Masterplan Neuenheimer Feld

Campus kompakt und Seilbahn? Das sind die Entwürfe

Masterplanprozess Neuenheimer Feld geht in die heiße Phase: Forum stimmte über seine Favoriten ab - Streit um Neckarquerung und Hühnerstein

23.12.2019 UPDATE: 24.12.2019 06:01 Uhr 5 Minuten, 49 Sekunden

Der Neckarbogen mit dem Neuenheimer Feld. Foto: Eisnecker

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Ein kompakter, nachverdichteter Campus mit Seilbahn: So könnte die Zukunft des Neuenheimer Feldes aussehen, wenn es nach den Mitgliedern des Forums geht. In diesem Gremium sitzen mehr als 80 Personen – Vertreter der Nutzer und Anrainer des Gebietes, aber auch zufällig ausgewählte Vertreter der Bürgerschaft. In der Woche vor Weihnachten bewerteten sie im Dezernat 16 die bisher vorgestellten vier Entwürfe der Planungsteams um Kerstin Höger, Ferdinand Heide und die Büros Astoc und C.F. Møller. Damit ist die Bürgerbeteiligung in der dritten Stufe des Masterplanprozesses abgeschlossen. Der Gemeinderat wird nun im Mai entscheiden, mit welchen Teams und welchen Entwürfen weiter gearbeitet werden soll.

Der Masterplan soll für das blau umrandete Gebiet gelten. Darin enthalten ist auch der Hühnerstein zwischen den Sportflächen und dem restlichen Handschuhsheimer Feld. Diese Fläche würden die Gärtner gerne für die Landwirtschaft erhalten. Repro: RNZ

> Bei ihren Verkehrsmodellen sehen sich die Planungsteams noch nicht am Ende. Bisher konnten sie nur die Ströme von Nah- und Autoverkehr sowie Fußgängern und Radlern innerhalb des Neuenheimer Feldes untersuchen. "Wenn wir den Nahverkehr stärken wollen, müssen wir eine Straßenbahn oder eine Seilbahn einplanen", ist Ferdinand Heide überzeugt. Zugleich müsse man aber auch an die überregionalen Schnittstellen denken. So schlägt Heide, dessen Seilbahn vom S-Bahnhof Pfaffengrund/Wieblingen über den SRH-Campus ins Neuenheimer Feld führen würde, vor, den S-Bahn-Takt zu verdoppeln. Dann müsste auch das mögliche Parkhaus in Wieblingen kleiner ausfallen.

Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ist auch für Kerstin Höger ein zentrales Thema ihres Verkehrskonzepts. Sie will nach und nach möglichst alle Stellplätze im Neuenheimer Feld abbauen und die frei gewordenen Parkplätze und Parkhäuser überbauen. Sie kritisiert aber auch die Stadt. Das neueste Verkehrsprognosemodell des Büros IVAS, mit dem die unterschiedlichen Entwürfe vergleichbar gemacht werden sollen, habe sie gar nicht bekommen. Daher sei ihre Berechnungsgrundlage veraltet, der Anteil des Autoverkehrs müsste in ihren Augen bis 2035 viel niedriger ausfallen. Verkehrsmanager Alexander Thewalt hingegen wies diese Vorwürfe zurück. "Das ist eine unerhörte Unterstellung." Die Stadt als einer der Projektträger mische sich nicht ein. Sebastian Hermann vom Büro Astoc verwies darauf, dass die vier Planungsteams bei ihren Lösungsansätzen gegen den Verkehrsinfarkt gar nicht so weit auseinander lägen. "Wir alle denken an Parkraumbewirtschaftung, eine Reduzierung der Stellplätze, Stärkung des Nahverkehrs. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist nicht so groß."

Hintergrund

Am Ende steht das Baurecht

Im Neuenheimer Feld sind aktuell mehr als 100 wissenschaftliche Institute, Zentren und Kliniken ansässig. Bei der Forschung dominieren die Natur- und Lebenswissenschaften. Darüber hinaus gibt es aber dort rund 100

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Am Ende steht das Baurecht

Im Neuenheimer Feld sind aktuell mehr als 100 wissenschaftliche Institute, Zentren und Kliniken ansässig. Bei der Forschung dominieren die Natur- und Lebenswissenschaften. Darüber hinaus gibt es aber dort rund 100 Unternehmen, darunter auch der Springer-Verlag oder Octapharma. Im angrenzenden Handschuhsheimer Feld gibt es 19 Gartenbaubetriebe im Haupterwerb. Dort werden etwa 200 Hektar Fläche bewirtschaftet.

3400 Einwohner wohnen im Neuenheimer Feld. Dort arbeiten mehr als 15.000 Beschäftigte und 18.000 Studenten. Dementsprechend viel Verkehr gibt es. An der Berliner Straße fahren täglich rund 200.000 Menschen mit ihrem Rad Richtung Campus, auf der Berliner Straße sind 29.000 Autos unterwegs. 6141 Menschen (Stand: 2018) nutzen das Jobticket.

