Konzertveranstalter sitzen auf glühenden Kohlen
Events mit begrenzter Besucherzahl für Branche nicht immer wirtschaftlich - Das betrifft vor allem Musicals - Stuttgarter "jazzopen" komplett ins nächste Jahr verschoben

Von Peter Wiest
Heidelberg. Es sind harte Zeiten für alle Branchen. Extrem hart allerdings sind sie für Veranstalter von Konzerten, welche seit März wegen Corona reihenweise ausfielen, ins kommende Jahr verlegt oder aber ganz gestrichen werden mussten. Wie es weiter geht auf diesem Sektor, kann niemand sagen. Wobei jedoch, so der Tenor einer RNZ-Umfrage bei Veranstaltern, die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt und die Zuversicht allmählich dann doch wieder zurückkehrt.
> Bei BB Promotion in Mannheim hat man die Anzahl der Veranstaltungen, die seit Beginn der Krise ausfielen beziehungsweise verlegt werden mussten, nicht gezählt. "Tatsache ist: Jedes einzelne Konzert, das nicht stattfinden konnte, war eines zu viel", sagen Matthias Mantel und Andree Kauschke, zwei der BB-Geschäftsführer. Und wenn die Veranstalter, BB ebenso wie alle anderen, sämtliches bereits für Tickets bezahlte Geld kurzfristig hätten in bar zurückerstatten müssen, wäre dadurch "für die Branche eine Massen-Insolvenz ausgelöst worden", so Kauschke. Auch deshalb war man froh, dass es durch ein entsprechendes vom Bundestag erlassenes Gesetz möglich wurde, bei Pandemie-bedingten Veranstaltungs-Absagen zunächst Gutscheine für die Ticket-Käufer auszustellen.
"Bei uns ist derzeit praktisch alles in Kurzarbeit. Und das ist gut so", schildert Kauschke die Situation in seinem Unternehmen. Die Möglichkeit zur Kurzarbeit mit entsprechender staatlicher Unterstützung habe die Branche zusammen mit dem Gutscheingesetz gerettet, so der Geschäftsführer – zumindest eine Zeit lang. Die Arbeit bestehe derzeit hauptsächlich darin, Veranstaltungen überwiegend ins kommende Jahr zu verschieben – in der Hoffnung, dass die Lage sich bis dann entscheidend geändert hat und Konzerte im bisher üblichen Rahmen wieder über die Bühne gehen können.
Dass es bis dahin Veranstaltungen mit eingeschränkter Besucherzahl gibt, wird laut Kauschke eher die Ausnahme bleiben. Dies sei bei kleineren Veranstaltungen mit eher regionalen Künstlern zwar denkbar und wohl auch gut und angebracht, sagt er: "Aber spätestens im Musical-Bereich ist das unmöglich und wirtschaftlich absolut nicht darstellbar". Das liege in erster Linie daran, dass der Aufwand für eine Musical-Produktion in ganz anderen Bereichen liege als etwa im Rock-Pop-Bereich. Und dass bei Musicals eben üblicherweise viel mehr Künstler mit an Bord seien als in anderen Genres.
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"Im Rock-Pop-Bereich kann die Situation etwas flexibler sein", erläutert Matthias Mantel, "so dass es hier immerhin denkbar wäre, vor reduziertem Publikum zu spielen, wenn Künstler bereit wären, Abstriche an ihren Shows zuzulassen." Bei Musicals gehe das jedoch so auf keinen Fall, und schon allein deshalb sei es kaum denkbar, derlei Aufführungen vor deutlich reduziertem Publikum anzubieten. Dass etliche für das laufende Jahr geplante Aufführungen bisher noch immer nicht offiziell abgesagt wurden, liegt laut Kauschke und Mantel daran, dass für die im vierten Quartal angesetzten Veranstaltungen noch keine behördlichen Anordnungen vorliegen, die eine Durchführung untersagen. "Somit sind wir als Veranstalter noch in der vertraglichen Verpflichtung", so die BB-Geschäftsführer. "Dennoch sind wir bereits mit den nationalen Partnern beziehungsweise Managements in Kontakt, um gegebenenfalls notwendige Verlegungen und neue Termine zu prüfen."
