Gioachino Rossinis tragische Oper "Tancredi" in Mannheim

Das Werk aus dem Jahre 1813 wird in der Fassung mit tragischem Schluss gezeigt, die einen Monat nach der Uraufführung von Venedig in Ferrara Premiere hatte

07.12.2015 UPDATE: 08.12.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden

Liebe macht unsicher: Maria Markina als Tancredi (links) und Tamara Banjesevic als Amenaide in der Mannheimer Rossini-Produktion am Nationaltheater. Foto: Hans Jörg Michel

Von Matthias Roth

Es ist ein großer Abend der italienischen Oper: Gioachino Rossinis Melodramma eroico "Tancredi" im Mannheimer Nationaltheater. Das Werk des 21-Jährigen aus dem Jahre 1813 wird hier in der Fassung mit tragischem Schluss gezeigt, die einen Monat nach der Uraufführung von Venedig in Ferrara Premiere hatte. Die "Italienerin in Algier" kam im gleichen Jahr heraus, und beide Opern begründeten den frühen Ruhm des Komponisten. Seine musikalische Handschrift ist auch in "Tancredi" deutlich erkennbar, selbst wenn der "ernste" Rossini heute nur selten gespielt wird: Mannheim zeigt, dass dies ein Versäumnis ist.

Die Inszenierung von Cordula Däuper siedelt das Geschehen in der Entstehungszeit der Oper an (Kostüme Sophie du Vinage), als die Napoleonischen Kriege an die sarazenischen Eroberungen des Mittelalters erinnern ließen und der Stoff recht aktuell schien. Doch die Regisseurin lässt in weiten Teilen die Musik sprechen. Häufiges Rampensingen und typischen Operngesten signalisieren Zurückhaltung. Auch der Männerchor (Einstudierung Francesco Damiani) ist meist Staffage. Doch das ist nicht unbedingt ein Schaden.

Schauplatz ist das belagerte Syrakus. Im Zentrum der Bühne (Ralph Zeger) befindet sich eine quadratische Plattform, die mit Erde gefüllt ist und in die zu Beginn ein Bäumchen gepflanzt wird. Später regnet es auf diese Aktionsfläche, die durch eine hölzerne Brücke mit einer eisernen Tür in einer stählernen Wand verbunden ist. Däuper führt plastisch vor Augen, was die Figuren bewegt, und wenn die Soldaten die hölzerne Brücke zerlegen, ist klar, dass der Frieden wackelt.

Das Gefühlsleben der Figuren zeichnet die Regisseurin behutsam, am bewegendsten zu Beginn des Zweiten Akts und in der Schlussszene: Rossini zeigt hier ein erstaunliches Format als Komponist einer emotionalisierten Musik, lässt die traditionelle Opera seria hinter sich und greift weit in die Zukunft voraus. Es sind die eindrucksvollsten Momente. Die Regie beweist sich hier als besonders stark und bildhaft, auch wenn sie sonst nur arrangiert.

Das eigentliche Ereignis aber ist der Dirigent Rubén Dubrovsky. Der Mitbegründer des Bach-Consorts Wien ist sehr erfahren in der historisch orientierten Ausführung alter Musik mit modernen Orchestern. Beim "Winter in Schwetzingen" leitete er 2011 und 2012 zwei Barockproduktionen mit dem Philharmonischen Orchester Heidelberg. Hier nun hat er das Nationaltheaterorchester vor sich, das in relativ kleiner Besetzung, aber mit nicht weniger Hingabe spielt. Trocken und spritzig war der Klang der Streicher, die sauber artikulieren. Die Holzbläser und Hörner fügten sich in ihrer Spielweise wunderbar in dieses Gesamtkonzept ein.

Tancredi, ein in jungen Jahren aus Syrakus verbannter Ritter, liebt Amenaide, die Tochter des Bürgermeisters. Er kehrt in die Stadt zurück und stiftet Verwirrung. Das Libretto geht auf ein Drama von Voltaire zurück, wurde aber für die Oper stark verändert, ja sentimentalisiert. Eigentlich müsste diese Oper auch "Amenaide" heißen, denn sie ist die Hauptfigur: Seit ein Brief in falsche Hände geriet, gilt sie als Landesverräterin, und Tancredis Vertrauen in ihre Liebe ist auch dahin. Das fein ziselierte Seelendrama spielt sich in ihr ab, während die übrigen Protagonisten relativ grob gezeichnet sind.

Die Sopranistin Tamara Banjesevic glänzt stimmlich in allen Facetten dieses stark emotionalen Charakters, der romantische Züge trägt. Maria Markina überzeugt als Tancredi mit sonorer Tiefe und geschmeidigen Höhen: Ihre Duette sind pures Belcanto-Gold. Denkbar wäre heute freilich auch, dass die traditionelle Hosenrolle (schon in der Uraufführung sang sie eine Frau) einem Countertenor anvertraut werden könnte.

Mit dünner Höhe und ohne tenoralen Schmelz gab Filippo Adami den Stadtherrn Argirio. Sung Ha als Orbazzano, Katharina von Bülows Isaura und Ji Yoon als Roggiero komplettierten das Ensemble mit glänzenden Einzelleistungen.

Fi Info: Weitere Aufführungen am 8., 11., 16. und 30. Dezember. Kartentelefon: 0621-168050.

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