"Lügner"-Grafitti gegen die Nachbarn
Weil Stadt und Anrainer sein Bauprojekt ablehnen, griff der Hausbesitzer zu drastischen Mitteln

Rainer Wiegand hatte mit seinem Haus Großes vor: Ein modernes, energiesparendes und barrierefreies Haus sollte dort entstehen. Die Stadt will seine Bebauungspläne in dieser Form allerdings nicht umsetzen. Foto: Lenhardt
Von Harald Berlinghof
Schwetzingen. Im Prinzip kann jeder auf seine Hauswand pinseln, was er will. Könnte man im ersten Moment denken. Doch die Freiheit des Einzelnen endet da, wo die Freiheit - oder Würde - des Anderen beginnt. Im Falle eines Graffitis an der eigenen Hauswand könnte zum Beispiel dort die Grenze erreicht sein, wo Beleidigungen ausgesprochen werden.
Letzteres könnte zutreffen auf ein Graffiti in Schwetzingen. Da malt einer in großen roten Buchstaben das Wort "Lügner" an seine Hauswand. Und wen Rainer Wiegand, Besitzer des Anwesens, damit meint, macht er mit einem Pfeil deutlich. Die Lügner, das sind seine Nachbarn.
Zunächst dachten alle, die an dem Haus an der Ecke Werderstraße/Mann-heimer Straße vorbei kamen, an böse Grafitti-Schmierer. Und dass der Hausbesitzer Wiegand das Opfer einer leider fast alltäglich gewordenen Straftat geworden ist. Aber der Pfeil, der um die Ecke weist, machte stutzig.
Und tatsächlich hat der Hausbesitzer und Geschäftsführer von "Wiegand Hausbau" inzwischen zugegeben, dass er selbst das Wort an die Hauswand gesprüht hat. Weil er sich von zwei Nachbarn belogen fühlt und außerdem überzeugt ist, dass er von der Stadt Schwetzingen, insbesondere dem Bauamt, ungerecht behandelt wird.
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Er wollte der Schwetzinger Stadtentwicklung ein "Stadtpalais" hinzufügen - nach der unweit gelegenen "Stadtresidenz". Ein modernes, funktionales und energiesparendes Gebäude im Passivhausstandard sollte an besagter Straßenecke entstehen. Er wollte und will weiterhin barrierefreies Wohnen in der Schwetzinger Innenstadt schaffen.
Die Kehrseite ist, dass das Gebäude mit vier Stockwerken und einem Dachgeschoss wie ein mächtiger Klotz in der kleinteiligen Bebauung der Werderstraße wirken würde. Von einer Einfügung in die Umgebungsbebauung nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs keine Spur.
Und dass die unmittelbaren Nachbarn, Bettina I. und Wolfgang G., gegen eine solch massive Bebauung in der Nachbarschaft Einspruch eingelegt haben sollen, erscheint nachvollziehbar.
"Aus der gesamten Nachbarschaft haben wir negative Rückmeldungen bekommen", so Oberbürgermeister René Pöltl dazu. Die Bebauung in der Werderstraße sei ein durch die Gestaltungssatzung der Stadt besonders geschütztes Ensemble aus dem 18. Jahrhundert.
Das wiegt in seinen Augen schwer. Als Stadt habe man die Verantwortung für die städtebauliche Entwicklung und könne einen Bauantrag zurückstellen, um städtebauliche Missstände zu verhindern.
Wiegand wiederum glaubt, dass in der Stadt mit zweierlei Maß gemessen wird. Den Umbau des Welde-Stammhauses in der Fußgängerzone habe man genehmigt. Auch seine "Stadtresidenz" ein Stück die Mannheimer Straße hinauf durfte er bauen. Sein jetzt geplantes "Stadtpalais" dagegen nicht, obwohl es der Residenz weitgehend gleiche.
"Schon das fand ich damals nicht so prickelnd", so Pöltl zum Gebäude der Residenz. Aber in einer Fußgängerzone müsse man andere Prämissen setzen als im reinen Wohngebiet. Im Rahmen der Planungshoheit der Kommunen versuche man städtebauliche Entwicklung zu steuern.
Die Zurückweisung des Bauantrags durch das Baurechtsamt war dann erfolgt, erklärt Stadtbaumeister Mathias Welle, weil der Antrag eben in Teilen doch nicht der Gestaltungssatzung entspricht. "Wir haben Herrn Wiegand angeboten, das Projekt gemeinsam zu entwickeln. Das ist uns in Schwetzingen schon mit vielen Investoren zu beiderseitigem Nutzen gelungen", so Welle. Wiegand sei darauf nicht eingegangen.
"Ich kann ihm da jetzt nicht mehr helfen, wenn von ihm nichts kommt. Das, was er da bauen will, kommt auf jeden Fall so nicht", hat sich Pöltl festgelegt.
Die Stadt will dem Projekt jetzt endgültig einen Riegel vorschieben, indem man einen Bebauungsplan für das Areal entwickelt und in der Juli-Sitzung des Gemeinderats eine Veränderungssperre beschließt. Dann sind die Grenzen für einen Neubau noch enger gezogen. "In einer gemeinsamen beiderseitigen Entwicklung des Projekts wäre auf jeden Fall mehr Spielraum gewesen", glaubt Welle.



