Paul Kirchhof in Haag

"Europa ist ein Erfolgsmodell"

Heidelberger Steuerrechtler referierte im Kleinen Odenwald über aktuelle Themen - Kritik an überbordender Bürokratie

09.11.2017 UPDATE: 10.11.2017 06:00 Uhr 2 Minuten

Paul Kirchhof nahm zu Brexit, Flucht und Währungsstabilität Stellung.

Von Marcus Deschner

Haag. Über "Die Europäische Union - die Krise als Chance" referierte auf Einladung des CDU-Gemeindeverbands Schönbrunn Professor Paul Kirchhof am Mittwoch vor rund 70 Zuhörern in der Raingartenhalle. In dem knapp einstündigen Vortrag stellte der Verfassungs- und Steuerrechtler aus Heidelberg seine Überlegungen zu Brexit, Flucht und Zuflucht sowie zur Währungsstabilität dar. "Europa ist ein Erfolgsmodell", pries er eingangs. Denn man habe nicht nur mehr als 70 Jahre Frieden. Deutschland sei einer der reichsten Staaten der Welt "mit einer Wirtschaftskraft, die man vor 30 Jahren noch nicht für möglich gehalten hat". "Wenn wir die EU nicht hätten, müsste man sie erfinden", gab er sich überzeugt. Freilich sorge die teils überbordende Bürokratie auch für gewaltige Probleme. So würden teilweise in 60 Minuten 80 Gesetze "produziert". Als Beispiel, das für Kopfschütteln sorgte, nannte der 74-Jährige die vergangene Woche erstellte "vierte Richtlinie, wie der Sattel auf einem Traktor beschaffen sein soll".

Den Brexit bezeichnete Kirchhof als "gewaltigen Irrtum". Beispielsweise die Bekämpfung des Terrors europaweit gehe nur gemeinsam. Ebenso Vorhaben beim Klimaschutz oder bei der Digitalisierung, die letztlich auch dem Erhalt von Arbeitsplätzen diene. "Einfluss hat man nur, wenn man Mitglied in der EU ist", betonte der Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Das gelte selbstredend auch für die "Flüchtlingsfrage", wo sich die Briten mitnichten abschotten könnten.

Das Thema "Flucht und Zuflucht" und die damit einhergehenden Dauerprobleme machten die Bedeutung von Grenzen deutlich. "Menschen, die von grenzenlosen Staaten träumen, haben die Bedeutung des Staates nicht begriffen", bezog Paul Kirchhof klar Stellung. Denn nur in einem abgegrenzten Staatswesen könne klar sein, wer das Staatsvolk ist und welche Gesetze gelten. Mit einem Frieden in Syrien seien alle Fluchtprobleme längst nicht gelöst. Denn weitere Wanderungsprozesse drohten auch in Zukunft. Er ging näher auf die Regelung des Asylrechts im Grundgesetz ein und machte deutlich, dass durch das Dublin-Abkommen nur derjenige Anspruch auf Asyl in Deutschland habe, der eben nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist sei.

Das sei aber bei den meisten Asylbewerbern, die auf dem Landweg einreisten, nicht der Fall. "Die Nachbarstaaten schieben einfach weiter", erklärte er die gängige Praxis: "Das ist grob rechtswidrig". Um diese Einreisen zu verhindern, könne man freilich nicht einfach eine Mauer bauen. Und Abschiebungen seien auch nicht so leicht, da viele Asylbewerber ihre Papiere vernichteten oder die Herkunftsländer die Leute nicht zurücknehmen wollten. Um die Menschen zu bewegen, erst gar nicht ihre Heimat zu verlassen, schlug Kirchhof als langfristige Hilfskonzeption vor: Fachleute aus Deutschland dorthin zu schicken und mit dem entsprechenden Geld auszustatten, das diese dort investieren könnten. Dafür brauche man zwar viel Geld, "doch diese Regionen erleben dann ein Wirtschaftswunder wie Deutschland in den fünfziger Jahren".

Als drittes Thema beleuchtete Paul Kirchhof die Währungsstabilität und kritisierte, dass durch die massiven Anleihenkäufe der EZB "das Elementarprinzip von Leistung und Gegenleistung" überhaupt nicht mehr stimme. "Wir brauchen in der künftigen Bundesregierung einen Finanzminister, der ein harter Knochen ist", meinte er mit Blick auf die Umverteilungspläne des französischen Staatspräsidenten Macron. "Denn die Kasse, die der im Blick hat, ist ganz in seiner Nähe". Eine kleine Fragerunde der Zuhörer schloss sich an.

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