Die Zukunft der Live-Kommunikation
Das Analoge wird nicht ganz verschwinden: Die Branche der Veranstaltungstechnik traf sich bei Epicto in Edingen-Neckarhausen.

Von Carsten Blaue
Edingen-Neckarhausen. Die Veranstaltung war hybrid. Und damit zeigte Epicto schon selbst, wohin die Reise geht. Das Dienstleistungsunternehmen für Veranstaltungstechnik aus Edingen-Neckarhausen hatte eingeladen, um mit Experten in die "Zukunft der Live-Kommunikation" zu schauen. Am Ende stand die Erkenntnis, dass mit der Corona-Pandemie das "Digitale gekommen ist, um zu bleiben", wie es Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer der "fwd: Bundesvereinigung für Veranstaltungswirtschaft", ausdrückte. Kommunikation wird schneller und virtueller. Aber die persönliche Begegnung, das Netzwerken, wird dennoch unerlässlich bleiben.
So folgten zahlreiche Gäste der Veranstaltung im Studio von Epicto, während sich andere im Vorfeld einen Zugang zum Stream im Internet gesichert hatten. Sie wurden gleich zu Beginn von Moderatorin Tina Babbel gefragt, wie sie auf die Zukunft der Live-Kommunikation schauen.
Messen sind online schwierig
Nach der Auswertung der Chateinträge stand in der Mitte der Wortwolke ein Wort ganz dick: hybrid. "Hybrid ist eine schöne Sache, aber sehr teuer", sagte Kalbfleisch. Schließlich müssten Unternehmen in diesem Fall gleich zwei Veranstaltungen konzipieren und bezahlen – eben die analoge und die digitale. "Und die Budgets sind nicht größer geworden."
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Die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie haben vor gut zwei Jahren auch die Marketing- und Vertriebsabteilungen kalt erwischt. Messen, Pressekonferenzen, Werksführungen, Jahreshauptversammlungen: In Präsenz ging nichts mehr. Oder nur noch wenig. Auch für die Branche der Veranstaltungstechnik brachte das dramatische Veränderungen mit sich, wie eingangs Epicto-Gründer Michael Schenk vor Augen führte. Denn ihre Kunden, also Unternehmen vom Mittelständler bis zum Global Player, mussten sich in Bezug auf ihre Kommunikationsformate zum Teil ganz neu erfinden. "Doch unsere Kunden wissen jetzt nicht genau, wohin es geht", berichtete Kalbfleisch von den Ergebnissen einer Studie des Research Institute for Exhibition and Live-Communication (Rifel). "Die meisten fühlen sich nicht richtig aufgestellt." Aber zwei Drittel der befragten Unternehmen würden das jetzt ändern. Laut der Studie werden alte Präsenzformate komplett hinterfragt. "Die klassische Pressekonferenz", so Kalbfleisch, "ist tot." Auch diese verlagere sich immer mehr ins Digitale. Für Jahreshauptversammlungen sei gerade eine Rechtsreform im Gange, um mehr Onlineformate zu ermöglichen. Ganz schwierig hingegen ist es mit digitalen Messen. "Da kann ich mich eben nicht in den Traktor reinsetzen", so Kalbfleisch. Also kommt der nächste Maimarkt genau richtig.
Und was bedeutet das alles für die Veranstaltungstechniker und -dienstleister? "Wir müssen die Veränderungen mitgehen, flexibel sein und noch mehr fragen, was die Kunden brauchen", sagte Kalbfleisch. Man verstehe sich schließlich als die "Branche der Möglichmacher". Diese werde selbst in Netzwerken arbeiten müssen: "Denn ich habe Zweifel, dass einer alles alleine kann." Außerdem gab Epicto-Geschäftsführer Max Röhrich zu bedenken, dass sich die Kosten für die Dienstleister extrem erhöht hätten – "auch ohne Kriegseffekte". Teurer seien Transport, Logistik oder allein schon das Holz für die Messebauer. Zudem fehle es vielen Firmen inzwischen an Personal. Gleichwohl sei die Auslastung in den nächsten Monaten sehr hoch, so Röhrich.
Unterstützung hat sich auch John Deere ins Haus geholt. Tilmann Köller, Kommunikationsmanager beim Landmaschinenbauer, berichtete von der "steilen Lernkurve" in der Eventabteilung des Unternehmens nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Es musste schnell gehen. John Deere musste auch seine Werkstouren ins Digitale verlagern. Heute kann man sich als Gast und Kunde zurücklehnen und in einer Stunde vor dem Computer erleben, wie ein Traktor gebaut wird.
Werkstour am Computer
Vorteile: Man verpasst nichts, kommt dicht dran, und John Deere kann schnell mal die Uni Missouri über das Werksgelände führen. Nachteil: Man erlebt die Fabrik nicht hautnah. Scheint egal zu sein. Das Feedback sei sehr gut, hieß es. Laut Köller sei die Hochglanzqualität der Produktion wichtig. John Deere hat extra ein Studio eingerichtet. Und weil auch die für das Unternehmen wichtige Messe "Agritechnica" in Hannover ausfiel, schuf man quasi ein professionell produziertes, 30-minütiges TV-Format für die Produkte. Große Nummern für große Budgets.
Ein Blick hinter die Kulissen von Epicto zeigte, dass die Technik der Fantasie hier inzwischen eigentlich keine Grenzen mehr setzt. Umso wichtiger, dass die Unternehmen vorher klar definieren, was sie wollen und was sie dafür brauchen. Und dass sie nicht vergessen, den Erfolg ihrer Events zu messen, wie Professor Carsten Schröer von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg betonte.



