"Bio" ist die Basis für bessere Weine
Das Standardwerk des deutschen Weines feiert Jubiläum - "International top wettbewerbsfähig"

Gerhard Eichelmann (4. v. l.) hat sie ausgezeichnet (v. l.): Steffen Mugler, Ronald Linder, Konrad Salwey, Johannes und Werner Jülg, Matthias und Christian Runkel, Wolfgang Klopfer, Werner Näkel und Matthias Corvers. Foto: Alex
Von Carsten Blaue
Rhein-Neckar. Das Büchlein ist blau, hat rund 450 Seiten, passt vom Format her noch in jede Innentasche, hat keine Fotos und ziemlich enge, klein gedruckte Texte. 557 Weinerzeuger und ihre Weine werden darin besprochen. Und es ist "dilettantisch gemacht", sagt sein Autor und lächelt. Gerhard Eichelmann hält am Mittwochvormittag im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses die erste Ausgabe seines "Mondo-Weinführers Deutschland 2001" in der Hand. Dieser hat damals für ordentlich Wallung gesorgt. Die Kritik bewegte sich zwischen Verriss und Jubel. Lange ist’s her. Heute ist das Buch gelb, viel größer und schwerer, reich bebildert und ist unter dem Namen des Herausgebers als Standardwerk längst etabliert. Nun liegt die Jubiläumsausgabe vor. Der 20. "Eichelmann" bespricht auf über 1250 Seiten genau 975 Weingüter und verleiht ihnen bis zu fünf Sterne. Das Buch würdigt 11.300 Weine und gibt ihnen Punkte. Und es kürt nicht zuletzt die diesjährigen Besten der Zunft.
Seine Auswahl der Erzeuger mag größer geworden sein. Nie verändert hat sich Eichelmanns Anliegen, nicht nur die Spitzenerzeugnisse zu würdigen, sondern auch die Basisweine. Ausgezeichnet werden Kollektionen, also eine Breite des Angebots. Und auch die Beständigkeit in Qualität und Anspruch der Winzer wird betont. "Noch nie war deutscher Wein so gut wie heute", schrieb Eichelmann in der Erstausgabe. Heute rückt die Spitze immer enger zusammen. Außerdem hat Eichelmann damals den Anspruch formuliert, dass sich deutscher Wein am internationalen Niveau messen lassen müsse. Am gestrigen Mittwoch sagt er: "Deutscher Wein ist international top wettbewerbsfähig."
Hintergrund
Fünf Sterne ("weltklasse"): Weingut Seeger, Leimen.
Vier Sterne ("hervorragend"): Griesel & Compagnie, Bensheim; Weingut Klumpp, Bruchsal.
Drei Sterne ("sehr gut"): Weingut Rudolf Bosch, Kronau; Weingut Schloss Schönberg, Bensheim; Weingut Simon-Bürkle,
Fünf Sterne ("weltklasse"): Weingut Seeger, Leimen.
Vier Sterne ("hervorragend"): Griesel & Compagnie, Bensheim; Weingut Klumpp, Bruchsal.
Drei Sterne ("sehr gut"): Weingut Rudolf Bosch, Kronau; Weingut Schloss Schönberg, Bensheim; Weingut Simon-Bürkle, Zwingenberg; Wein- und Sektgut Bernd Hummel, Malsch; Zwischenstufe zu vier Sternen: Weingut Heitlinger, Östringen-Tiefenbach; Weingut Plag, Kürnbach; Weingut Burg Ravensburg, Sulzfeld.
Zwei Sterne ("gut"): Weingut Bielig, Schriesheim; Weingut Rosenhof, Ladenburg; Weingut Rothweiler, Bensheim-Auerbach; Zwischenstufe zu drei Sternen: Weingut Hans Winter, Heidelberg-Rohrbach.
