Hochwasserschutz in Mannheim

Renaturierung des Neckars schafft Überschwemmungsflächen

Hochwasserschutzforum: Die Unwettervorhersagen werden besser, sie allein sind aber noch kein Schutz gegen die Wassermassen.

26.05.2023 UPDATE: 26.05.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden
Die Arbeiten zur Renaturierung des Neckars auf der nördlichen Uferseite laufen. Foto: Blaue

Von Harald Berlinghof

Mannheim. Das Spinelli-Gelände bleibt nach der Buga schön grün. Und ist wesentlicher Teil des sogenannten "Grünzugs Nordost", der auch als Frischluftschneise für die Mannheimer City dienen soll. Das funktioniert schon jetzt ziemlich gut, wie Ralph Schlusche, Direktor des Verbands Region Rhein-Neckar (VRRN), am Mittwoch lächelnd feststellen kann. Er begrüßt die Teilnehmer des 20. VRRN-Hochwasserschutzforums auf der Buga unter dem zu den Seiten hin offenen Dach des Pavillons der Metropolregion. Und während "draußen" die Sonne scheint, zieht es empfindlich kühl unter der Holzkuppel wie Hechtsuppe. Wetterextreme sind auch einer der Inhalte des Forums.

> Die Bundesgartenschau und die Renaturierung des Neckars. Die Natur entlang des Neckars zwischen Fernmeldeturm und Feudenheimer Neckarschleuse solle durch die Renaturierung der Uferzonen gestärkt werden, wie Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach erläutert. Der Neckar liegt zwischen den beiden Buga-Standorten Spinelli-Gelände und Luisenpark. Deshalb soll der Fluss in das grüne Konzept der Buga miteinbezogen werden. Und dazu werden auf einer Strecke von 3,3 Kilometern entlang des Neckarufers insgesamt 39 Millionen Euro investiert, wovon etwa 80 Prozent aus Fördergeldern von Land und Bund stammen. "Sowohl die Menschen als auch die Natur sollen von den Maßnahmen profitieren", betont der Buga-Macher. Das bisher steil abfallende Ufer, das mit Gestein modelliert war, soll durch Abflachungen und Überschwemmungsflächen sowie durch kleine, vorgelagerte Inseln neu gestaltet werden. Davon sollen Fisch- und Vogelarten profitieren, aber auch der Mensch, für den die Natur wieder erlebbar wird. Und der Biber hat sich schon ganz ohne Einladung an den fertiggestellten Abschnitten entlang der Maulbeerinsel angesiedelt.

Auch die ehemalige Neckarschleife der Feudenheimer Au soll wieder sichtbar werden. Im ersten Bauabschnitt, der in den nächsten Wochen und abhängig von Hoch- oder Niedrigwasser des Neckars abgeschlossen werden soll, wurden über 80.000 Kubikmeter Erde, Sand und Kies abtransportiert und derselbe Raum an Wasservolumen für die Fischbrut geschaffen. Im zweiten Bauabschnitt (nach der Buga) sollen es fast noch einmal die gleichen Mengen sein, die bewegt werden. Im Vorfeld der Erdarbeiten musste das Gelände auch auf Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht werden. Dabei wurden 3000 "Verdachtspunkte" festgestellt, letztlich aber nur drei große Blindgänger gefunden. Ansonsten kam viel Schrott aus dem Boden, bis hin zu Ankerketten.

> Langfristige Trends bei Starkregen und Trockenphasen in der Rhein-Neckar-Region. Wir leben gegenwärtig in einer zwischenwarmen Phase einer Eiszeit, genannt Zwischeneiszeit. Vor 60 Millionen Jahren war es viel heißer als heute. Aber wen interessiert das schon, wenn es aktuell um die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels geht? Dr. Wolfgang Lähne vom 178 Jahre alten "naturforschenden Verein" Pollichia aus Neustadt an der Weinstraße hatte viel Statistisches mitgebracht. Immerhin gilt Mannheim ja als "Wiege der Meteorologie", weil Kurfürst Carl-Theodor 1781 eine Meteorologieklasse an seiner Akademie der Wissenschaften einführte. Ein globales Wetterbeobachtungsnetz mit mehr als 30 Stationen zwischen Massachusetts und dem Ural lieferte damals bereits seit einigen Jahren Daten. Im Raum Oberrhein zwischen Karlsruhe und Frankfurt werden seit rund 265 Jahren "instrumentelle Daten" erhoben. Darauf basierend können langfristige Vergleichsmessreihen erstellt werden. Und dabei zeigt es sich, dass in den letzten zehn Jahren im Bereich Oberrhein der Temperaturanstieg schneller vonstatten ging als global. Sowohl die Tropen als auch Küstenregionen reagieren in Bezug auf die Temperaturzunahme träger und langsamer. In der Region sind wir gegenwärtig bei einem Anstieg um 1,25 Grad Celsius seit 2013 angekommen.

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> Wohin sich unser Klima bewegt. Es gab schon immer sehr heiße Sommer, aber dazwischen auch sehr kühle. Letztere gab es seit 30 Jahren aber nicht mehr. Die Winter sind dagegen wärmer geworden. Hier sieht der Experte einen "sehr markanten Trend zur Temperaturzunahme". Den letzten richtigen "Strengwinter" gab es 1963 bei uns. Der Oberrhein hat sich seit einiger Zeit den klimatischen Bedingungen angepasst, wie sie in Südwestfrankreich üblich sind. "Wir bewegen uns aber nicht weiter südlich das Rhonetal hinab. Im Ausnahmesommer 2018 hatten wir jedoch Klimadaten wie etwa Pisa in Italien", meint Lähne. Bei den Niederschlägen sind die historischen Daten ungenauer. Es zeigt sich ein leichter Regen-Abnahmetrend im Sommer. Bei kleinräumigen Starkregenereignissen, die große Schäden bringen und wie im Ahrtal sogar Menschenleben fordern, sind vergleichbare Daten schwieriger zu deuten.

> Wie belastbar und widerstandsfähig wir sind. Wenn technischer Hochwasserschutz versagt, dann ist die Widerstandsfähigkeit der Betroffenen gefragt. Professor Christian Kuhlicke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig, warnt davor, sich sicher zu fühlen. Auch wenn man im vierten Stock wohnt, haben Überflutungen Auswirkungen auf alle, weil zentrale Teile der Infrastruktur betroffen sind. Versicherungsdokumente (gegen Naturkatastrophen) könnten beim Widerstand und beim Ertragen einer Katastrophe genauso wichtig sein für die Psyche wie Sandsäcke. Die Zugriffe auf Hochwassergefahrenkarten sind viel zu selten. Aber auch wenn die Unwettervorhersagen immer treffsicherer werden und die Vorlaufzeiten immer kürzer, bleibt gegen eine Menge von 150 Millionen Badewannen-Füllungen Flusswasser, die innerhalb kürzester Zeit durch ein Tal rauscht (so war es im Ahrtal), nur die Flucht. So wie in den USA. Hier wurde ein ganzes Dorf auf einen benachbarten Berg umgesiedelt, weil es der Mississippi immer wieder heimsuchte. Solche Reaktionen sind in Deutschland wegen juristischer Vorgaben bei Schadensersatz und Fördergeldern nicht möglich. Geld gibt es im Schadensfall nämlich meist nur, wenn der Wiederaufbau an exakt derselben Stelle erfolgt.

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