Nez Yildirim ist SPD-Bundestagskandidatin für den Wahlkreis
Die Schwetzingerin erhielt bei der Wahl in Kronau deutlich mehr Stimmen als ihr Kontrahent Fabian Verch aus Bruchsal

Von Harald Berlinghof
Kronau/Schwetzingen. "Mir zittern noch die Knie", sagt die Schwetzingerin Neza Yildirim. Sie strahlt dabei über das ganze Gesicht, denn gerade hat sie die SPD-Mitgliederversammlung in der Kronauer Mehrzweckhalle in einer Kampfabstimmung zur Kandidatin des Wahlkreises Bruchsal-Schwetzingen bei der kommenden Bundestagswahl gewählt. 126 der anwesenden 173 SPD-Mitglieder haben für Neza Yildirim gestimmt. Für den Mitkonkurrenten Fabian Verch gaben 45 Stimmberechtigte ihre Stimme ab.
Ein paar Schritte von ihr entfernt steht Verch. Er gratuliert ihr artig. Ein wenig Enttäuschung ist dem jungen SPD-Stadtrat aber anzusehen. "Ich fühle mich nicht als Verlierer", sagt er jedoch. "Ich werde mich auch weiter für eine starke SPD in der Kommunalpolitik engagieren, auch wenn in den letzten Wochen einige Dinge vorgefallen sind, die ich nicht als fair empfunden habe", betont er in einer ersten Stellungnahme.

Was da mit "nicht als fair" gemeint sein könnte, wird klarer, als die erste Wortmeldung aus dem Publikum kommt. Ein Teilnehmer greift Verch verbal massiv an: "Immer wenn Wahlen anstehen, dann tauchst Du auf. Danach tauchst Du ab, um zur nächsten Wahl wieder aufzutauchen. Willst Du die nächsten Jahre Urlaub im Bundestag machen? Ist das Deine Solidarität?", wirft ihm der Redner vor. Verch wertet die Einlassung als Angriff auf seine Person und sieht als Grund persönliche Animositäten.
Das Wahlergebnis ist schwer vorhersagbar. Für Yildirim spricht, dass sie eine Frau ist und dass die türkisch-stämmige Schwetzingerin einen Migrationshintergrund aufzuweisen hat. Was in vielen Bereichen der Gesellschaft einen Nachteil abbildet, verwandelt sich in einer Partei, die für Minderheiten eintritt, in einen Vorteil. Fabian Verch, Stadtrat in Bruchsal, hat einen vermeintlichen Vorteil an diesem Abend, weil im Saal mehr Mitglieder aus dem Landkreis Karlsruhe anwesend sind als aus dem Rhein-Neckar-Kreis. 100 gegen 78 Mitglieder steht es bei dieser Zählung. "Aber es hat trotzdem für mich gereicht", erklärt sich die Schwetzingerin erfreut.
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173 Mitglieder sind in die üppig bestuhlte Mehrzweckhalle gekommen. Insgesamt gibt es in den 21 Kommunen des Wahlkreises 278 genau 1120 SPD-Mitglieder. Mit der Anwesenheitsquote ist man angesichts der Corona-Vorschriften bei der SPD-Versammlungsleitung, angeführt von Landtagsmitglied Daniel Born, zufrieden. Mit Dieter Merkel ist das älteste Mitglied (91) an Lebensjahren und in Bezug auf Parteizugehörigkeit (70) anwesend. Jeweils 15 Minuten dürfen sich die beiden Kandidaten vorstellen, ihre politischen Inhalte und Schwerpunkte darlegen. Per Münzwurf lost Daniel Born die Reihenfolge aus. Neza Yildirim kann beginnen.
"Das Mädchen ist zu leise, zu bescheiden und rhetorisch nicht geübt genug", habe sie oft über sich sagen hören, erzählt die 43-jährige Diplom-Juristin, die bereits einmal für die SPD in den Bundestagswahlkampf gezogen ist, aber gegen den CDU-Vertreter Olaf Gutting wenig Chancen hatte. Der Jungstadtrat, der nach ihr ans Rednerpult tritt, ist das Gegenteil. Er tritt auf wie ein Politprofi, mit ausgefeilter Rhetorik und mit lauter Stimme an den Stellen seiner Bewerbungsrede, die er betonen möchte. Der Kontrast im Auftritt könnte kaum größer sein. Die inhaltlichen Unterschiede sind dagegen innerhalb der SPD-Programmatik eher gering.
Beiden Kandidaten geht es um mehr soziale Gerechtigkeit, Aufstiegschancen durch Bildung, bezahlbaren Wohnraum, Umweltschutz und Verbesserungen im Niedriglohnsektor. "Dass der Bildungsgrad vom Geldbeutel der Eltern abhängt, ist eine Schande", ruft Fabian Verch in den Saal. "Die Unternehmen sollten mehr an ihre Mitarbeiter denken, statt hohe Dividenden zu zahlen", schreibt Neza Yildirim der Wirtschaft ins Stammbuch. "Die SPD ist mehr als Hartz IV", spricht der 32-jährige Berufsschullehrer den Anwesenden aus der Seele. "Es ist Zeit für eine neue Zeit. Ich bin für eine neue Normalität nach der Corona-Krise", so die Juristin, die eigentlich Pilotin werden wollte, weiter. "Es ist Zeit für mehr Gemeinwohl für alle", sagt sie. Das könnte auch der Unterlegene Fabian Verch unterschreiben.



