Der "Professor aus Heidelberg" wird 75
Der Rechtswissenschaftler Paul Kirchhof wird am MIttwoch 75 Jahre alt - Er ist der berühmte "Professor aus Heidelberg"

Paul Kirchhof 2013 als Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Foto: Friederike Hentschel
Von Heribert Vogt
Heidelberg. Der gegenwärtig repräsentativste Professor an der Universität Heidelberg ist der Rechtswissenschaftler Paul Kirchhof, der am Mittwoch 75 Jahre alt wird. Er verbindet Weltläufigkeit mit Bodenhaftung, Intellektualität mit Alltagstauglichkeit und Wissenschaft mit Politik. Einst von Bundeskanzler Gerhard Schröder als "der Professor aus Heidelberg" verspottet, steht der Jurist nun wie kein Zweiter für das geistige Heidelberg wie für die umfassend aufgestellte Volluniversität, die älteste Hochschule in Deutschland. Man hätte sich Kirchhof seit Langem auch gut als Rektor der Ruperto Carola vorstellen können. Schon vor knapp 32 Jahren hielt er bei dem herausragenden Festakt zur 600-Jahr-Feier der Universität im Oktober 1986 - nach der Ansprache von Bundespräsident Richard von Weizsäcker - die Festrede zum Thema "Wissenschaft in verfasster Freiheit".
Das Große und Ganze im Blick
Kirchhof hatte andere bedeutende Funktionen inne. So war er von 1987 bis 1999 Richter des Bundesverfassungsgerichts. Bereits diese Tätigkeit bezeugte die Breite seines Denkens, denn er war insbesondere zuständig für das Europa- und Völkerrecht sowie das Finanz- und Steuerrecht. Er wirkte seinerzeit an zahlreichen für die Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland bedeutsamen Entscheidungen mit. So war Kirchhof etwa an den Karlsruher Beschlüssen zum Euro, zur Vereinbarkeit des Grundgesetzes mit dem EU-Vertrag von Maastricht, zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, zum Existenzminimum für Kinder sowie zum Schutz der Familien beteiligt.
Das vollends Große und Ganze in Deutschland hatte Kirchhof im Blick, als er bei der Bundestagswahl 2005 als Parteiloser zum Kompetenzteam der CDU/ CSU um Kanzlerkandidatin Angela Merkel gehörte und dort als Finanzminister vorgesehen war. Wegen der dann gebildeten Großen Koalition trat er jedoch nicht in die Regierung ein. Dennoch mischte sich Kirchhof weiterhin mit Vorschlägen für eine Reform und Vereinfachung des Steuerrechts sowie für einen Abbau der öffentlichen Schulden ein und bestimmte die öffentliche Diskussion darüber entscheidend mit.
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Selbst mit dem Ruhestand war für Kirchhof noch lange nicht Schluss. So wurde er 2013 zum Seniorprofessor distinctus - also auf Lebenszeit - an der Universität Heidelberg ernannt und gehört damit zu den bislang sechs Wissenschaftlern, denen diese Ehre zuteil wurde.
Im selben Jahr wurde Kirchhof bis 2015 Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die zugleich die Landesakademie Baden-Württembergs ist. Dieses späte Amt forderte noch einmal die allseits interessierte und gebildete Persönlichkeit, denn die Heidelberger Akademie deckt mit ihrer Philosophisch-historischen und Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse das gesamte Forschungsspektrum im wissenschaftlich starken Südwesten ab. Während dieser Zeit konnte man Kirchhof über die verschiedensten Sachthemen reden hören.
Und bis in die letzten Wochen erwies sich der Vortragsredner immer wieder als Publikumsmagnet, zuletzt mit dem ambivalenten Thema "Von welcher Kultur lassen wir uns leiten?" in der Neuen Universität. Dort betonte Kirchhof angesichts der frisch gescheiterten Jamaika-Verhandlungen in Berlin, dass in unserer Kultur der Polis die Abgeordneten gewählt sind, um eine kraftvolle Politik umzusetzen: Denn die Politiker seien jenseits der Parteiinteressen stets Vertreter des ganzen deutschen Volkes mit seiner gewachsenen Kultur.
Die akademische Karriere Paul Kirch-hofs fand weitgehend an der so renommierten wie traditionsreichen Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg statt, die in der jüngeren Zeit zwei Rektoren der Hochschule stellte.
Bereits die Habilitation erfolgte 1974 in Heidelberg. Nach einer Station in Münster war Kirchhof dann von 1981 bis 2013 Professor für öffentliches Recht an der Ruperto Carola und leitete das Institut für Finanz- und Steuerrecht sowie die hier angesiedelte Forschungsstelle Bundessteuergesetzbuch.
Von der überregionalen Strahlkraft des "Professors aus Heidelberg" zeugen dessen vielfältige Aktivitäten, die zahlreichen Buchpublikationen und Ehrungen, die auch in einem Wikipedia-Eintrag zu seiner Person aufgelistet sind. Stellvertretend für die häufigen Auszeichnungen sei hier das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland genannt.
Lokales wie internationales Denken und Agieren gehen bei Paul Kirchhof Hand in Hand, ebenso das Eintreten für die wissenschaftliche Freiheit und für den Erhalt gesellschaftlicher Werte. In all diesen Spannungsfeldern erweist sich der Vater zweier Töchter und zweier Söhne als ein universaler Geist, der nach wie vor kräftig mitmischt.