Das große Feilschen
Die Fraktionen im Gemeinderat sparen zusammen mindestens 50 000 Euro ein. Über die Verteilung stritten die Stadträte jedoch heftig.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Eigentlich sind sich alle einig: Wenn wegen der Coronakrise Ämter und Zuschussempfänger den Gürtel enger schnallen müssen, sollten auch die Fraktionen im Gemeinderat einen Beitrag leisten. Deshalb hatte die Mehrheit der Räte für den Doppelhaushalt 2021 / 22 beschlossen, dass die Gruppierungen in beiden Jahren gemeinsam auf je 50.000 Euro verzichten. Ein eher symbolischer Betrag, aber immerhin 7,4 Prozent der 717.500 Euro, die ihnen pro Jahr zustehen, um etwa Räume, Mitarbeiter und Büromaterial zu bezahlen. Die Grünen als größte Fraktion (16 Räte) bekommen regulär 185.000 Euro, Einzelstadträte 20.000 Euro.
Als der Gemeinderat am Mittwoch jedoch festlegen sollte, welche Fraktion auf welchen Anteil ihrer Mittel verzichtet, ging das große Feilschen los. Denn schon im Finanzausschuss Ende Oktober hatten sich einige Räte unzufrieden mit dem Vorschlag der Verwaltung gezeigt, dass jede Gruppe pauschal auf 7,4 Prozent verzichtet. Im Rathaus hatte man deshalb nachgebessert und nun vorgeschlagen, dass die drei großen Fraktionen – Grüne, SPD und CDU – je zehn Prozent weniger bekommen, die kleineren dagegen nur fünf Prozent. Doch auch auf diese Variante konnten sich die Räte nicht einigen.
Den Aufschlag für eine lange und heftige Debatte machte Larissa Winter-Horn ("Die Heidelberger"). Sie betonte – wie schon im Ausschuss –, dass sie die 50.000 Euro für ein "Armutszeugnis" halte. Ihre Fraktion zahle einen fünfstelligen Betrag zurück. Gäben die anderen einen ähnlich hohen Anteil zurück, könnte man gemeinsam deutlich mehr zur Haushaltskonsolidierung beitragen.
Das wiederum wollten die anderen Stadträte nicht auf sich sitzen lassen, sodass fast jede Fraktion sich zu Wort meldete, um öffentlich kundzutun, wie viel sie einsparen kann – oder wie viel nicht. Einzelstadtrat Björn Leuzinger ("die Partei) etwa betonte, dass bei ihm fast das gesamte Geld für Fixkosten draufgehe. Selbst 7,4 Prozent Einsparung könne er nicht garantieren. Grüne und CDU wiederum sagten zwar für 2021 über zehn Prozent zu – wollten diese aber nicht für 2022 versprechen. "Wir haben unsere Personalplanung jetzt mit 7,4 Prozent gemacht – wie es angekündigt war", betonte Christoph Rothfuß (Grüne). SPD-Fraktionschefin Anke Schuster stellte sich dagegen hinter den Verwaltungsvorschlag: "Was wir anderen abverlangen, müssen wir auch selbst bringen." Ihre Fraktion werde auf jeden Fall zehn Prozent zurückgeben – auch um die kleineren Gruppierungen zu entlasten.
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Doch ein Teil der kleinen Fraktionen will gar nicht entlastet werden: "Die FDP können Sie mit zehn Prozent einplanen", erklärte Stadtrat Karl Breer, sein Fraktionskollege Michael Eckert forderte OB Eckart Würzner auf, das auch festzuhalten – und eröffnete so das Wettbieten. Hilde Stolz erhöhte und versprach für die "Bunte Linke" 15 Prozent in beiden Jahren. Dabei müssen Fraktionen ihre Ausgaben ohnehin nachweisen – und überschüssige Mittel fließen schon jetzt zurück an die Stadtkasse. "Jetzt sind wir auf dem türkischen Basar", stellte CDU-Fraktionschef Jan Gradel genervt fest. Das Gefeilsche endete auch nicht, als Würzner dazwischen grätschte ("Sie können uns auch das ganze Geld zurückzahlen, wir freuen uns!") und Judith Marggraf (Grün-Alternative Liste) vor einem "Unter- und Überbietungswettbewerb" warnte.
Erst eine zehnminütige Sitzungsunterbrechung brachte einen Kompromiss hervor: Die großen Fraktionen verzichten auf je 8,5 Prozent ihrer Mittel, die kleinen auf sechs Prozent. Während eine große Mehrheit sich dahinter stellte, war es nun die SPD, die dagegenstimmte. "Wir fanden das ganze Verfahren hier einfach blamabel", betonte Fraktionschefin Schuster.