Um die vielfältigen Verkehrsprobleme zu lösen und Universität, Kliniken und wissenschaftlichen Einrichtungen langfristige Entwicklungsperspektiven zu bieten, haben Stadt, Land und Uni gemeinsam den Masterplanprozess aufgesetzt. Aktuell arbeiten vier Planungsteams an den Entwürfen, wie sie sich die Zukunft des Neuenheimer Feldes vorstellen. In der nächsten Stufe wird der Gemeinderat im Mai diejenigen Entwürfe auswählen, die weiter konkretisiert werden sollen. Am Ende steht dann der Masterplan, der in Baurecht überführt werden kann. (hob)

Info: Alle Dokumentationen unter www.masterplan-neuenheimer-feld.de 

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> Die Fünfte Neckarquerung ist nach wie vor umstritten. Moderatorin Ursula Stein wollte von Raino Winkler, Abteilungsleiter beim Umweltamt, wissen, ob eine Brücke über das FFH-Schutzgebiet Altneckar in Wieblingen überhaupt gebaut werden darf. "Bevor das gemacht wird, ist eine umfassende Prüfung notwendig", so Winkler: "Es ist aber nicht auszuschließen, dass eine Brücke gebaut werden darf."

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"Wir alle hatten die Aufgabe, die Neckarquerung zu prüfen. Fast alle haben sie optional in ihren Entwürfen, wir auch", sagte Sebastian Hermann von Astoc. Er glaubt, wenn sie schmal und verträglich gestaltet werde und zum Beispiel nur von Fußgängern, Radfahrern und dem Rettungsdienst genutzt werde, könne sie eine erhebliche Entlastung bringen. Ferdinand Heide verwies hingegen darauf, dass eine Brücke auch Risiken birgt. Wenn viel Geld in ein Bauwerk investiert werde, stehe auch zu befürchten, dass viel mehr Verkehr darüber geführt werde als gewünscht. Daher bevorzugt er die Seilbahn. "Wir brauchen diese Westanbindung des Neuenheimer Feldes, sonst ist es eine Sackgasse". Julian Weyer von C.F. Møller betonte hingegen: "Die Brückenoption wird immer da sein."

> Der Freiraum, den die Stadtplaner vorsehen, ist für das Forum ein wichtiges Thema. Streit gibt es hierbei vor allem um das Gewann Hühnerstein, für das die Universität schon heute Baurecht hat und auf das die Ruperto Carola auch in Zukunft nicht verzichten möchte. Heide, Astoc und C.F. Møller müssen diese bisher landwirtschaftlich genutzte Fläche zumindest teilweise am Rand überbauen. Anders schaffen sie es nicht, die von den wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen geforderten 800.000 Quadratmeter an zusätzlicher Bruttogeschossfläche auf dem begrenzten Gebiet unterzubekommen. "Wir sind uns aber einig darin, den Hühnerstein erst zu bebauen, wenn alles andere ausgeschöpft ist", versuchte Heide zu besänftigen. Die Randlage des Neuenheimer Feldes mit vielen Freiflächen in der Nachbarschaft sei auch aus klimatologischer Sicht wichtig für den Campus.

"Der Hühnerstein ist eine wichtige Freifläche", betonte Birgit Müller-Reiss vom Bündnis Bürgerbeteiligung. Sie sprach sich ebenso wie Arnulf Weiler-Lorentz, Stadtrat der "Bunten Linken," für den Entwurf von Kerstin Höger aus. Anders sah das Frauke Melchior von der Universität Heidelberg und wehrte sich gegen die sehr kompakte Bebauung im Höger-Entwurf im Inneren des Neuenheimer Feldes. "Die Aufenthaltsqualität von 30.000 bis 40.000 Menschen ist für mich wichtiger."

> Wieso schafft man nicht einfach Platz, indem man verschiedene Nutzungen aus dem Neuenheimer Feld verbannt? "Daran haben wir auch gedacht. Wir haben uns zum Beispiel gefragt, ob man das Max-Planck-Institut für internationales Recht unbedingt dort braucht", gibt Heide zu. Die Fläche, die man auf diese Art gewinnen könnte, sei mit 40.000 Quadratmetern aber prozentual verschwindend gering. Kerstin Höger bringt oberirdisch nur 712.000 Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche unter, den Rest plant sie in Kellergeschossen. Dies wird von den anderen drei Büros kritisiert. Ferdinand Heide brachte es so auf den Punkt: "Es ist eigentlich ganz einfach, wie gerechnet werden muss. Drei haben sich daran gehalten, eine nicht."

> Die Bewertung der Entwürfe lief wie folgt ab: Am Ende mussten die Forumsmitglieder entscheiden, wie viel Widerstand sie den einzelnen Entwürfen entgegenbringen – die Skala reichte von 1 (völlige Akzeptanz) bis 10 (komplette Ablehnung). Bei den Themen Städtebau und Freiraum hatte bei dieser Abstimmung Kerstin Höger (Widerstand von 3,7 und 3,9) die Nase vorn, vor Astoc (4,9 und 4,6), Heide und Møller. Bei der Mobilität konnte Heide (3,3), gefolgt von Höger (4,1), Astoc und Møller am meisten überzeugen. Und bei der Technischen Infrastruktur lagen alle vier Teams eng beieinander. Insgesamt wurden 60 Bewertungsbogen abgegeben. Der Gemeinderat muss nun entscheiden, wie er damit umgeht.


