"Erdogan-Wähler würden Riehle wählen"

Eklat um Post von CDU-Stadtrat über türkisch-stämmige Mannheimer

"Bewusst auf Spaltung unserer Gesellschaft gesetzt". CDU-Stadtrat sorgt mit Pauschalannahme über Wahlverhalten der türkischstämmigen Mannheimer für Eklat.

05.07.2023 UPDATE: 05.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Foto: Facebook / Screenshot: RNZonline

Mannheim. (oka) Über 28.000 türkischstämmige Bürgerinnen und Bürger mit deutscher oder doppelter Staatsbürgerschaft leben in Mannheim. Sie können am Sonntag, 9. Juli, bei der Oberbürgermeisterwahl ihre Stimme abgeben. Da ist es nur natürlich, dass CDU-Kandidat Christian Specht im Wahlkampf Kontakt mit der türkischstämmigen Gemeinschaft sucht. Das tut auch sein Herausforderer Thorsten Riehle (SPD) und hat der türkischsprachigen Zeitung Vizyon, die monatlich in der Metropolregion Rhein-Neckar erscheint, ein Interview gegeben.

Das gefällt aber offensichtlich nicht jedem, wie ein Post auf Facebook belegt. Besondere Brisanz erhält der Beitrag durch Kommentare von CDU-Stadtrat Thomas Hornung, der aktiv am Wahlkampf von Christian Specht beteiligt ist und im Mai unter dem Titel "Finde den Specht" zu einer naturkundlichen Führung mit dem OB-Kandidaten in den Käfertaler Wald geladen hatte. Er schreibt unter anderem: "Ups. Lässt Thorsten Riehle sich von Leuten wählen, die vor kurzem noch den Diktator der Türkei gewählt haben? Erdogan-Wähler würden Riehle wählen." Hornung spielt damit auf türkischstämmige Mannheimer mit doppelter Staatsbürgerschaft an, die in der Türkei und Deutschland wählen dürfen.

Sein Kommentar, der seit Sonntag im Netz kursiert, hat in der türkischen Gemeinschaft hohe Wellen geschlagen. Wahlkämpfer aller Parteien haben während der Kampagne die Nähe zur türkischen Community Mannheims gesucht – auch um die Menschen überhaupt zur Wahl zu mobilisieren. Um deutlich zu machen, dass sie zur Stadtgesellschaft gehören und sie mit ihrer Stimme ihre Heimatstadt mit gestalten können.

"Diese Menschen fühlten sich aufgrund der rassistischen Äußerungen nun abgestempelt", weiß Hüyla Ayaglar. Sie ist Mitglied im Vorstand des SPD-Ortsvereins Innenstadt/Jungbusch und hat an der Übersetzung des Interviews von Thorsten Riehle gearbeitet. Dies habe er auf Anfrage der Zeitung geführt, heißt es aus seinem Wahlkampf-Team. "Wie bei jedem anderen Interview ging es darum, seine politischen Inhalte darzulegen und um Unterstützung zu werben."

"Der Post des CDU-Stadtrats diente offenbar dem Zweck, Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte pauschal zu diffamieren und damit vor der anstehenden Stichwahl am rechten Rand zu fischen", bezieht Stefan Fulst-Blei, Kreisvorsitzender der SPD, Stellung. "Damit lässt er grundlegenden politischen Anstand vermissen. Schlimm ist für mich insbesondere, dass hier bewusst auf eine Spaltung unserer Gesellschaft gesetzt wird für einen kurzfristigen Stimmenerfolg."

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Es ist nicht das erste Mal, dass es Wirbel um Aktionen von Thomas Hornung gibt. Er ist der ehemalige Sprecher des zurückgetretenen CDU-Bundestagsabgeordneten und Stadtrats Nikolas Löbel, der 2021 über seine Maskenaffäre stolperte. Hornung sorgte im Oktober desselben Jahres beim CDU-Kreisparteitag in Mannheim – bei dem es auch um Löbel ging – für einen Eklat, als er die Live-Schalte der SWR-Reporterin Natalie Akbari störte.

Dass sich Christian Specht bislang nicht öffentlich zu Hornungs Kommentaren geäußert hat, sorge für Enttäuschung in der türkischen Gemeinschaft. "Für sie bedeutet Spechts Schweigen, dass Hornung in seinem Sinn gehandelt hat", berichtet Ayaglar. "Er schürt ein Klima der Angst." Auf Anfrage der RNZ kündigte die CDU für Mittwoch ein Statement dazu an.

Bisher ist es Specht in seinem Wahlkampf gelungen, die Causa Löbel so gut wie auszublenden. Doch viele Menschen, die auf Hornungs Kommentare bei Facebook reagieren, bringen die einstige Lichtgestalt der Mannheimer Christdemokraten wieder ins Spiel. In dem Sinn hat Thomas Hornung Christian Specht wohl einen Bärendienst erwiesen.

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