> Bei Semmel Concerts in Mannheim wollte man sich auf Anfrage zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zur Thematik äußern. Der Homepage des Veranstalters ist jedoch zu entnehmen, dass die meisten der für Mannheim angesetzten Termine auf das kommende Jahr verlegt wurden. Darüber hinaus hat Semmel bereits angekündigt, ab September mit einzelnen Open-Airs unter Corona-Bedingungen "ein Zeichen zu setzen", wie es heißt; diese sollen zunächst auf der Berliner Waldbühne stattfinden. In Mannheim war Semmel auch Veranstalter beim "Carstival"-Auftritt des Elektronik-Künstlers Schiller auf dem Maimarktgelände.
> Bei Live Nation, dem größten deutschen Konzertveranstalter, stellt sich die Situation nicht unähnlich dar wie bei BB Promotion – auch wenn es hier um noch mehr und oft auch noch größere Veranstaltungen bis hin zu Festivals wie "Rock am Ring" oder "Rock im Park" geht. Da bei Live Nation die Tickets üblicherweise nicht direkt verkauft werden, erfolgt die Rückabwicklung ausgefallener Termine in der Regel über die Stelle, bei der die Karten gekauft wurden – wobei auch hier die Gutschein-Regelung gilt beziehungsweise zahlreiche Tickets auch behalten werden können, da sie für bereits angesetzte Nachholtermine ihre Gültigkeit behalten. Die hauptsächliche Sorge im Unternehmen gelte derzeit der Frage, wann der Konzertbetrieb überhaupt wieder aufgenommen werden könne, war von einer Sprecherin zu erfahren. Generell sei auch bei Live Nation denkbar, die eine oder andere Veranstaltung mit reduzierter Besucherzahl durchzuführen – was jedoch auch davon abhänge, ob es wirtschaftlich darstellbar sei. Ansonsten sei man froh, wenn überhaupt wieder Konzerte stattfänden, hieß es weiter.
> Das "jazzopen"-Festival, das im Juli zum 26. Mal in Stuttgart hätte stattfinden sollen und bei dem immer wieder auch große Namen anderer Genres wie etwa Sting, David Gilmour, Van Morrison oder Cat Stevens auftreten, ist von der Opus Festival-, Veranstaltungs- und Management GmbH komplett ins kommende Jahr verlegt worden. "Die Absage war schon ein Schlag ins Genick für uns", so Opus-Inhaber Jürgen Schlensog. Aufgrund einer Klausel über "höhere Gewalt", wozu Epidemien gezählt werden, trugen Veranstalter und Künstler jeweils ihre eigenen Kosten: "Weshalb wir zwar keine Gagen auszahlen mussten, aber dennoch einen hohen sechsstelligen Betrag verloren haben, den wir bereits in die Vorbereitungsarbeiten gesteckt hatten", so der Promoter. Immerhin gelang es, mit den Festival-Sponsoren Vereinbarungen zu treffen. Diese beteiligen sich jetzt finanziell.
Über 33.000 Tickets waren zum Zeitpunkt der Absage bereits verkauft worden für die "jazzopen", so Schlensog. Gut 90 Prozent der Ticket-Käufer behielten diese für die Neuauflage des Festivals im nächsten Jahr, bei der die meisten für 2020 gebuchten Künstler wieder dabei sein werden: "Das zeigt schon, welch ein treues Publikum wir haben". Die restlichen Tickets wurden in Gutscheine umgewandelt; vereinzelt wurde auch, gemäß der dafür vorgesehenen Härtefallregelung, Geld zurück erstattet. Generell ist Jürgen Schlensog natürlich froh, wenn das Festival nächstes Jahr wieder in gewohnter Form stattfinden kann. Mit einer eingeschränkten Zahl von Zuschauern könnten die "jazzopen" jedoch nicht in gewohnter Form stattfinden: "Die Gagen für die Künstler basieren bei uns auf einem vollen Haus; anders ist das nicht zu machen".



