Finanzielle Lage so gut wie lange nicht mehr
Der Kreishaushalt 2018 wurde am gestrigen Dienstag verabschiedet - Es gibt aber auch Problemfelder - Grüne sprechen von "Ritual des Schacherns"

Der Rhein-Neckar-Kreis ist finanziell gut aufgestellt. Einen großen Anteil daran hat die Kreisumlage. SAP-Standort Walldorf ist mit 49,7 Millionen Euro der größte Beitragszahler. Foto: dpa
Von Stefan Hagen
Sinsheim-Steinsfurt. Friede, Freude, Eierkuchen in der Kreispolitik? Nicht mit den Grünen! Die wollten gestern partout nicht die milde Weihnachtsstimmung der anderen Parteien teilen und verweigerten dem Haushalt 2018 des Rhein-Neckar-Kreises mit teils deftigen Äußerungen ihre Zustimmung.
Die Senkung der Kreisumlage um 0,75 Prozentpunkte, von der die 54 Städte und Gemeinden des Kreises profitieren, nannte Fraktionschef Ralf Frühwirt ein "alljährliches Ritual des Schacherns". Man hätte das Geld - es geht um rund zwei Millionen Euro - lieber in die Schuldentilgung stecken sollen, als es auf das Festgeldkonto von wohlhabenden Kommunen wie Walldorf zu überweisen. Eine Äußerung, die mit unüberhörbarem Gemurre quittiert wurde. Jetzt fühlte sich der Grüne erst recht herausgefordert. "Für uns steht der Kreis im Mittelpunkt, nicht das Bedürfnis von Bürgermeistern nach Aufmerksamkeit."
Hintergrund
Daten und Fakten zum Haushalt 2018 des Rhein-Neckar-Kreises
In Sinsheim-Steinsfurt wurde gestern
im Rahmen der Kreistagssitzung der Kreishaushalt 2018 mehrheitlich verabschiedet. Nachfolgend einige Daten
und Fakten aus dem Zahlenwerk:
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Daten und Fakten zum Haushalt 2018 des Rhein-Neckar-Kreises
In Sinsheim-Steinsfurt wurde gestern
im Rahmen der Kreistagssitzung der Kreishaushalt 2018 mehrheitlich verabschiedet. Nachfolgend einige Daten
und Fakten aus dem Zahlenwerk:
> Das gesamte Haushaltsplanvolumen beträgt für das Jahr 2018 mehr als 700 Millionen Euro, von denen über 660 Millionen Euro auf den Kernhaushalt, 47,4 Millionen Euro auf den Eigenbetrieb Bau und Vermögen sowie 263.000 Euro auf die Freiherr von Ulner’sche Stiftung entfallen. 2017 hatte der Haushalt ein Gesamtvolumen von rund 726 Millionen Euro.
> Größter Einnahmeposten ist die sogenannte Kreisumlage - also Geld, das der Kreis von seinen 54 Städten und Gemeinden nach deren Steuerkraft erhält. Im kommenden Jahr zahlen die Kommunen rund 254,6 Millionen Euro in die Kreiskasse.
> Größte Beitragszahler 2018 sind Walldorf (49,7 Millionen Euro), Weinheim (18,5 Millionen Euro), St. Leon-Rot (15,4 Millionen Euro) und Sinsheim (13,8 Millionen Euro).
> Weitere große Positionen auf der Habenseite sind die Kostenerstattungen des Landes insbesondere für die vorläufige Unterbringung von Asylbewerbern inklusive Transfer, Unterbringung unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. 2018 werden rund 66,3 Millionen Euro überwiesen. Die sogenannten Schlüsselzuweisungen des Landes spülen fast 51,6 Millionen Euro in die Kasse.
