"Wir werden sehen, ob wir es geschafft haben"
Sieben Bürgermeister aus der Region zogen dennoch eine positive Zwischenbilanz der Flüchtlingsarbeit in ihren Kommunen

"Alles wurde bei uns Gemeinden abgeladen": Die Verwaltungschefs, darunter Marcus Zeitler, Nils Drescher und Jens Geiß (v. l.) sowie Marco Siesing und Tanja Grether (v. r.) fanden in Plankstadt auch kritische Worte. Foto: Lenhardt
Von Harald Berlinghof
Plankstadt. "Noch 19 Personen dieses Jahr. Das müssen wir schaffen", sagt Tanja Grether, Bürgermeisterin in Neckarbischofsheim, mit Blick auf die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Gemeinde in diesem Jahr. "Wir kommen gut zurecht", stellt Christiane Staab, Bürgermeisterin in Walldorf, fest. "Das hat gut funktioniert", betonen Marcus Zeitler, Bürgermeister von Schönau, und Jens Geiß, sein Kollege aus Oftersheim. "Das hat gut geklappt", sagt auch Marco Siesing, Rathauschef in Eschelbronn. In Plankstadt habe man erfolgreich eine Unterkunft für Flüchtlinge gebaut, erläutert Bürgermeister Nils Drescher. "Im Rückspiegel betrachtet, hat die dezentrale Unterbringung bei uns gut geklappt", bestätigt Georg Kletti, Bürgermeister aus Sandhausen. "Wir schaffen das", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Spätsommer 2015 in Berlin angesichts der Flüchtlingswelle gesagt. Die sieben Verwaltungschefs haben es in ihren Orten wohl geschafft. Zumindest bis jetzt. Im Welde-Lustgarten in Plankstadt zogen sie kürzlich Bilanz - auf Einladung der Jungen Union Rhein-Neckar.
Seinerzeit, vor drei Jahren, hatte noch kaum jemand etwas von Erstaufnahmestellen der Bundesländer für Flüchtlinge gehört. Auch nicht von "vorläufigen Unterbringungsmaßnahmen in Notunterkünften" der Landkreise. Und nur wenige konnten mit dem Begriff "Anschlussunterbringung" in den Kommunen etwas anfangen. Heute, zweieinhalb Jahre später, dürfen die Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis eine positive Bilanz ziehen. Sie haben die Aufgaben bewältigt. Zwar unter enormen Anstrengungen auch finanzieller Art, auch mit großem persönlichem Engagement der Verwaltungsmitarbeiter und ganz besonders mit einer bemerkenswerten Zahl engagierter, ehrenamtlicher Bürger.
In Neckarbischofsheim habe man händeringend nach Wohnungen zur Anmietung gesucht und suche noch immer, so Grether. Die Phase der vorläufigen Unterbringung durch den Landkreis sei fast vorbei. "Die Unterkunft bei uns ist fast leer", sagt sie. Jetzt sei die Verpflichtung der Kommunen zur Anschlussunterbringung der Menschen gefragt. Die Kollegen auf dem Podium nicken zustimmend.
Die Anschlussunterbringung in den Gemeinden stützt sich auf drei Säulen: die Vermietung von Gemeindewohnungen an Flüchtlinge, die Suche nach Privatvermietern, die an Flüchtlinge vermieten wollen, und den Bau oder Erwerb von Unterkünften durch die Gemeinden, in die dann Flüchtlinge einziehen sollen. Aber eben nicht nur Flüchtlinge. "Es darf nie der Eindruck entstehen, dass die eigene Bevölkerung benachteiligt wird", betont Jens Geiß. Und Plankstadts Bürgermeister Drescher erzählt, dass er seinen Bürgermeisterwahlkampf gerade in der heißen Phase der Flüchtlingswelle führen musste: "Da war das Thema schon oben auf der Liste". Eine Gemeinschaftsunterkunft, die in Plankstadt neu gebaut wurde, war allerdings kein Streitthema zwischen den Bewerbern um das Amt. "Mein Vorgänger hat sie geplant und im Gemeinderat beschlossen, in meiner Amtszeit wurde sie dann fertig gebaut", betont er.
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Von Problemen können nur wenige der anwesenden Bürgermeister berichten. Auch die Kriminalität sei nicht signifikant angestiegen. Allerdings habe die Akzeptanz bei den Bürgern nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz sofort abgenommen, so Georg Kletti. Viele haben anfängliche Berührungsängste ihrer Bürger mit den Ankömmlingen fest gestellt. Die Nachbarn von Flüchtlingsunterkünften haben sich beschwert, und das manchmal lautstark.
In Oftersheim wollte sich über das Internet eine Bürgerwehr bilden: "Diese zehn Leute habe ich dann ins Rathaus eingeladen und versucht die Wogen zu glätten", erklärt Geiß. Auch in Walldorf gab es Nachbarschaftsbeschwerden. Aber das habe sich beruhigt, so Staab. Der eine oder andere Fußballverein war froh über einen Syrer oder Afghanen, der kicken konnte. Aber es gab bei uns auch acht Abschiebungen. Wenn kein Anspruch auf Asyl da ist, dann folgt die Abschiebung. Auch das hat bei uns funktioniert", nimmt Zeitler kein Blatt vor den Mund.
Auch wenn es gut geklappt habe, jetzt sei man langsam an der Grenze der Belastungsfähigkeit angekommen, meint Marco Siesing aus Eschelbronn. "Eine weitere Flüchtlingswelle mit derselben Anzahl in derselben kurzen Zeit, das wäre nicht mehr zu machen", stellt er klar. Jens Geiß erinnert sich: "2016 mussten wir 300 Personen in einer Gewerbehalle mit Bauzaunabtrennungen im Innern unterbringen. Das war eine schwierige Situation als die zwei Busse ankamen. Ich habe die Menschen in der Halle willkommen geheißen und sie begrüßt. Auf englisch, weil es nicht anders ging."
Am Ende der Veranstaltung geht von allen Bürgermeistern ein Appell an das Land aus, die Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen. "Alles wurde bei uns Gemeinden abgeladen", kritisiert Staab, die Walldorfer Bürgermeisterin. "Es wurde gesagt, dass wir das schaffen. Aber wie, hat uns niemand gesagt. Wir Kommunen müssen immer die Suppe auslöffeln, die uns andere einbrocken", kritisiert sie. "Ob wir es wirklich geschafft haben, werden wir erst in ein paar Jahren sehen. Dann wird sich zeigen, ob die Integration erfolgreich war", so Kletti.



