Braucht die Stadt Waffenverbotszonen?
Rathaus und Polizei wollen erst Kriminalitätsstatistik für 2022 analysieren. Die Zahl der "Messer-Opfer" ist dem Ministerium zufolge gestiegen.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Die Grünen haben Ende vergangenen Jahres im Gemeinderat Waffenverbotszonen beantragt. In diesen Bereichen wäre dann unter anderem das Mitführen von Messern mit einer Klingenlänge von mehr als vier Zentimetern untersagt. Die Stadt zeigt sich offen für den Vorschlag, will aber zunächst mit dem Polizeipräsidium die Kriminalitätsstatistik für 2022 analysieren und ein gemeinsames Lagebild erstellen. Noch liegt das umfangreiche Zahlenwerk nicht vor, laut Innenministerium zeichnet sich jedoch ab, dass die Zahl der im öffentlichen Raum durch Messer verletzten Opfer in Mannheim im Vergleich zu 2021 gestiegen ist.
Das geht aus der Antwort der Behörde auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Boris Weirauch hervor. Der Justizexperte der SPD-Fraktion plädiert unabhängig davon für eine härtere Gangart: "Niemand sollte das Recht haben, Waffen, insbesondere gefährliche Messer, in der Öffentlichkeit mit sich zu führen." Jede Waffe weniger sei gut für die Sicherheit. Deshalb steht Weirauch Verbotszonen aufgeschlossen gegenüber – "wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen". Und die hat der ehemalige Stadtrat nun in Stuttgart abgefragt.
Ausführlich widmet sich das Innenministerium der Entwicklung der Straftaten mit Messern von 2018 bis 2021. Diese lagen im vorletzten Jahr bei 223, davon 115 im öffentlichen Raum. Das sind nur wenige mehr gegenüber 2020 und 2019. Allerdings muss ein großer Teil dieser Daten vor dem Hintergrund von Lockdowns gesehen werden. Vor Corona verzeichnete die Polizei in Mannheim noch 125 Straftaten (2018) im öffentlichen Raum. Gehäuft kommt es zu Messerangriffen in Innenstadtbezirken und der Neckarstadt.
Wie das Innenministerium weiter mitteilt, können Verbotszonen überall dort eingerichtet werden, wo es bereits mehrfach zu Straftaten mit Waffen gekommen ist und Wiederholungsgefahr droht. Das können Straßen, Wege oder Plätze sein. Zweite Voraussetzung: Verbote oder Beschränkungen müssen der öffentlichen Sicherheit dienen. Ob das der Fall ist, muss die Stadt nach der Lageanalyse mit der Polizei entscheiden und eine Rechtsverordnung verabschieden. Dafür ist die Zustimmung des Gemeinderats erforderlich. Weirauch interpretiert die Zahlen des Ministeriums "vorsichtig" so, dass die Voraussetzungen für Abschnitte der City und der Neckarstadt vorliegen könnten.
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Zugleich warnt der Abgeordnete vor überzogenen Erwartungen und fordert eine "Versachlichung der Debatte". Eine Waffenverbotszone sei "kein Allheilmittel" gegen Verbrechen. "Es wäre naiv zu glauben, dass Kriminelle sich davon abschrecken lassen", so Weirauch. Einerseits. Andererseits: "Das Verbot erweitert definitiv die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden, Waffen bei Kontrollen aus dem Verkehr zu ziehen und Bußgelder zu verhängen. Damit wäre für die öffentliche Sicherheit schon einiges erreicht", ist der SPD-Politiker überzeugt.
Bis dahin sind aber noch einige knifflige organisatorische wie rechtliche Fragen zu beantworten. Zu welchen Zeiten wird kontrolliert, von wem und mit welchem Kräfteeinsatz zum Beispiel. Weirauch glaubt nicht, dass der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) diese Aufgaben übernehmen kann, sondern die Polizei. Zumal es bei den Kontrollen zu gefährlichen Situationen kommen kann. In Stuttgart ist das Verbot auf freitags und samstags jeweils von 20 bis 6 Uhr begrenzt; es gilt zudem an den Tagen vor Feiertagen.
Eines steht für den Juristen Weirauch aber schon fest. Es werde in Mannheim keine verdachtsunabhängigen, sondern ausschließlich anlassbezogene Kontrollen nach Waffen geben können. Zu dieser juristischen Einschätzung kommen auch die Polizei und das Ministerium. In anderen Städten standen Verbotszonen in der Kritik, weil befürchtet wurde, dass vor allem Menschen mit Migrationshintergrund ("Racial Profiling") kontrolliert werden könnten. Diese Gefahr sieht Weirauch nicht.
Er will aber nicht dem subjektiven Eindruck widersprechen, wonach Messer-Straftäter häufig Migrantenfamilien entstammen und das Tragen von Messern in bestimmten Communitys als Statussymbol und für männliches Imponiergehabe dazu gehört. Das Thema ist inzwischen im Oberbürgermeister-Wahlkampf angekommen und auch den Attacken auf Sicherheits- und Rettungskräfte in der Silvesternacht geschuldet. Weirauchs Parteifreund, OB-Kandidat Thorsten Riehle, fragte sich in seiner Bewerbungsrede, warum "gerade wir im toleranten Mannheim" Jugendliche mit einem überhöhten Männlichkeitsbild erlebten, die sich abseits der Gesellschaft stellten. Hier brauche es mehr Angebote, mehr Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und mehr Elternarbeit.