Ein Stern ("zuverlässig"): Weingut Albert, St. Leon-Rot; Weingut Amthor, Heppenheim; Bergsträsser Winzer, Heppenheim; Weingut Ludwig Honold, Östringen; Weingut Ihle, Rauenberg; Weingut Klenert, Kraichtal; Zwischenstufe zu zwei Sternen: Weingut Bös, Malsch; Weingut Jäck, Schriesheim, Weingut Adrian Zimmer, Östringen-Odenheim. cab
Außerdem lobt Eichelmann die Winzer dafür, dass es ihnen schon jetzt gelungen ist, aus der Ernte des Jahres 2018 schöne, ja herausragende Weine zu machen. Selbstverständlich war das nicht: "Da kann man immer die gleiche Schallplatte auflegen", sagt Eichelmann. Der Jahrgang 2018 sei eben nicht der Sensationsjahrgang gewesen, wie viele gedacht hätten. Ein superheißer Sommer mache nun mal noch keine großen Weine. Abgesehen davon hätten die meisten Winzer inzwischen verstanden, dass es nicht auf möglichst hohe Mostgewichte und reichlich Alkohol ankomme, sondern es gehe darum, wie man ausdrucksstarke Weine mit möglichst wenig Alkohol ausbaue.
Besonders erfreulich findet Eichelmann den ungebrochenen Trend zu bio-dynamischem Weinbau. Zu Zeiten seines ersten Weinführers saß "Bio" eher noch in der Öko-Nische. Immer mehr Winzer würden heute aber erkennen, dass man mit naturnaher Bewirtschaftung die Basis schafft, um bessere Weine zu erzeugen, schreibt Eichelmann schon im Vorwort zum Jubiläumsband, in dem 22 Prozent aller aufgeführten Betriebe entweder biologisch zertifiziert oder auf dem Weg der Umstellung dorthin sind. Einer von ihnen wurde gestern als "Entdeckung des Jahres" ausgezeichnet, auf die Eichelmanns Redaktionsmitglied Thomas Veigel in Endingen am Kaiserstuhl stieß: Ronald Linder übernahm Anfang der 2010er den "Winzerhof" der Eltern und "stellte um".
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Als "Aufsteiger des Jahres" empfahl Pfalz-Tester Jens Wagner das Weingut Jülg aus Schweigen-Rechtenbach, weil diesem die bislang stärkste Kollektion geglückt sei. Für die beste Weißweinkollektion des Jahres bekam das Weingut Bischel aus Appenheim in Rheinhessen die begehrte Urkunde. Das Weingut Klopfer aus Großheppach in Württemberg wiederum überzeugte mit der besten Rotweinkollektion, darunter der in der Schlussverkostung mit 93 von 100 Punkten am höchsten bewertete Lemberger.
Die Auszeichnung für die beste süße und edelsüße Kollektion ging dieses Mal in den Rheingau, an das Weingut Dr. Corvers-Kauter in Oestrich-Winkel. Schließlich stellte die Sektkellerei Andres und Mugler aus Ruppertsberg in der Pfalz die beste Sektkollektion. Zwar gingen die Nordbadener bei der Urkundenübergabe leer aus. Doch auch in der hiesigen Region gibt es Erzeuger, die der neue "Eichelmann" ehrlich lobt (siehe rechts).
In die "Mondo-Klassiker-Bibliothek" der großen deutschen Weine wurde die Lage Kirchberg in Oberrotweil am Kaiserstuhl mit dem Spätburgunder Großes Gewächs von Konrad Salwey aufgenommen. Gerhard Eichelmann ehrte schließlich für sein Lebenswerk Werner Näkel aus Dernau an der Ahr. Der Inhaber des Weinguts Meyer-Näkel war maßgeblicher Protagonist der "deutschen Rotwein-Revolution" Ende der 1980er. Als einer der ersten baute er Rotweine im Barrique aus und setzte auf trockene Weine. Damit ebnete er den Weg für den Erfolg einer ganzen Region, ja des deutschen Weines an sich.



