"Leute einfliegen lassen"

Hockenheimer Spargelbauer handelte vor der Grenzschließung

Steffen Großhans ahnte Auswirkungen voraus - Jetzt unterstützen ihn 35 Erntehelfer

03.04.2020 UPDATE: 04.04.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Hat auf sein Baugefühl gehört: der Hockenheimer Spargelbauer Steffen Großhans (Mitte) mit Frau Anja, Töchterchen Luisa und den Erntehelfern Coman Ciucurescu und Mawan Bitfoi. Foto: Lenhardt

Von Stefan Kern

Hockenheim. Wenn die Spargelköpfe aus der Erde lugen, dann ist es höchste Eisenbahn. Denn das Fenster fürs Spargelstechen ist relativ klein. Dafür braucht es aber genügend Erntehelfer, und genau an denen mangelt es. Dieses Problem hat Steffen Großhans nicht. Der Spargelbauer aus Hockenheim folgte seiner Vorahnung: "Ich habe die Grenzschließungen kommen sehen und kurzerhand beschlossen, den Großteil meiner Mitarbeiter aus Polen und Rumänien einfliegen zu lassen."

In normalen Jahren sind rund 60 Leute auf dem Spargelhof Großhans beschäftigt. Mit zehn Deutschen, die ihm beim Spargelstechen unterstützen, und den 35 Helfern aus Polen und Rumänien sind nun 45 Mann auf dem Hof. Eine Personalstärke, die zumindest ausreicht, um die rund 40 Hektar Spargeläcker zu bewirtschaften. Die Zukunft seines Hofs, so Großhans, sehe er optimistisch. "Ich kann sagen, das wird schon."

Diese Einschätzung gelte jedoch nur für ihn selbst. Die Grenzschließung für Saisonarbeiter setze die Landwirtschaft enorm unter Druck. Auch die gerade von der Regierung beschlossenen neuen Einreisebestimmungen für Erntehelfer sind laut Großhans eher ein Tropfen auf den heißen Stein, als eine wirkliche Lösung. Normalerweise brauchte Deutschland 300.000 Erntehelfer. Die Pläne der Bundesregierung sehen für den Monat April und den Monat Mai die Einreisen von jeweils 40.000 Erntehelfer vor. "Das reicht bei Weitem nicht", schätzt der Landwirt.

Die flankierenden Bestimmungen vergrößern seiner Meinung nach den Problemhaufen nur: Erntehelfer sollen sich noch im Heimatland einem Gesundheitscheck unterziehen, dann in Gruppen per Flugzeug nach Deutschland kommen und dort noch einmal zwei Wochen komplett isoliert werden. Das bedeutet, sie müssen von anderen Erntehelfern getrennt untergebracht werden und auch gesondert auf den Feldern arbeiten. "Ich glaube nicht, dass das so funktioniert", kommentiert Großhans. Die allermeisten Höfe hätten dafür einfach nicht den Platz. Deshalb ist der Spargelbauer erleichtert, dass er auf diese Maßnahmen nicht angewiesen ist.

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Es sei einfach Glück gewesen, dass er auf sein Bauchgefühl gehört habe und den Entscheid fällte, seine Erntehelfer auf eigene Kosten einfliegen zu lassen. Wie viel er für die Flüge bezahlt hat, möchte Großhans nicht sagen, nur so viel:"Damit ist meine wirtschaftliche Zukunft erst einmal gesichert." Gesichert hat er mit dieser Entscheidung aber auch die wirtschaftliche Zukunft seiner Mitarbeiter. Eine Beschäftigung zu haben, ist für viele Menschen aus Polen und Rumänien derzeit gerade mehr als wichtig.

Der Spargelbauer befürchtet für die Familien der Erntehelfer, die dieses Jahr nicht nach Deutschland kommen können, Schlimmes. "Diese Länder wird die Corona-Krise noch viel härter treffen." Das bestätigt Miroslaw Pyrcz. Seit etwa zehn Jahren hilft er Steffen Großhans bei der Spargelernte. "Ich bin sehr froh, dass ich Geld verdienen kann." Nur so könne er seiner Familie zuhause in Polen helfen. Bei vielen anderen Helfern auf dem Feld verhält es sich ebenso.

Er verstehe die Nöte der Politik, sagt Steffen Großhans. Er habe auch kein Patentrezept, aber die Voraussetzungen für eine gelingende Landwirtschaft müssen unbedingt beachtet werden. "Immerhin geht es um die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln", erklärt er und fragt: "Warum müssen die Erntehelfer nach einem medizinischen Check in ihren Heimatländern in Deutschland für zwei Wochen isoliert werden?" Wenn man den Untersuchungen in Polen oder Rumänien nicht traue, könne man die noch einmal in Deutschland vornehmen. Sicher sei dagegen, dass die Erntehelfer möglichst schnell und flexibel auf die Äcker müssten, um einen verheerenden Ertragseinbruch in der Landwirtschaft doch noch abzuwenden.

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