> Die höchsten Ausgaben werden fällig für soziale Leistungen in Einrichtungen und außerhalb von Einrichtungen. Hier wendet der Kreis fast 259 Millionen auf (Transferaufwendungen Soziales, Jugend und Asyl). Für Personal- und Versorgungsaufwendungen werden über 92,7 Millionen Euro fällig. Für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) zahlt der Kreis 67,7 Millionen Euro. sha
Aber letztendlich war Frühwirt wieder einmal der "einsame Rufer in der Wüste". Der Haushalt wurde ungeachtet seiner Einwürfe mit großer Mehrheit verabschiedet. Und damit natürlich auch die Senkung der Kreisumlage, die von Sprechern aller anderen Parteien - mit Ausnahme auch der Linken, die den Haushalt ebenfalls ablehnten - als gerechtfertigt verteidigt wurde.
Überhaupt erfüllte eine Art Euphorie die Schindwaldhalle im Sinsheimer Stadtteil Steinsfurt, die in den Redebeiträgen der Fraktionsvorsitzenden unverhohlen durchklang. "Der Haushalt 2018 steht unter einem guten Stern" (Bruno Sauerzapf/CDU), "Die Kreiskommunen müssen an der guten Finanzentwicklung beteiligt werden" (Ralf Göck/SPD), "Der Kreis profitiert von der guten konjunkturellen Lage" (Hans Zellner/Freie Wähler), "Die finanziellen Spielräume des Rhein-Neckar-Kreises haben sich erneut verbessert" (Claudia Felden/FDP). All diese Aussagen lassen nur einen Schluss zu: Dem Rhein-Neckar-Kreis geht es finanziell richtig gut. Das wollte an diesem Tag auch niemand ernsthaft infrage stellen. Dennoch gibt es Anzeichen, dass es eines Tages wieder ganz anders aussehen könnte. Ein großes Problem - das kristallisierte sich in nahezu allen Reden heraus - sind die ständig steigenden Ausgaben im Jugend- und Sozialbereich (s. auch "Hintergrund). "Hier ist der Kreis durch Landes- und Bundesgesetze fremdbestimmt", machte Bruno Sauerzapf deutlich. "Wir haben einen gesetzlichen Versorgungsauftrag und nur wenig Möglichkeiten, diese Kosten und deren jährliche Steigerung zu beeinflussen", ergänzte Hans Zellner. Auch im Haushaltsjahr 2018 reiche die Kreisumlage - immerhin fast 255 Millionen Euro - nicht aus, um die Aufwendungen in diesem Bereich zu decken, rechnete Claudia Felden vor. Und in den kommenden Jahren müsse mit weiter steigenden Aufwendungen für soziale Leistungen gerechnet werden, gab sich Sauerzapf keinen Illusionen hin. Und Sozialdemokrat Göck warnte: "Wenn die Ausgaben im bisherigen Tempo weiter steigen, wird es eine Bruchlandung geben."
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Und hier, merkte Göck weiter an, dürfe auch die seit Jahren deutlich steigende Anzahl an Personalstellen keine Tabuzone bleiben. Ein Stichwort, das Hans Zellner liebend gerne aufnahm. "Uns macht die Personalpolitik des Kreises nach wie vor große Sorgen", sprach der ehemalige Bürgermeister von Wilhelmsfeld Klartext. Und lieferte Zahlen nach: In den vergangenen fünf Jahren hätten sich die Stellen um 299 erhöht. Dies bedeute bei insgesamt rund 1535 Stellen eine Steigerung von 19,5 Prozent. Man werde die Personalpolitik weiter kritisch begleiten. "Ein ,Weiter so’ wird es mit uns nicht geben", kündigte der Chef der Freien Wähler an.
Das Personal des Kreises müsse sich an den Anforderungen orientieren, warf Ralf Frühwirt ein. Eine Pauschalforderung nach Stellenabbau sei nicht angebracht. "Wir haben nicht den Eindruck, dass der Kreis Mitarbeiter auf Vorrat einstellt", merkte der Grüne süffisant an.
Und noch ein Schmankerl zum Schluss: Den größten Beifall der Sitzung bekam - für ihn eher ungewohnt - Linken-Chef Edgar Wunder. Kaum stand er am Rednerpult, machte sich in der Halle der Geruch von Gebratenem breit. "Ah, das Essen ist bald fertig", stellte der Linke fest. Dann werde er sich jetzt kürzer fassen. Da brandete spontan lauter Jubel im Gremium auf ...