Mannheim

"Aus Volkshelden sind Volksfeinde geworden"

Die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" ist bis zum 29. April in der Zentralbibliothek zu sehen.

03.04.2022 UPDATE: 04.04.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 46 Sekunden
Banner informieren über das Schicksal jüdischer Fußballer nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Foto: Gerold

Mannheim. (ven) Auf das Schicksal jüdischer Fußballer macht derzeit die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball" in der Zentralbibliothek aufmerksam. Doch es geht nicht nur um den Rückblick auf die Zeit des Nationalsozialismus. Die in vier Teilbereiche aufgeteilten Banner werfen einen Blick auf die Entwicklung des Fußballs in Deutschland, beleuchten Einzelschicksale, aber auch die hässliche Fratze, die der Rassismus heute wieder in deutschen Fußballstadien offenbart.

Walther Bensemann gehörte zu den Mitbegründern des Deutschen Fußballbunds, war Verleger und Herausgeber der Fußballzeitschrift "Kicker" und Mitbegründer mehrerer Fußballvereine im Südwesten, unter anderem der Vorläufervereine von Eintracht Frankfurt und Bayern München. Genutzt hat ihm das alles nichts. 1933 trat er "aus gesundheitlichen Gründen" von allen Ämtern zurück und starb 1934 in der Schweiz.

Auch Kurt Landau, von 1919 bis 1933 Präsident des FC Bayern München, der 1932 erstmals Deutscher Meister wurde, erging es nicht besser. Und der Karlsruher Julius Hirsch, gefürchteter Stürmer der deutschen Nationalmannschaft, fiel mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ebenfalls in Ungnade. "Aus Volkshelden sind Volksfeinde geworden", formulierte es Klaus Schultz. Der Diakon und langjährige Mitarbeiter der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau erläuterte in seinen Ausführungen Werdegang und Ausblick. "Die Ausstellung gibt einen kleinen Hinweis auf den strukturellen Antisemitismus in unserer Gesellschaft." Und auf die sportlichen Erfolge. "Die Leistungen jüdischer Mitbürger in Wissenschaft, Kultur und Literatur sind bekannt. Aber Juden waren in allen Lebensbereichen vertreten", erinnerte Esther Graf von der jüdischen Gemeinde Mannheim. Mit der Ausstellung entreiße man einige dieser sportlichen Helden dem Vergessen.

Konzipiert wurde die Ausstellung vom Centrum Judaicum in Berlin im vergangenen Jahr, in dem 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zelebriert wurden. In Mannheim wird die Schau in Kooperation mit dem SV Waldhof Mannheim präsentiert. "Fußball hat als Sportart eine enorme Reichweite. Es ist wichtig, dass wir uns als Verein klar gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit positionieren", erklärte Waldhof-Pressesprecher Yannick Barwig. Und das überaus erfolgreich. So ist das Waldhöfer Fanprojekt "Doppelpass" seit 2011 Träger des Julius-Hirsch-Preises, der seit 2005 vom DFB für Projekte gegen Gewalt und Ausgrenzung verliehen wird.

Der Standort sei keineswegs zufällig gewählt: "Die Ausstellung ist Teil der Erinnerungskultur, wie sie in einer Bibliothek zu Hause ist", erklärte Leiter Yilmaz Holtz-Ersahin. Nach einer Umfrage unter den Sportlern der Maccabi-Vereine in Deutschland haben 39 Prozent der Befragten angegeben, dass sie bereits Opfer von antisemitischen Vorfällen geworden sind – unter den Fußballern waren es sogar 69 Prozent.

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Beschimpfungen und sogar tätliche Angriffe gehören zum Alltag. "Das dürfen wir als Bibliothek in einer demokratischen Gesellschaft nicht zulassen", betonte Yilmaz Holtz-Ersahin.

Info: Die Ausstellung ist bis zum 29. April in den Räumen der Zentralbibliothek im Stadthaus N 1 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 19 Uhr, Samstag 10 bis 15 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos, es gelten die aktuellen Hygienevorschriften.

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