Falsche Polizisten

Fälle in der Region dramatisch angestiegen

Ganoven versuchen immer häufiger, Senioren in der Region abzuzocken -  "Die Polizei ruft Sie niemals unter der 110 an"

22.12.2018 UPDATE: 25.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden

Torsten Brenner und sein Team warnen vor ihren "falschen" Kollegen. Foto: Kreutzer

Von Alexander Albrecht

Rhein-Neckar. "Na hören Sie mal", knurrt die Frau empört. "Also bitte, mir passiert so etwas ganz bestimmt nicht", meint sie noch und lässt die Beamten beim Mannheimer Maimarkt stehen. Die Polizisten hatten es nur gut gemeint und wollten bei der Verbrauchermesse in diesem Jahr Senioren vor Anrufen ihrer "falschen" Kollegen oder dem Enkeltrick warnen. "Leider erleben wir auch solche Reaktionen recht häufig", gesteht Torsten Brenner. Er leitet die Kriminalinspektion 3. Acht Beamte kümmern sich in der Heidelberger Dienststelle um "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen", wie es im Behördendeutsch heißt.

Hintergrund

Damit ältere Menschen nicht auf die falschen Kollegen hereinfallen, haben die Beamten eine Reihe von Tipps zusammengestellt:

Versichern Sie sich, wer anruft - fragen Sie kritisch nach und bleiben Sie

[+] Lesen Sie mehr

Damit ältere Menschen nicht auf die falschen Kollegen hereinfallen, haben die Beamten eine Reihe von Tipps zusammengestellt:

Versichern Sie sich, wer anruft - fragen Sie kritisch nach und bleiben Sie misstrauisch.

Denken Sie daran, dass bei Anrufen der Polizei nie die 110 erscheint. So melden sich nur Betrüger.

Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Legen Sie auf, wenn Sie nicht sicher sind, wer anruft. Das ist keinesfalls unhöflich.

Geben Sie niemals Auskunft über Besitz- oder Vermögensverhältnisse.

Vereinbaren Sie auf keinen Fall Treffen. Übergeben Sie kein Bargeld oder Wertsachen.

Überweisen Sie auch kein Geld, insbesondere ins Ausland.

Alarmieren Sie umgehend die Polizei unter der 110 oder wenden Sie sich an das örtliche Polizeirevier.

Rufen Sie niemals die angeblichen Polizeibeamten unter der übermittelten Nummer zurück. Notieren Sie sich aber die angezeigte Nummer.

Öffnen Sie unbekannten Personen niemals die Tür. Ziehen Sie gegebenenfalls eine Vertrauensperson hinzu, zum Beispiel Nachbarn oder nahe Verwandte. (RNZ)

[-] Weniger anzeigen

Dass Brenner und sein Team die Bevölkerung gar nicht oft genug vor den Ganoven warnen und über deren üble Machenschaften aufklären können, zeigen aktuelle Fallzahlen aus dem Bereich des Mannheimer Präsidiums, die der RNZ vorliegen. Besonders dramatisch ist der Anstieg bei den falschen Polizisten. Hier haben die Betrüger bis Ende November allein im Rhein-Neckar 675 Mal ihr Glück versucht. Die Aufklärungsquote lag dort wie in Heidelberg und Mannheim in den vergangenen Jahren meist im unteren einstelligen Prozentbereich, oft bei Null.

"Die Opfer werden in der Regel im Telefonbuch ausgewählt", weiß Brenner. Dabei suchten die Täter bundesweit gezielt nach Vornamen, die eher von älteren Menschen getragen werden, zum Beispiel Heidi, Ludwig oder Ingeborg. Diese würden dann zum Teil mit Anrufen bombardiert und psychologisch raffiniert unter Druck gesetzt. Ein "Klassiker" ist, dass die "Polizisten" behaupten, sie hätten Hinweise auf einen geplanten Einbruch in der Nachbarschaft.

