Die Erfahrungen des Technik-Dienstleister Epicto
Zwischen Konzerten und Online-Events sieht das Unternehmen "neue Chancen in unsicheren Zeiten".

Von Carsten Blaue
Edingen-Neckarhausen. Michael Schenk hat in den Hof seiner Firma Epicto in Edingen-Neckarhausen ein Test-Center stellen lassen. Das "Plus" in Sachen Corona-Prävention ist gut, denn im Studio auf dem Gelände seines Dienstleistungsunternehmens für Veranstaltungs- und Medientechnik ist eigentlich immer was los. Gerade ist ein Software-Riese für seine Produktionen im Haus, und das mehrere Wochen lang. Da kann es nicht genug Schutz geben. In der Pandemie haben viele Unternehmen und Institutionen aufwändige Online- und Hybridformate neu entdeckt. Epicto sorgt dafür, dass die Streaming-Events mit modernster Technik einwandfrei über die Bühne gehen. Das hat sich herumgesprochen.
"Wir haben neue Kunden hinzugewonnen", sagt Schenk. Rosig findet er die Lage trotzdem nicht. Vor allem nicht, wenn er an Veranstalter oder an die Stars aus der Musikbranche denkt. Manche begleitet Schenk mit seinem Know-how seit Jahrzehnten auf Tourneen, und noch nie war die Unsicherheit so groß. "Weil alles so ungewiss ist, sind alle enttäuscht." Dabei seien doch die meisten vor der vierten Corona-Welle noch recht positiv gestimmt gewesen. "Künstler, Veranstalter, Technikfirmen: Wir haben uns gefreut. Alle haben die Planungen für 2022 aufgenommen. Wenige haben sich sogar an das Spätjahr 2021 herangetraut. Roland Kaiser hat gerade so den Slot zwischen dritter und vierter Welle für seine Tournee erwischt und war sehr erfolgreich." Andere, wie Peter Maffay und Udo Lindenberg, wollen nächstes Jahr wieder durchstarten.
Auch Maffay hatte seine ausverkaufte Tour im März vergangenen Jahres unterbrechen müssen. "150.000 Tickets sind quasi noch nicht ’abgearbeitet’", so Schenk. "Wir hatten bei Maffay eine Mittelbühne in Gitarrenform. Mittelbühnen gehen aber jetzt aufgrund der Situation gar nicht mehr. Also müssen wir technisch etwas verändern. Wir haben außerdem Personal gebucht und Material disponiert für diese Tournee. Aber ich bin skeptisch." Die "Planlosigkeit der Politik" sei der größte Störfaktor für die Branche, sagt Schenk: "Gäbe es bundesweit ein klares Ja für Tourneen, so könnte man planen. Auch mit einem bundesweit einheitlichen Ja unter Einschränkungen könnten wir planen. Und auch ein klares Nein wäre eine Aussage. Aber so sind die Verordnungen von Bundesland zu Bundesland verschieden. Was hier geht, geht anderswo nicht. Das ist für die Veranstalter und Produktionsleiter vor Ort so schwer! Sie beneide ich nicht."
Die ganze Unsicherheit übertrage sich auch aufs Publikum: "Klar, die großen Namen verkaufen ihre Tickets. Udo Lindenberg fängt zum Beispiel bei Null wieder an, nachdem die Karten für seine Konzerte zurückgenommen wurden." Aber ansonsten seien die Fans im Vorverkauf sehr zurückhaltend geworden. Dabei ist Schenk davon überzeugt, dass 2022 in Bezug auf Konzerte ein "Boom-Jahr" werden kann.
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Das ganze Hin und Her ist auch an Epicto nicht spurlos vorbeigegangen. Das geben Michael Schenk und auch seine Tochter Maja zu, die im Mai gemeinsam mit Timo Kärcher und Max Röhrich in die Geschäftsführung des Unternehmens berufen wurde. Michael Schenk ist inzwischen 62 Jahre alt und will sich im nächsten Jahr aus dem operativen Geschäft zurückziehen, um sich danach repräsentativen Aufgaben und der Betreuung von "Schlüsselkunden" zu widmen. Jetzt sagt er: "Die staatlichen Überbrückungshilfen mussten uns zwar nicht ’retten’. Aber wir hätten sicher unsere Substanz in Anspruch nehmen müssen." Dass es dazu nicht kommen musste, hatte aber auch mit der Nachfrage nach neuen Online-Formaten zu tun.

Viele Firmen hätten nach dem Ausbruch der Pandemie alle längerfristig geplanten Veranstaltungen auf Eis gelegt oder, wenn möglich, ins Internet verlegt (was Musiker mit ihren Touren nicht so einfach können). Allerdings seien solche Formate für einige Unternehmen Neuland gewesen. "Das war ungewohnt, und da floppte technisch auch noch viel", sagt Schenk. Also klopften sie bei Epicto an: "Sicher war das gut für uns, denn wir hatten eine gewisse Expertise vorzuweisen und unser eigenes Studio", so Schenk. Bild, Ton, Licht: Die Kunden wussten, dass es funktionieren wird.
"Lamy aus Heidelberg war zum Beispiel die erste Firma, die ins virtuelle Studio gegangen ist mit ihrer ’World Conference’". Samt 3D-Projektionen von Schreibgeräten. Oder die Software-Firma SAS. Sie nutzte das Epicto-Studio für ihr fünfstündiges "Forum digital". Auf die 18 Meter lange LED-Wand hinter der Bühne wurde dafür eine New Yorker Loft-Kulisse gezaubert. Backstein-Optik inclusive. Über 1500 Teilnehmer waren online dabei. Für Michael Schenk steht fest, dass sich solche Formate etablieren werden. "Da ist jetzt viel Bewegung drin. Der Vorlauf wird auch für uns immer kürzer." Tausende Personen bei einem Kongress oder Firmen-Events in Hallen werde man jedenfalls nicht mehr so häufig erleben wie vor der Pandemie. "Die Unternehmen sparen damit ja auch Geld für Unterkünfte und Reisen um die ganze Welt. Zudem spielt hier der Nachhaltigkeitsgedanke eine Rolle."
Die virtuelle Veranstaltungswelt hat aber selbst für Schenk ihre Grenzen. Das wichtige Netzwerken in der Kaffee- oder Mittagspause könne sie zum Beispiel nicht ersetzen, sagt er. Auch gestreamte Konzerte findet er eher schwer, und Online-Messen sind für ihn kaum vorstellbar. "Ich will mich ja in den Traktor von John Deere hineinsetzen und alles anfassen können." Und schließlich bleibt die Geselligkeit auf der Strecke: "Deshalb bin ich persönlich auch kein großer Fan von virtuellen Weihnachtsfeiern."



