70 Jahre Abendakademie Mannheim

Werte vermitteln und kreativ sein

Rita Süssmuth sprach beim Festakt zu 70 Jahre Abendakademie - "VHS ist nicht nur Ort des Lernens"

06.04.2017 UPDATE: 07.04.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden

Rita Süssmuth betonte, dass die VHS ein Ort für alle Bevölkerungsschichten sei. Foto: Gerold

Von Heike Warlich-Zink

Mit weit über einhundert Jahren ist die 1899 gegründete Mannheimer Abendakademie eine der ältesten Volkshochschulen und aktuell bundesweit die viertgrößte. Dass jetzt explizit und fast auf den Tag genau ihrer Wiedergründung vor 70 Jahren in einem Festakt gedacht wurde, hat seinen Grund: Weniger als zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die VHS am 14. April 1947 ihre Arbeit wieder auf. "Damit hat Mannheim wohl die kürzeste Unterbrechungszeit und hat das scheinbar Unnötige sofort getan", merkte Rita Süssmuth dazu an. Die Festrednerin und ehemalige Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes wünschte sich, dass dieser Ansatz nicht aufgegeben werde.

"Nicht um Geld betteln müssen"

So betonte Süssmuth, dass eine Volkshochschule nicht nur als Ort des Lernens unter Produktivitätsaspekten verstanden werden dürfe. Vielmehr müsse sie als Ort der Begegnung für alle Bevölkerungsschichten den Zugang zu lebenslangem Lernen ermöglichen. "Produktiv und kreativ sein, darum geht es. Neben Sprachkursen und Technik sowie dem Angebot digitaler Lernmöglichkeiten gehören Kochen, Tanzen, Musik und Kunst ebenfalls zu einer VHS", so die ehemalige Bundestagspräsidentin.

Bildung sei weitaus mehr als reine Wissensvermittlung, sondern habe viel mit Werteverständnis zu tun. Insbesondere die Jugend müsse von den Volkshochschulen an die Hand genommen werden, die damit eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe erfüllen. "Dass die Volkshochschulen ständig um Geld betteln müssen, ist daher nicht gerechtfertigt", erklärte Süssmuth.

Den ganzheitlichen Ansatz verfolge man in Mannheim nach wie vor, betonte Geschäftsführer Wolfgang Börlin. Die VHS suche die Balance zwischen der Nachfrage nach Fachwissen und Allgemeinbildendem, sei Dienstleister der gesetzlichen Weiterbildung und übernehme integrative Aufgaben. "Wir sind ein Langzeitprojekt in Demokratiebildung."

Das sieht auch Oberbürgermeister Peter Kurz so, der es nicht für zielführend hält, die Einrichtung unter reinen Nützlichkeitsaspekten zu betrachten. "Angestoßen durch die Amerikaner, die breite Volksbildung als unverzichtbar für die Entwicklung eines Demokratieverständnisses ansahen, wurde in Mannheim vor 70 Jahren die Arbeit wieder aufgenommen", sagte Kurz. Er ließ die Gäste im Saal in U 1 wissen, dass die Mannheimer Abendakademie heute die größte Einrichtung für Integrationskurse in Baden-Württemberg ist, die Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft ermögliche.

Kurz erinnerte daran, dass nach dem Ersten Weltkrieg die Förderung von Volkshochschulen zur Volksbildung 1919 fest in der Weimarer Verfassung verankert wurde. Noch im selben Jahr entstand in Mannheim der "Verein für Volksbildung Volkhochschule". Doch er kam nur schwer in Gang. Die Menschen hatten andere Sorgen. Es war der Soziologe Paul Eppstein, der zunächst als Geschäftsführer und ab 1929 als Leiter dem Volkshochschulgedanken neuen Schwung verlieh und dafür ein breitgefächertes Programm zur Erwachsenenbildung auflegte.

Die Nationalsozialisten setzten diesem offenen und flexiblen Konzept ein Ende und zwangen Eppstein aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1933 zur Niederlegung der VHS-Leitung. Trotz Verfolgung und Repressalien wollte er Deutschland nicht verlassen. Im Januar 1943 wurde Eppstein zusammen mit seiner Frau ins Getto Theresienstadt deportiert, wo er 1944 erschossen wurde.

Um an ihn zu erinnern, wurde aus Anlass der Wiedergründung der VHS vor 70 Jahren die Paul-Eppstein-Medaille ins Leben gerufen. Als deren erster Träger wurde Roland Hartung beim Festakt damit ausgezeichnet (siehe Artikel rechts).

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