Deshalb seien Bargeld und Wertsachen in der Wohnung der Angerufenen nicht sicher. Diese würden von einem Beamten in Zivil abgeholt und verwahrt. Auch auf die Bankkonten haben es die Halunken abgesehen. Sie geben vor, dass die Mitarbeiter der Banken korrupt seien und mit den Einbrechern unter einer Decke stecken. Auch das natürlich eine dreiste Lüge. Deshalb sollen die Senioren ihr gesamtes Vermögen abheben und der "Polizei" übergeben. Tatsächlich sind es sogenannte Läufer, die meist vom Ausland aus gezielt eingesetzt werden.

Auch interessant
Rhein-Neckar: Falsche Polizisten erbeuten sechsstelligen Betrag
Heidelberg: Falscher Polizist zu fünf Jahren Haft verurteilt
Rhein-Neckar-Region: Mehr als 50 Mal "falsche Polizisten" am Telefon
Prozess gegen falschen Polizisten: Der Angeklagte lachte während der Urteilsbegründung

"Die Täter sind am Telefon derart geschult, dass sie die älteren und überwiegend alleinstehenden Menschen mitunter über Stunden am Telefon halten und davon überzeugen, bloß mit niemandem darüber zu reden. Manchmal werden sie richtig laut und bestimmt", sagt Brenner. Die Opfer würden stark verunsichert und wüssten am Ende nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. "Sie sind irgendwann regelrecht ermattet", berichtet der Kripo-Mann.

Vertrauen verschaffen sich die Täter auch dadurch, dass auf dem Telefondisplay der Senioren nach der örtlichen Vorwahl die Polizei-Notrufnummer 110 erscheint. Dabei handelt es sich jedoch um einen technischen Trick. "Ganz wichtig: Die Polizei ruft Sie niemals unter der 110 an", betont Brenner. "Wir operieren nicht mit dieser Nummer." Die Suche nach den Hintermännern führt häufig in die Türkei. "Dort schießen Callcenter wie die Pilze aus dem Boden und tun den ganzen Tag nichts anderes, als Senioren abzuzocken", berichtet Brenner. Häufig seien die Mitarbeiter in der Bundesrepublik aufgewachsen und sprächen fast akzentfrei Deutsch.

Grafik: RNZ-Repro

Die "richtige" Polizei steckt viel Arbeit in die Prävention, berät ältere Menschen in Seniorengruppen und arbeitet auch eng mit den Kommunen zusammen. Als Erfolg wertet Brenner, dass in der vergangenen Zeit die Betrüger immer häufiger am Telefon abgeblitzt sind. Dagegen ist eine 82-jährige Frau aus der Mannheimer Oststadt erst vor wenigen Tagen um einen sechsstelligen Betrag erleichtert worden. Sie war von einem angeblichen Polizisten angerufen worden, der vorgab, eine osteuropäische Einbrecherbande dingfest gemacht zu haben.

Im Laufe des Telefonats erfuhr der Unbekannte unter anderem, dass die Frau ein Bankschließfach hat. Es folgten weitere Anrufe, bis sich die 82-Jährige auf den Weg zur Bank machte, das Schließfach ausräumte und das Geld zu Hause einer Frau übergab. In einem anderen Fall wäre der Polizei beinahe eine Festnahme geglückt. Ein älterer Mann war nach einem Anruf eines Betrügers tags drauf zur Bank gegangen und wollte 15.000 Euro abheben. Inzwischen sind die Mitarbeiter mehrerer Kreditinstitute über die dreiste Masche informiert worden. Der Angestellte am Bankschalter wurde stutzig und verständigte die Polizei.

Doch die Geldübergabe mit anschließendem Zugriff scheiterte - der "Läufer" erschien nicht. "Die Täter riechen, wenn Polizei in der Nähe oder involviert ist", sagt Brenner. Immerhin gelang es den Beamten, einen Mann dingfest zu machen, dem eine Sinsheimerin eine Tüte mit Schmuck, Goldmünzen, teure Uhren und Bargeld im Gesamtwert von rund 300.000 Euro übergeben hatte. Er ist kürzlich vom Landgericht Heidelberg zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.