Im "Tal der Tränen"

Corona-Krise zwingt die kommunalen Haushalte in die Knie

Gemeinden verhängen Ausgabestopps - Steigende Sozialausgaben befürchtet

24.04.2020 UPDATE: 26.04.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden

Symbolbild: Archiv

Rhein-Neckar/Odenwald. (RNZ) Der Stillstand in Industrie, Gewerbe und Handel im Zuge der Coronakrise hat auch gravierende Folgen für die kommunalen Finanzen, verbunden mit zusätzlichen Belastungen. Viele Haushaltspläne in Städten und Gemeinden sind Makulatur, weil die Kämmereien mit Einbrüchen bei ihren Anteilen an den Steuereinnahmen zu rechnen haben, die vor dem Ausbruch der Pandemie eingeplant waren. Dagegen wird unter anderem mit steigenden Sozialausgaben gerechnet, ganz abgesehen von den Fixkosten für die Verwaltungen. Viele Kommunen reagieren mit einem Ausgabestopp oder stellen sich darauf ein, bei den Investitionen kürzer zu treten. Hier Beispiele aus der Region:

> Rosenberg. Finanziell nicht auf Rosen gebettet ist die Gemeinde Rosenberg im Neckar-Odenwald-Kreis. Als typische Flächengemeinde hat man einen hohen Aufwand für den Erhalt der Infrastruktur zu leisten, denn es gilt ein 130 Kilometer langes Netz (Wasser- und Abwasserleitungen, Gemeindeverbindungsstraßen) zu unterhalten. Dies falle gerade bei wegbrechenden Steuereinnahmen schmerzhaft ins Gewicht. Nicht eingeplant waren auch coronabedingte Mehrausgaben für den Kauf von Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln. Bürgermeister Ralph Matousek sah sich daher bereits gezwungen, eine Haushaltssperre für seine Gemeinde zu verhängen. Dies betrifft im wesentlichen kleinere Maßnahmen, denn die größeren Aufträge seien bereits vor Corona vergeben worden.

Das genaue Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden werde man erst bei der Steuerschätzung im Mai sehen. Insgesamt glaubt Matousek aber, dass seine Gemeinde in diesem Jahr noch mit einem blauen Auge davonkommen werde, 2021 werde es aber deutlich schwerer. Hier rechnet der Bürgermeister mit einem ganz drastischen Rückgang der Steuereinnahmen. So befürchtet er in Rosenberg eine Halbierung der jetzigen Gewerbesteuereinnahmen. joc

> Kirchardt. Als eine der ersten Kommunen im Kraichgau reagierte Kirchardt mit einer Haushaltssperre. Im ersten Quartal waren Einnahmen von 1,8 Millionen Euro allein aus der Gewerbesteuer im Haushalt eingeplant. Doch statt des Plus steht nun ein Minus vor den 1,17 Millionen Euro allein auf diesem Posten. Grundstückserlöse in der eingeplanten Höhe seien ungewiss, so Bürgermeister Gerd Kreiter. Durch die Schließung der Kinderbetreuungseinrichtungen wird ein Minus von 43.800 Euro erwartet – monatlich.

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Von der Haushaltssperre betroffen sind Maßnahmen, die nicht zwingend sind. Zum Beispiel die Sanierung einer Kindergartenfassade oder die Erneuerung von Schülertoiletten in der Grundschule in Berwangen. Auch Feldweg- und Straßensanierungen fallen darunter. Auch nicht begonnene Maßnahmen wie die restliche Erschließung eines Gewerbegebiets, ein Kanalumbau oder der Kauf von Spielgeräten sollen verschoben werden. Maßnahmen, für die Fördermittel beantragt wurden oder für die bereits Gelder bewilligt worden sind, sollen weiter geplant, Vergaben aber verschoben werden. Aktuell kamen beispielsweise rund 1,7 Millionen Euro vom Land für den Ausbau des Bürgerzentrums. isi

> Hirschberg. Einen Ausgabenstopp hat auch der Bürgermeister von Hirschberg an der Bergstraße, Ralf Gänshirt, verhängt. Er rechnet mit einem Einbruch bei der Gewerbesteuer in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro. Angesetzt waren 4,6 Millionen Euro Einnahmen an dieser Stelle. Der Haushalt sei jetzt in einer Schieflage, so Gänshirt. Am 28. April soll der Gemeinderat über eine förmliche Haushaltssperre entscheiden. Noch vor der Sommerpause will Gänshirt einen Nachtragshaushalt verabschieden. Dabei werde es "deutliche Einschnitte" geben, so der Bürgermeister. Das größte laufende Projekt, der Neubau eines Kindergartens, soll aber ohne Verzögerungen weitergehen. ans

> Schriesheim. In der Weinstadt stehen kommende Woche die Haushaltsberatungen auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Kämmerer Volker Arras hat ein Einnahme-Minus von 3,2 Millionen Euro eingeplant. Allein der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer wird um 2,2 Millionen Euro niedriger angesetzt. Bürgermeister Hansjörg Höfer kündigt an, die Ausgaben auf das Notwendigste zurückzufahren. Die Investitionen sollen um rund 1,5 Millionen Euro gekürzt werden. Besonders erschwerend in dieser Situation: Schriesheim hat die Sanierung eines Teils des Schulzentrums auf den Weg gebracht. Schon ohne "Corona" eine enorme finanzielle Belastung für die Stadt.

> Neckar-Odenwald-Kreis. Thomas Ludwig ist nicht nur Bürgermeister von Seckach. Er ist auch Vorsitzender des Kreisverbandes des Gemeindetags. Also hat er nicht nur die Städte, sondern auch den ländlichen Raum im Blick, wenn er sagt: "In den kommenden Jahren werden wir wohl durch ein Tal der Tränen gehen müssen." Auch die Bürger seiner Gemeinde stellte er auf "schmerzhafte Einschnitte ein."

Und selbst wenn die Corona-Beschränkungen weiter gelockert würden, dürften die finanziellen Auswirkungen der Pandemie noch lange spürbar bleiben. Klamme Kassen würden zusätzlich belastet. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit würden sich auf Einkommenssteueranteilen niederschlagen, nennt er als ein Beispiel.

Alles auf dem Prüfstand

Die laufenden Kosten für Personal und Infrastruktur bleiben. Und die Mehrausgaben für die Pandemie-Bekämpfung seien nicht zu unterschätzen. Kreiskämmerer Michael Schork sieht keinen Bereich von den künftigen Sparzwängen ausgenommen. Die Steuerschätzung im Mai sei "die Stunde der Wahrheit". Schork rechnet zudem damit, dass mehr Geld für die Grundsicherung Arbeitssuchender ausgegeben werden muss. Und dann die kreiseigenen Neckar-Odenwald-Kliniken, die dem Kreiskämmerer ohnehin Sorgen bereiten: Für sie dürfte es schwierig werden, ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. ar

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