Ein Vier-Millionen-Paket für die Innenstadt
Gemeinderat genehmigt ein Kraftpaket für die Innenstadt - Kongress und Fünf-Punkte-Plan für Wiederbelebung

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Josefine Maier, die legendäre Volksfestwirtin ("Göckelesmaier") würde sich wohl im Grabe umdrehen, wenn sie erführe, was aus dem Heilbronner Top-Event der Feierlustigen geworden ist, aus dem "Unterländer Volksfest" auf der Theresienwiese. Inzwischen hat es sich verbal verkleinert zum "Heilbronner Volksfest".
Das waren noch Zeiten: Am Stammtisch der "Volksfest-Bürgermeisterin" trafen sich über Jahrzehnte die Honoratioren und andere zum jährlichen Humpen-Heben genauso wie zum Bäumchen-Wechsel-Dich, dem Grundstückle-, dem Aufträgle- und dem Pöstle-Wechsel-Spiel und natürlich auch zum reinen Vergnügen. Das Volksfest war in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit teilweise über 300.000 Besuchern zumindest zahlenmäßig das Top-Event neben Pferdemarkt und Weindorf. Letzteres, bei dem man auch ohne Blasmusik gut zueinander findet und das Kulturgut Wein nicht nur sensorisch, sondern auch geistig anregend genießen kann, steht noch in Frage. Wohl auch, weil die Veranstalter – die HMG (Heilbronn Marketing GmbH) und die Wengerter – in ihren Organisationen reichlich Prügel bekamen für die letztjährige, missinterpretierte Weindorf- eröffnung "light" in der Corona-Pause. Trotzdem haben sie gute Alternativen aufgezeigt.
Derzeit aber fragt man sich: Hat Heilbronn ausgefeiert? Ist die Innenstadt ein Patient auf der Intensivstation? Ein von der Stadt geschnürtes Vier-Millionen-Euro-Kraftpaket zeigt viele Rezepte auf, nicht nur um einfach so "weiterzufeiern", sondern um die Innenstadt in ihrer Gesamtheit, als Attraktion für Käufer und Kulturbeflissene, Flaneure und Familien, Hungrige, Unterhaltung und Begegnung Suchende wieder richtig auf die Beine zu bringen. Dieser Herausforderung stellen sich die Stadt, genauer das Kulturdezernat, die städtische Tochter HMG und die Händlervereinigung "Stadtinitiative" gemeinsam. An Ideen fehlt es nicht. Wo sie noch fehlten, soll im Herbst der Kongress "Die Zukunft unserer Innenstadt" weitere Lösungsansätze bringen.
Dieser, initiiert von der Verwaltung, wurde bei der Vorstellung des Gesamtpaketes im Gemeinderat auch schon kräftig gelobt und ist in seiner Art wohl auch ziemlich neu. Oberbürgermeister Harry Mergel möchte hier über die lokale Ebene hinaus mit externen Fachleuten ein Forum schaffen, das neue Wege aufzeigt, wie die Innenstadt nicht nur nachhaltig wieder zu beleben ist, sondern auch ein Instrumentarium an die Hand gibt, sie erst mal aus der Corona-Krise herauszuführen. Dass man damit das Gesetz des Handelns an sich zieht, sah auch der Gemeinderat so: Der Tagesordnungspunkt "Belebung der Innenstadt" wurde einstimmig verabschiedet.
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Neben dem Kongress gehören zum Fünf-Punkte-Plan auch die Felder Mobilität, Gastronomie, Aufenthaltsqualität und die Fortsetzung von "Kulturbunte Stadt" aus dem vergangenen Jahr. Denn Kultur kann auch Bindungskräfte wecken. Was das städtische Kulturamt 2020 unter der Leitung von Karin Schüttler und unter Corona-Bedingungen in kürzester Zeit auf die Beine stellte und damit auch viele Füße in die Innenstadt lockte, war beachtlich, zeigte aber auch, dass die sonstige Abwesenheit von Kultur, abgesehen von den Städtischen Museen und der Volkshochschule, ein dauerhaftes Manko ist. Kulturbürgermeisterin Agnes Christner sagt: "Zu einer lebendigen Innenstadt gehört auch ein breit gefächertes Kulturangebot." Viele wünschen sich als Dauereinrichtung "Heilbronn ist Kult". Die Veranstaltung wird in diesem Jahr inhaltlich wie örtlich ausgedehnt. Zum "Spielort" Deutschhof kommen unter anderem der Bildungscampus und das Kulturzentrum Maschinenfabrik hinzu. Auch die "Inselspitze" öffnet wieder, mitsamt Thomas Schüttes einladendem, leuchtend-roten "one-man-house". Es gibt wohl kaum einen schöneren Ort als diesen für kleinere Formate wie die jetzt angekündigten Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, die auch unter Beteiligung des Theaterschiffes stattfinden.
Der derzeitige Gang durch Heilbronn, vorbei an Laden-Leerständen und zugemüllten Straßen legt teilweise unappetitliche Ecken frei. Fröhlich stimmen soll ab sofort eine üppige Blumenpracht. Die Stadt hat Dank Buga damit ja schon einige Erfahrung. Schon schwimmen die Blumenschiffchen auf Pflastersteinen. Eine florale Achse soll sich vom Bahnhof bis zur Harmonie erstrecken, wo ein demnächst vollendeter neuer Stadtgarten wartet. Der Kilians-platz wird zum Kiliansgarten, auch mit Aufenthaltsqualität. Ein kostenloser ÖPNV an Samstagen sowie gesenkte Parkgebühren sollen auch Besucher von jenseits der Stadtgrenzen anziehen – gestützt von einer App mit Bezahlfunktion. Die so hart gebeutelte Gastronomie wird von vielen Gebühren befreit, soll kostenfrei ihre Außenflächen bis zum doppelten vergrößern und mehr werben dürfen. Mit der Einführung eines Mehrweg- "To Go"-Angebotes will man der Vermüllung etwas entgegen setzen.
Von den eingesetzten vier Millionen Euro fließen 1,4 Millionen in Sofortmaßnahmen, 2,6 Millionen in mittel- und längerfristige Ziele. In das Maßnahmenpaket sind auch Anträge der Fraktionen von FDP und Freie Wähler eingeflossen. Die neue Deutschland-Koalition im Gemeinderat (Schwarz-Rot-Gelb) fordert ganz aktuell einen Fonds von einer Million Euro für ein Sofort-Hilfspaket, um schnell und unbürokratisch besonders betroffenen Organisationen, Vereinen, Initiativen von Sport und Gesellschaft, der Kultur und deren – oft kaum abgesicherten – Akteuren zu helfen und selbstredend auch der Gastronomie.
Auch wenn sich der Würgegriff von Corona im Sommer möglicherweise etwas lockern könnte, wird man verschmerzen müssen, dass es wieder kein Klassik-Open-Air mit dem Württembergischen Kammerorchester auf dem Kiliansplatz und vom Heilbronner Sinfonieorchester im Deutschhof geben wird. Mit diesen Höhepunkten hat man seit Jahren auch Menschen begeistert, die "Amadeus" nur als Hit von Falco kannten. Und was das Volksfest betrifft: Josefine Maier muss es ja nicht mehr miterleben, dass das "G" für Göckelesmaier im aktuellen Internetauftritt, für "Geduld" steht.



