Familien-Oper im Nationaltheater
Gioacchino Rossinis "La Cenerentola" als Familien-Oper im Mannheimer Nationaltheater - Regie führt Cordula Däuper

Der Schuh passt, denkt der Prinz (Joshua Whitener) und also wird Aschenputtel (Sophie Rennert) seine Frau. Szene aus der Rossini-Oper in Mannheim. Foto: Hans Jörg Michel
Von Matthias Roth
Ob nun das Dramma giocoso "La Cenerentola" von Gioacchino Rossini tatsächlich eine Oper für junges Publikum darstellt, weil wir das Märchen der Brüder Grimm ("Aschenputtel") aus den Kinderzimmern kennen, muss man bezweifeln. Zumal, wenn das Werk in Originalsprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt wird, wie sich das für eine große italienische Oper auch gehört.
In Mannheim gelingt der Regisseurin Cordula Däuper zwar eine in weiten Teilen lustige Inszenierung (ab 8 Jahren) , die in ihrer Barbiepuppen-Ästhetik sicher auch Kinder (vor allem Mädchen) ansprechen dürfte, doch bei der Premiere dieser Produktion aus Bern im Nationaltheater Mannheim waren es dennoch meist die Erwachsenen, die fröhlich lachten. Das Konzept, ein Theater "für die ganze Familie" zu machen, hat halt immer einen Haken, denn was den einen erheitert, langweilt den anderen, und wer hier nicht schnell mitlesen kann oder Worte wie "Konfusion" nicht kennt, versinkt schnell in seinem Theatersessel. Da können 90 Minuten bis zur Pause (Akt 1 und 2) schon lang werden.
Die Regisseurin, von der man in Mannheim bereits mehrere Produktionen (u.a. die Rossini-Oper "Tancredi") sehen konnte, zeichnet die Figuren mit einem Hang zum Grotesken. Im 3. Akt wird ein Zuckerbäckerschloss ins Zimmer gefahren, in dem die bösen Schwestern und ihr Vater fürderhin ihr Leben als Putzkolonne fristen müssen: Gegen den gesungenen Text, der Aschenputtel als gütige Prinzessin outet, die ihrer Familie eigentlich verzeiht. Hier freut sich die Siegerin aber am süßen Glück der Rache. Auch das dürfte Kindern schwer verständlich sein, dass man auf der Bühne anders singt, als handelt. Der Untertitel der Oper, "La bontà in trionfo" (Der Triumph des Guten), wird denn auch nicht einmal im Programmheft zitiert.
Die Charaktere aber sind gut besetzt: Joachim Goltz ist ein famoser Stiefvater, der von einem Goldtaler scheißenden Esel träumt (dieses langohrige Tier tritt im 3. Akt noch einmal auf und lässt dann genau das fallen, was man erwartet). Seine Töchter Clorinda (Cornelia Zink) und Tisbe (Ludovica Bello) sind ein herrlich zickendes, verwöhntes und auch ein bisschen blödes Geschwisterpaar in prächtigen Kostümen (Sophie du Vintage). Sie alle hausen in einer runtergekommenen Bruchbude, die nur mit ein paar Brettern angedeutet ist (Bühne: Ralph Zeger) und fristen ein recht erbärmliches Leben in der absurden Hoffnung auf einen rettenden Prinzen.
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Joshua Whitener singt diesen jungen Träumer mit charaktervollem Tenor und im Duett auch mit lyrischem Sentiment, aber nicht immer intonationssicher. Wenn er mit seiner Barbie-Kutsche allerdings gen Himmel fliegt, gibt es Szenenapplaus. Sein Kammerdiener, mit dem er die Kleider tauscht, ist ein gewitzter Kerl, der manch humorigen Kommentar abgibt und ausgezeichnet Besengitarre spielt: Nikola Diskic glänzt mit guter Stimme und schauspielerischem Talent.
Sophie Rennert schließlich ist eine fabelhafte Cenerentola. Die vielen Facetten ihrer Rolle weiß sie mit nuanciertem Mezzosopran hervorragend auszuleuchten.
Die eigentliche Überraschung dieser Einstudierung aber bietet das Nationaltheater-Orchester unter der Leitung von Gastdirigent Attilio Cremonesi (der die Rezitative selbst am Hammerflügel begleitet). Mit zügigen Tempi und einem transparenten, spritzigen Klang ist das ein Rossini-Sound, der kaum Wünsche offen lässt. Auch wenn die Sänger bisweilen an die Grenze des Machbaren geführt werden und der Zusammenklang von Bühne und Graben immer wieder wackelt: Der Mut zum Risiko ist Teil einer höchst vitalen musikalischen Rossini-Dramaturgie.
Info: Mannheimer Nationaltheater, weitere Aufführungen am 4. und 12. November. Karten: 0621-1680-150.