.

Allerdings ist es nur eine Momentaufnahme. Zwei Tage später hat sich eine Gruppe Männer am frühen Abend nahe des Postgebäudes am Paradeplatz eingefunden. Sie sitzen im Schatten der Fassade und scheinen alkoholisiert.

Dass der Paradeplatz - vor allem in der warmen Jahreszeit - zu einem Treffpunkt für Trinker und Obdachlose geworden ist, wie die Mannheimer CDU beklagt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Die Sauberkeit und Aufenthaltsqualität, aber auch das das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger habe stark abgenommen, behaupten sie. Deshalb hat die Fraktion die Stadtverwaltung beauftragt, zu untersuchen, ob ein Alkoholverbot für den Paradeplatz ausgesprochen werden kann.

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In der jüngsten Sitzung des Sicherheitsausschusses des Gemeinderats erteilte der zuständige Bürgermeister Christian Specht (CDU) diesem Ansinnen eine glatte Absage: "Es gibt leider hohe Hürden des Landesgesetzgebers für ein solches Alkoholverbot. Die Verwaltung kann keine rechtswidrigen Vorlagen erstellen", verwies Specht auf die Bestimmungen des Landes-Polizeigesetzes, das von der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg im November 2017 beschlossen worden war.

Danach muss für ein Verbot an einem Ort regelmäßig eine Menschenmenge anzutreffen sein, deren Alkoholkonsum für "überproportionale Störungen" der öffentlichen Ordnung sorgt. Ein solcher "Brennpunkt" wird bei rund 100 alkoholbedingten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten pro Jahr angenommen.

"Wir erreichen nicht die Zahl von Straftaten, die wir bräuchten, um ein Alkoholverbot zu verhängen", machte Specht klar. Eine 19-seitige Informationsvorlage seines Dezernats erläutert, dass am Paradeplatz tagsüber nicht mehr als etwa 20 Personen aus dem Trinker-und Obdachlosenmilieu anzutreffen seien.

Dazu kämen besonders an Wochenenden abends noch junge Menschen, die sich zum "Vorglühen" auf dem Paradeplatz treffen, um dann anschließend feiern zu gehen. Eine "erhebliche Menschenmenge", wie vom Gesetz gefordert, gebe es nicht.

Laut der Vorlage stellt auch die Polizei kaum alkoholbedingte Störungen fest. So gab es im ersten Halbjahr 2018 lediglich einen Fall, wo eine stark betrunkene Person Hilfe brauchte. Der Kommunale Ordnungsdienst hat bis Mitte Mai 13 Verstöße am Paradeplatz dokumentiert, die eindeutig alkoholbedingt waren, darunter fünf Mal "wildes Urinieren" und acht "Belästigungen".

Im gesamten Jahr 2017 wurden 47 Platzverweise wegen Belästigung infolge von Alkoholkonsum verhängt. Dass der am Paradeplatz anzutreffenden Trinkerszene mit dem geltenden Polizeigesetz nicht beizukommen ist, sorgte unter den Gemeinderäten für Unzufriedenheit.

"Das Gesetz ist ein Rohrkrepierer", schimpfte Boris Weirauch (SPD). "Wir hätten uns vom Gesetz mehr gewünscht", meinte auch Steffen Ratzel (CDU), der vor allem die Landesregierung dafür verantwortlich machte.

Auch Lutz Pauels, der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Mannheim City kann nicht verstehen, dass ein Alkoholverbot nicht möglich sein soll. Die Gastronomen und Einzelhändler rund um den Paradeplatz hätten sich allesamt über die Zustände beschwert. "Es geht dabei vor allem um die Hinterlassenschaften wie Flaschen, Dosen und Essenreste."

Es sei gut, dass am Paradeplatz jetzt ein Container von Polizei und kommunalem Ordnungsdienst aufgestellt worden sei, aber an der Situation ändere das wenig. "Es müssten mehr Platzverweise ausgesprochen werden." Dass andere Großstädte ähnliche Probleme hätte, sei ihm bewusst, aber gerade in Mannheim handle es sich um den "Vorzeigeplatz".

Dirk Grunert (Grüne) warnte vor einer künstlichen Aufbauschung: "Die Zahlen zeigen, dass es in Mannheim kein großes Problem gibt", kritisierte er eine "herrschende Verbots- und Regelungs-Stimmung". Die Trinkerszene gefalle ihm zwar nicht, sei aber keine Bedrohung, warb Volker Beisel (FDP) für Toleranz.

Und zeigte auf, dass eine rechtliche Regelung des öffentlichen Alkoholkonsums auf dem Paradeplatz durchaus ein fragwürdiges Ansinnen sei: "Ich kann wohl kaum ein Alkoholverbot auf einem Platz aussprechen, auf dem beim Stadtfest jedes Jahr drei Tage lang Alkohol ausgeschenkt wird und vier Wochen ein Weihnachtsmarkt stattfindet, der vom Bürgermeister mit Glühwein eröffnet wird."

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