Neckarlauf in der Rheinebene wandelt sich seit Urzeiten
Wie der "wilde Gesell" sich seine Wege suchte: Der Zwang zum Ausweichen war teils selbst mit verschuldet.

Von Stephan Kraus-Vierling
Edingen-Neckarhausen. Wer wachen Auges durch die Gemarkung der Doppelgemeinde Edingen-Neckarhausen geht, kann, wie andernorts auch, manch auffällige Senke im Gelände sehen – ein Hinweis auf einstige Neckararme. Denn der "wilde Gesell", wie sich der keltische Name "Nicer" frei übersetzen lässt, änderte auf seinen letzten Flusskilometern in der Rheinebene seit Urzeiten immer wieder seinen Lauf. Erst durch den Bau von Dämmen, Uferbefestigungen, Stauwehren, durch Ausbaggerung und das Anlegen der zwei Seitenkanäle wurde er gebändigt.
Zuvor "mäanderte" der Neckar, sprich er schlängelte sich über die Zehntausende Jahre in den verschiedensten Kurven, brach bei starkem Hochwasser aus seinem Bett, teilte sich auf, suchte sich immer neue Wege. Wie diffus sein Lauf in unserer Region war, lässt sich schon an Orts-, Flur- und sogar Straßennamen erkennen. So erinnert in Heddesheim die Wasserbettstraße daran, dass der Neckar zu vorgeschichtlicher Zeit in unzähligen Windungen nahe der Bergstraße nach Norden floss und erst bei Trebur den Rhein erreichte.
Später nutzte einmal die Weschnitz das frühere Neckarbett, bevor sie bei Lorsch den Durchbruch zum Rhein schaffte. Der Neckar schwenkte nach dem Austritt aus dem Odenwald teils sogar nach Süden – siehe Heidelberg-Kirchheim, wo noch bis ins 18. Jahrhundert ein schmaler Neckararm-Rest mitten im Ort lag. Die Obere- und die Untere Seegasse erinnern daran.
Der Zwang zum Ausweichen war teils selbst mit verschuldet. Hatte der Neckar doch während der Eiszeit als weit mächtigerer Strom Riesenmengen an Erosionsmaterial in die Rheinebene getragen, die sich als hoher "Schwemmkegel" ablagerten. Der lag ihm dann, als Höhenniveau und Kraft des Flusses weit geringer wurden, samt der Flugsand-Dünen bei Mannheim buchstäblich im Wege.
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Erst vor rund 11.000 Jahren brach der Neckar bei Ilvesheim nach Westen zum Rhein durch, vor dem er ein Delta ausbildete. Die Römer hatten an jener "neuen" Mündungsstelle gegenüber von Altrip (lateinisch: "alta ripa", also hohes Ufer) einen gesicherten Rheinübergang. Die fränkische Gründung Neckarau, ein schönes Ortnamenszeugnis, lag auf einer Insel, um die dann der Neckar, wie es Hansjörg Probst in seiner Seckenheim-Chronik beschrieb, allmählich Richtung Norden "herum wanderte", um "endlich 1275 in einem großen Hochwasser nördlich von Mannheim durchzubrechen, so dass Mannheim mit einem Mal links des Neckars lag und Neckarau weit ab von ihm".
Eine schöne ehemalige Neckarschleife bildet die Feudenheimer Au, von der Buga-Seilbahn aus gut zu überblicken. Die schnurgerade Flussstrecke an Mannheim entlang, die momentan "renaturiert" wird, wurde im 18. Jahrhundert unter Kurfürst Carl Theodor angelegt. Aber auch zwischen Ladenburg und Ilvesheim floss der Neckar vor vergleichsweise kurzer Zeit noch anders, nämlich bis in die Karolingerzeit in viel weiteren "S"-Bögen.
Von den Neckarhäuser Wingertsäckern bis zur Mannheimer Straße markieren die Ackerstreifen entlang dem später geschaffenen Aserdamm das einstige Flussbett – siehe auch den dortigen Gewannnamen "Das Ufer" sowie drüben bei Ladenburg den Industriegebiets-Namen "Altwässer". Die jetzt weit engere "S"-Kurve grub sich der Neckar vermutlich wiederum seit einem verheerenden Hochwasser. Das Ilvesheimer Wörthfeld fiel auf die linke Flussseite, gehört aber mit der jüngeren Siedlung Neckarplatten bis heute zur "Inselgemeinde".
Auch zwischen Edingen und Neckarhausen lag vorgeschichtlich mal ein Flussarm. Die schroffe Acker-Geländestufe nahe dem "Quetscheloch" und die Senke beim Kirchhofpfad lassen den Verlauf erahnen. Und in Edingen verweisen der Gewann-Name "Im Kies" und viele auffallend tief liegende Höfe und Gärten der sogenannten "Siedlung" darauf, dass auch da mal der Neckar floss.

Damit zusammen hing sicher der einstige Nebenlauf, der sich deutlich auf dem Luftbild sowie eindrucksvoll mit einer tiefen Feld-Senke rechts der Friedrichfelder Straße zeigt. Mit dem Fahrrad auf dem Stangenweg "taucht" man mitten hindurch.
Bei der Eisgangkatastrophe 1784, die halb Neckarhausen fortriss, brach der Neckar noch einmal nach Heddesheim durch sowie hinter Seckenheim nochmals bis Neckarau. Heute versucht man, den Flüssen, so auch dem "Schwabenstrom", Teile der alten Freiheit wohldosiert und ökologisch nutzbringend zurückzugeben.