Holzmöbel mitten in der Stadt
Das Architektenduo "Yalla Yalla!" baute Verweilmöglichkeiten an Stellen, an denen eigentlich Autos fahren.

Von Marco Partner
Mannheim. Freiflächen neu beleben und innovative Verweilmöglichkeiten für Passanten schaffen, wo sonst der Autoverkehr rollt oder ruht. Mit ihren Citydecks hat sich das Architekturbüro "Yalla Yalla!" auf eine Freiluft-Möblierung spezialisiert. Im August sollen die miniterrassenartigen Sitzmodule aus Holz an der Oberen Kunststraße platziert werden. Was aber hat es mit der flexiblen Stadtmöblierung und den experimentierfreudigen Architekten auf sich? Ein Besuch.
In der Hafenstraße im Jungbusch werden bei Sonnenschein Tische und Stühle aufgestellt. Am Verbindungskanal zwischen Rhein und Neckar sucht man Schatten und Erholung inmitten der Industrieidylle. Hier haben auch Wulf Kramer und Robin Lang ihr Büro. Beziehungsweise ihren Working-Space, wie man heute sagt. 2014 gründeten die beiden Architekten "Yalla Yalla!", sozusagen der arabische Imperativ von "Vamos!", "Let’s go!" oder "Auf geht’s!".
Und das machen sie auch. Ungewöhnlich, aber konsequent. "Wir sind nicht die klassischen Kramer-Lang-Architekten", betont Lang. Nicht etwas für die Ewigkeit zu bauen, lautet ihr Credo, sondern vielmehr eine Idee auf Zeit zu verwirklichen, und bei Bedarf nachzujustieren. "Wir wollen keine öffentliche Fläche für die nächsten 50 bis 100 Jahre belegen, sondern Nutzungen zunächst testen, bevor sie verstetigt werden. Dann kann man immer noch switchen und drehen, um den aktuellen Bedarfen gerecht zu werden", betont Lang.
Bestellungen aus ganzer Republik
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So geschehen beim Projekt "Haltestelle Fortschritt". Vor allem nach der grausamen Ermordung der litauischen Studentin Gabriele Z. im Jahr 2015 galt die Straßenbahn-Station "Rheinstraße" mit ihrer uneinsichtigen Grünanlage unter den Hochstraßen als Angstraum. 2017 wurde diese unbeliebte Grauzone am Rande der Quadrate zeitweise in einen bunten Wohlfühlort verwandelt. "Mit einfacher To-Go-Möblierung wie einer Bar und Sitzbänken, mit Lesungen, Filmabenden und Workshops", sagt Kramer. Ähnlich erfolgreich verlief das "ALTER"-Projekt am Alten Messplatz in der Neckarstadt. Aus einem als Drogenumschlagplatz verschrienen Areal wurde ein belebter und beliebter Treffpunkt – mit Basketballplatz, Fahrrad-Parcours, Kiosk und kleinen Konzerten.
Seit vier Jahren widmen sich die beiden Architekten nun den Citydecks, auch "Parklets" genannt. Konkret handelt es dich dabei meist um Sitzmöglichkeiten in Modulbauweise, mit Pflanzenbeeten, aber auch Radständern, Mini-Parks mit Bäumen oder kleinen Terrassen mit Picknick-Tischen. "Ziel ist es, den Fußgängern mehr Platz auf der Straße einzuräumen und das Stadtbild zu verbessern.
"Die Idee entstand 2013 in San Francisco", verrät Lang. Meist handelt es sich um provisorische Eigenkonstruktionen aus alten Holzpaletten. Die Mannheimer Alternativ-Architekten aber suchten etwas Stabiles, das einer langen Nutzung standhält – und bei Bedarf einfach "umgeparkt" werden kann. Aufgrund der emotionalen Themen Auto und Parkplatzmangel wolle man erst einmal ganz bewusst nur temporär aufzuzeigen, was anstelle einer Parkbucht für Gastronomen, Einzelhändler, Radler und Fußgänger möglich ist. In der Berliner Flaniermeile Friedrichstraße in Kreuzberg startete man ein erstes Projekt, direkt am Lafayette gelegen. Inzwischen ist man in die Produktion gegangen und bietet ein ganzes Sortiment an miteinander kombinierbaren Modulmöbeln an.
Anlehnend, und mit umweltkritischem Unterton versehen, nennt man die Citydecks SUVs, Social Urban Values, also sozial-urbane Aufwertungen. Produziert wird möglichst nachhaltig und lokal. "Das Holz stammt aus dem Schwarzwald, die Stahlverarbeitung findet in Heidelberg statt. Die Verheiratung der Elemente dann bei uns in Mannheim", so Lang. Die Abnehmer kommen aus ganz Deutschland: Mönchengladbach, Hamburg, Leipzig, Regensburg oder Oppenheim. In Bremen gab es ganze 16 Bestellungen, freuen sich die Parklet-Experten. Aus Mannheim jedoch trudelte bislang nur die Anfrage für den Paradeplatz ein. Die Architekten hoffen, zum Beispiel auch bei der Buga 2023 mit den Stadtmöbeln vertreten zu sein.



