Endlich duftet es wieder nach Popcorn
Als erstes Kino zeigt das Cineplex nach dem Lockdown wieder Filme - Ausreichender Sicherheitsabstand ist gewährleistet

Von Marco Partner
Mannheim. Die großen Vorhänge geben wieder die Leinwandhelden frei. Als erstes Kino in Mannheim wagt das Cineplex den Neustart nach dem Corona-Lockdown. Vor allem Familien nutzen am ersten Wochenende die wiedererweckte Freizeitalternative, und machen es sich auf den bequemen Sesseln im Dunkeln gemütlich. Die anderen Spielstätten möchten im Laufe des Monates nachziehen. Obwohl durch die Hygiene-Regularien, limitierte Sitzplätze und die anstehende Sommersaison nicht gerade das große Geschäft zu erwarten ist.
Gedämmtes Licht, der Geruch von Popcorn und Spannung liegt in der Luft. Im Foyer des altbewährten Lichtspielhauses in den Planken kehrt wieder Leben ein. Die Mitarbeiter an der Theke füllen nach fast dreimonatiger Abstinenz die großen Trinkbecher auf. An der Anzeigetafel flimmert das Programm auf: Familienkomödien wie "Rettet den Zoo", "Onward" oder "Night Life" geben den Ton an. Mit "28 Days Later" wird noch ein wenig die befürchtete Apokalypse abgedeckt. Tatsächlich kommt der Neustart eher 82 Tage später. "Es ist wie eine Wiedergeburt", sagt Frank Noreiks, Geschäftsführer der Filmtheaterbetriebe Spickert, freudestrahlend. "Wir sind dankbar, dass wieder Leben in der Bude ist und auch für meine Mitarbeiter ein Stück Normalität einkehrt."
Mit der großen Zuschauerschar darf zu Beginn natürlich nicht gerechnet werden. Zwar dürfen Familien und Freunde aus maximal zwei Haushalten enger zusammenrücken. Das Ticketsystem sperrt bei jeder Buchung aber automatisch die umliegenden Sitze, sodass im Kinosaal ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten wird. Um Warteschlangen und unnötiges Gedränge zu vermeiden, werden die jeweiligen Filmstarts entzerrt, ein Einbahnstraßensystem eingeführt und vor allem an der Popcorn-Theke "überdurchschnittlich Personal" eingestellt.
Eine der 40 reaktivierten Mitarbeiter ist Irina Maier. Als freischaffende Schauspielerin war die Dame an der Kasse gleich doppelt vom plötzlichen Lockdown im Kulturbetrieb betroffen. "Ich habe jetzt zumindest die eine Hälfte meines Arbeitsalltags wieder", ist die Serviceleiterin froh, den Gästen bei der Ticketausgabe wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern zu können. "Es ist natürlich viel weniger los als sonst. Aber ich bin positiv überrascht, es sind mehr Besucher als erwartet. Das schlechte Wetter spielt uns in die Karten", verrät sie. Als leidenschaftliche Kinogängerin ist Silvia W. aus Mannheim eine der ersten Besucher. Mit ihrer Schwester und den Kindern schauen sie sich "Chaos auf der Feuerwache" an. "Die Schwimmbäder und Indoor-Spielplätze haben zu. Die Kinder sollen aber auch bei Regenwetter etwas erleben. Daher sind wir froh über diese Alternative. Und auch wir können uns mal entspannt zurücklehnen", sagt die 36-Jährige. Dann heißt es Maske auf, Treppen hoch, Hände desinfizieren, Adresse hinterlassen, Popcorn kaufen und endlich in den dunklen Raum verschwinden.
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Ganz dunkel ist es hingegen noch in den anderen Lichtspielhäusern. Während das Cinemaxx im Laufe des Monats nachziehen soll, und Frank Noreiks das Sommer-Programm in den beiden großen Mannheimer Filmpalästen unter anderem mit langen "Harry Potter"- und "Herr der Ringe"-Nächten beleben und somit die Wartezeit auf James Bond und Universal-Blockbuster versüßen will, stellt das Cinema Quadrat seine Vorführungen komplett ins Freie. "Frischluft statt Kinosaal", lautet ab Mitte Juni das Open-Air-Motto des erst im vergangenen Herbst ins K 1 gezogenen Filmkunsthauses. Mit einer Bestuhlung für 80 Personen könnten im Innenhof die Abstandsregeln besser eingehalten werden als in den kleinen Filmsälen.
Vor einem ähnlichen Problem stehen auch die beiden Kult-Kinos der Quadratestadt: das Atlantis und das Odeon. Ab 25. Juni öffnen die kleinen Spielstätten wieder ihre Pforten. Vor allem, um der Sympathie- und Solidaritätswelle mit zahlreichen Gutscheinkäufen und Spenden während des Lockdowns Tribut zu zollen. "Unsere Zuschauerzahl ist bei den aktuellen Auflagen massiv begrenzt. 275 Plätze zählt unser größter Saal, bei einem 1,5-Meter-Abstand bleiben nur noch 48 Plätze übrig. Wirtschaftlich rentabel ist das für uns nicht, aber die Solidarität uns gegenüber war so groß, da möchten wir etwas zurückgeben", betont Programmleiter Erdmann Lange.
Die Wiedergeburt der Kinos, sie führt vielleicht auch zu einer kleinen Renaissance der schon vor der Corona-Krise aufgrund von Streamingdiensten wie Netflix etwas in Schieflage geratenen Kultur- und Freizeit-Branche. So bewusst und voller Neugierde wie jetzt zum Neustart zumindest, hat man als Zuschauer schon lange keinen Kinosaal mehr betreten.



