Am Ende hingen drei "Röhrer" am Haken der Mannheimer Polizei

Die Polizei kontrollierte am Freitagabend am Kaiserring vier Stunden lang sogenannte "Poser" und ihre Autos.

21.08.2016 UPDATE: 22.08.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 47 Sekunden

Die Dezibelwerte dieses schwarzen Ford Mustangs überschritten bei der Messung klar den Grenzwert, sodass er abgeschleppt werden musste. Foto: vaf

Von Jan Millenet

Mannheim. Seelenruhig baumelt der schwarze, amerikanische Sportwagen am Freitagabend am Abschlepphaken und macht keinen Mucks mehr. Noch wenige Minuten zuvor allerdings dröhnte er lautstark durch die Innenstadt. Der Fahrer hatte nicht damit gerechnet, dass an vielen verschiedenen Orten Verkehrspolizisten postiert sind, die den PS-Protzer ihren Motorradkollegen meldeten. Diese zogen ihn letztendlich aus dem Verkehr. Die Beamten haben aus ihrem Versprechen, dass sie vor ein paar Tagen vor Journalisten gegeben hatten, Ernst gemacht. Sie knöpfen sich an diesem Abend in einer groß angelegten Kontrolle auf dem Kaiserring von 18 bis 22 Uhr sogenannte Poser vor, also solche Autofreaks, die mit laut röhrenden Motoren durch die Quadrate donnern, gerne auch an Straßencafés und belebten Plätzen vorbei.

Es ist etwa 20 Uhr: Noch einmal darf beziehungsweise muss der schwarze Ford Mustang GT zeigen, wie laut er brüllen kann. Doch dieses Mal steht ein Experte der Verkehrspolizei mit einem Messgerät hinter ihm, das er in einem Abstand von 50 Zentimetern vom Auspuff entfernt hält. "Viel zu laut", sagt der Beamte. 104 Dezibel. Erlaubt wären bei diesem Modell aber lediglich 92 Dezibel. Die Überschreitung bedeutet fürs menschliche Ohr sogar, dass der Wagen akustisch fast doppelt so laut ist wie erlaubt. "Und somit ist die Betriebserlaubnis erloschen", sagt der Polizist. Die Fahrt ist für den Frankenthaler zu Ende, der Abschleppdienst wird gerufen, der Ford in den nächsten Tagen noch einmal vom Gutachter unter die Lupe genommen.

Es ist Fließbandarbeit, was die Verkehrspolizisten am Freitag leisten. Ständig werden neue getunte Fahrzeuge "angeliefert". Viele dürfen nach einer Dezibelmessung und weiteren verkehrstechnischen Überprüfungen weiterfahren, manche nicht. Sie sind definitiv zu laut.

Glück im Unglück hat der Mannheimer Harley-Fahrer Philipp Höhler. Er darf schließlich mit seinem Zweirad abdüsen, aber bekommt demnächst einen Bußgeldbescheid zugeschickt. Doch warum? Sein Motorrad ist eigentlich recht leise - bis einer der Kontrolleure bei der Lautstärkemessung ziemlich schnell einen Knopf am Lenker entdeckt, diesen drückt und noch einmal am Gashahn dreht. Die Harley schreit plötzlich auf, lauter als noch Sekunden kurz zuvor, ohrenbetäubend.

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"Mit dem Knopf kann man elektrisch die Auspuffklappen öffnen", erklärt der Polizeibeamte. Wodurch das Bike vielfach lauter erklingt. Zwar erlösche mit diesem Knopf die Betriebserlaubnis, aber Höhler darf trotzdem weiter, wenn er die Finger vom Schalter lässt. Den muss er allerdings ausbauen lassen und noch einmal zum TÜV.

Aber was steckt hinter diesem Hang zu lautstarken Motoren? Harley-Fan Höhler versucht zu erklären, bevor er weiterfährt: "Das ist wahrscheinlich so ein Männlichkeitsding. Es macht Spaß."

Doch viele Bewohner der Innenstadt können dem Krach nichts abgewinnen. Im Gegenteil. Zwischen den rund 30 kontrollierenden Verkehrspolizisten steht Wolffried Wenneis. Er gehört zu einer von vier Bürgerinitiativen, die sich gegen die "Poser" wehren - er selbst schon seit zehn Jahren. "Der Lärm vermindert die Wohnqualität deutlich", sagt er. Vermieter der Kunststraße beispielsweise, wo sich PS-Protzer gerne präsentieren, hätten sogar Probleme, ihre Wohnungen zu vermieten. "Man wird auch immer wieder aus dem Schlaf gerissen", sagt Wenneis. In den letzten drei Wochen, als die Polizei und die Stadt aktiv etwas unternommen hätten, sei es spürbar leiser geworden, erzählt er erfreut. Doch ob’s für die Zukunft anhält? Wenneis ist skeptisch. "Vielleicht, wenn die Verkehrspolizei immer mal wieder welche raus zieht".

In der Zwischenzeit haben sich auch viele Schaulustige an der Kontrollstelle versammelt. Sie fotografieren und filmen mit den Handys die meist jungen Männer und deren Fahrzeuge, darunter auch einen BMW mit Schlitzen im Auspuff, einen Mercedes, einen Lamborghini. Sie kommen aus Worms, Heppenheim, Mannheim, der ganzen Metropolregion, sogar einer aus der Schweiz.

"Hat die Polizei nichts Besseres zu tun? Das ist doch Geldverschwendung", ruft ein junger Zaungast. Erster Bürgermeister Christian Specht verneint. "Wir haben jetzt lange genug zugeschaut", sagt er. Im Hinterkopf hat er dabei auch sämtliche Bürgerbeschwerden und Unterschriftenlisten, die ihm in den letzten zwei Jahren überreicht wurden. Nun soll die Quadratestadt leiser werden.

"Über die öffentliche Aufmerksamkeit freuen wir uns", sagt der Chef der Verkehrspolizei, Dieter Schäfer. Denn solche Aktionen sollen abschrecken. Und für die erwischten Fahrer kann das ganz schön teuer werden - allein schon, was die Abschleppgebühren kosten...

Info: Die Bilanz des Freitags laut Polizei: 37 kontrollierte Fahrzeuge, 48 kontrollierte Personen. Bei 5 Fahrzeugen sei die Betriebserlaubnis erloschen, da unter anderem bauliche Veränderungen gesetzeswidrig waren. 3 Fahrzeuge wurden abgeschleppt. Daneben gab es 6 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten sowie elf Verwarnungen. Insgesamt hat die Polizei damit bis Freitagabend bereits 31 Autos und 3 Motorräder aus dem Verkehr gezogen.

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