NTM-Sanierung

Kulturschaffende sollen für Nationaltheater ihre Räumlichkeiten in Käfertal verlassen

Künstler fühlen sich in ihrer Existenz bedroht - Demonstranten wollen Missstände aufzeigen

13.08.2020 UPDATE: 14.08.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 27 Sekunden
Auf ihren Transparenten sprachen die Demonstranten den Geschäftsführenden Intendanten des Nationaltheaters Mannheim, Marc Stefan Sickel, direkt an. Foto: Gerold

Von Wolf H. Goldschmitt

Mannheim. Wenn die Musik von Richard Wagner und Ludwig van Beethoven gleichzeitig aus einem Lautsprecher dröhnt, dann muss das zwangsläufig schräg klingen. "Soll es auch, denn wir sprechen hier von heftigen Dissonanzen", erläutert Markus Reindl. Der Mannheimer Musiker hat die schrillen Soundkollagen eigens für eine ungewöhnliche Demonstration zusammengestellt, die auf Misstöne in der Kulturpolitik der Stadt aufmerksam machen möchte.

Doch um was geht es am Donnerstagnachmittag vor dem Nationaltheater? Räumlichkeiten im Stadtteil Käfertal, die seit vielen Jahren von Künstlern der alternativen Szene belegt sind, sollen bis Ende Oktober geräumt werden. Auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern, verteilt auf zwei Etagen, befinden sich die Arbeitsplätze von sieben etablierten Künstlern, Tonstudios, mehreren Bands sowie eine gemeinnützige Bildungseinrichtung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Jetzt ist das komplett sanierungsbedürftige Gebäude in den Fokus von Marc Stefan Sickel, des geschäftsführenden Intendanten des Nationaltheaters Mannheim, geraten.

Das Haus, das ab 2022 vier Jahre lang umgebaut wird und händeringend Ausweichquartiere für seine Sparten sucht, möchte sich im Atelierhaus breit machen. Die betroffenen Maler, Musiker und Schauspieler, die im Alten Trafohaus an der Boveristraße kreativ tätig sind, akzeptieren den Rauswurf aber keineswegs. Für sie bedeutet die Kündigung eine existenzielle Bedrohung, erklärt Ateliersprecher und Mitorganisator des Protests, Manfred Binzer.

Nicht zuletzt, weil die aktuelle Krise die Kunstwelt bereits jetzt schon an den Rand der Gesellschaft gedrängt habe. Das Rocktheater Mannheim ist bereits das erste Opfer, der Verein ist nach 25 Jahren nach Ludwigshafen abgewandert. Vor etwa drei Dutzend Demonstranten mit selbst gebastelten Plakaten wie "Packt den Sickel am Wickel" oder "Kunst braucht Platz" ärgert sich Binzer über das Desinteresse des Kulturamtes an einer zeitnahen Lösung.

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"Auch mit dem Nationaltheater selbst haben keine Gespräche stattgefunden", so der Redner. Rückenwind bei ihrer Forderung nach bezahlbaren Ateliers und Proberäumen bekommen die Künstler von einem aus ihren Reihen. Der Grüne Stadtrat und Sänger Markus Sprengler verspricht neue Räume oder zumindest eine Übergangslösung. "Bei der Kommunikation hat das Nationaltheater Fehler gemacht und bisher sehr unglücklich agiert", glaubt der Musiker. "Wir sehen uns wieder" wirbt das Vierspartenhaus an seiner Frontseite auf meterhohen Bannern. Wer die entschlossenen Künstler gesehen hat, darf davon ausgehen, dass in Sachen Atelierhaus der letzte Vorhang noch nicht gefallen ist.

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