Astoc und die Campusflotte

> Neue Bruttogeschossfläche: 840.105 Quadratmeter, davon 345.000 für die Universität, 229.000 für die Kliniken.

> Auf dem Hühnerstein soll zwischen Sportflächen und Neuenheimer Feld ein Innovationscampus entstehen. Dazwischen kann man sich ein Experimentierfeld für regionale Lebensmittel als Übergangsfläche vorstellen.

> Verkehr: Hier sollen Fußgänger, Radler, Pedelecs und E-Scooter Vorrang haben, mit Tiefgaragen und Parkhäusern am Rand des Neuenheimer Feldes. Die Campusflotte wird ergänzt durch autonome Minibusse. Eine schlanke Neckarquerung für Fußgänger und Radler ist ebenso vorgesehen.


Heide und der Traum von der Seilbahn

> Neue Bruttogeschossfläche: 814.215 Quadratmeter, davon 392.000 für die Uni.

> Auf dem Hühnerstein sieht Heide ein Klinik- und ein Universitätscluster vor. Das Gewann soll nur zum Teil bebaut werden. Darüber hinaus setzt der Stadtplaner auch auf Nachverdichtung.

> Beim Verkehr setzt Ferdinand Heide als einziger auf die Seilbahn. Sie könnte vom S-Bahnhof Pfaffengrund/Wieblingen über den SRH-Campus und die Kinderklinik in die Mitte des Neuenheimer Feldes und von dort zur Haltestelle Technologiepark führen. Im Süden kann sich Heide eine Straßenbahn vom Tiergartenbad über den Botanischen Garten zur Haltestelle Jahnstraße vorstellen.


Höger will nachverdichten

> Neue Bruttogeschossfläche: 716.061 Quadratmeter. Diese will Kerstin Höger vor allem dadurch erreichen, dass sie Parkplätze konsequent überbaut und den Campus nachverdichtet. Die höchsten Bauten könnten 20 Geschosse haben.

> Den Hühnerstein muss sie daher nach ihren Berechnungen nicht bebauen.

> Verkehr: Kerstin Höger setzt als einzige auf einen Straßenbahnring im Neuenheimer Feld, ähnlich wie ihn die Stadt bereits geplant hatte. Park-and-Ride-Anlagen sollen so nah wie möglich am Wohnort der Beschäftigten entstehen. Optional kann sich die Stadtplanerin auch eine Neckarbrücke für den Nahverkehr oder Fuß- und Radverkehr vorstellen.


Flexibler Entwurf von C.F. Møller

> Neue Bruttogeschossfläche: 799.957 Quadratmeter, davon 370.000 für die universitären Einrichtungen. Auch C.F. Møller könnte sich einzelne Hochhäuser mit bis zu 16 Geschossen vorstellen.

> Auch der Hühnerstein wird bebaut. Konkrete Vorgaben gibt es hierfür nicht, da C.F. Møller vor allem auf Flexibilität setzt.

> Verkehr: Über neue Radrouten soll der Radverkehr bis 2050 um 185 Prozent zunehmen. Statt auf die Straßenbahn setzt C.F. Møller auf neue Buslinien. Das Zentrum des Neuenheimer Feldes soll autofrei werden, stattdessen gibt es Parkhäuser am Rand. Eine Fünfte Neckarquerung ist ebenfalls als Option vorgesehen.


Die Experten

> Externe und lokale Experten sollen die Entwürfe der vier Planungsteams bewerten. Dazu gibt es aber bis dato kein einheitliches Bild.

> Rudolf Scheuvens, Städtebau-Experte der Technischen Universität Wien, empfiehlt, mit dem Konzept von Astoc weiter zu planen. Er begründet dies mit der klaren Struktur des Entwurfs und dessen Flexibilität. Landschaftsarchitekt Till Rehwaldt hält den Entwurf von Astoc für am überzeugendsten.

> Gerd Axel Ahrens, Verkehrsexperte aus Dresden, hält die Mobilitätskonzepte von Ferdinand Heide und Kerstin Höger für am überzeugendsten, würde jedoch als städtebauliche Basis mit Astoc weiterplanen.

> Hartmut Topp, Mobilitätsexperte aus Kaiserslautern, empfiehlt, mit dem Entwurf von Ferdinand Heide mit der Seilbahn als Basis weiter zu arbeiten.

> Brian Cody, Klimaexperte aus Graz, präferiert die Planungen von C.F. Møller.

> Michael Braum, Internationale Bauausstellung, präferiert die Entwürfe von Astoc und Heide. Er verweist jedoch auch darauf, dass sich alle vier Planungsteams angenähert haben.

> Dieter Teufel vom Umwelt- und Prognose-Institut Heidelberg ist für Kerstin Höger. Sie setzt auf bewährte Verkehrssysteme und schont natürliche Freiräume. hob

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