Dance Theatre Heidelberg

Endlich eroberten "die Barbaren" die Bühne

Entspannte Stimmung und Glücksbringer hinter den Kulissen: Die Premiere von "Warten auf die Barbaren" bei Schlossfestspielen.

27.06.2022 UPDATE: 28.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden
Iván Pérez, Mathias Theisen, Inés Belda Nácher, Orla McCarthy, Jonah Moritz Quast, Julián Lazzaro und Yi-Wei Lo (v.l.) wurden vom Publikum mit viel Applaus belohnt. Foto: Renan Martins

Von Julia Schulte

Heidelberg. Gewusel, Hektik, Nervosität – so stellt man sich die Atmosphäre hinter der Bühne kurz vor einer Theaterpremiere vor. Aber anderthalb Stunden, bevor die Tänzer und der Schauspieler am Samstagabend den Zuschauern das erste Mal "Warten auf die Barbaren" bei den Heidelberger Schlossfestspielen präsentieren, ist es noch ziemlich ruhig im Backstage-Bereich des Dicken Turms.

Die Tänzerinnen sonnen sich auf der Wiese, im Bühnenbereich wird noch das auf dem Boden verstreute Gummi-Granulat weggesaugt und der künstlerische Leiter des Tanztheaters, Iván Pérez, der das Stück inszeniert, ist irgendwo auf dem Gelände mit Presseterminen beschäftigt.

>>> Unsere Serie über die Entstehung des Theaterstücks finden Sie hier. <<<

"Ich bin schon nervös", sagt Jonah Moritz Quast, der in dem Stück in die Rolle des Magistrats schlüpft. Es ist die einzige Schauspielrolle – und somit viel Text für Quast. Er sitzt auf einer Bierbank vor dem Zelt, in dem Umkleiden und Frisiertische aufgebaut sind.

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Drinnen räumt aktuell nur die Ankleiderin Sachen herum, denn die Sonne heizt es erbarmungslos auf. Aber alle sind froh an diesem Tag, dass das Wetter mitspielt. Die chaotische Premiere von "Shakespeare in Love" vom Vortag hängt noch nach – regenbedingt musste die erste Hälfte spontan ins Innere des Schlosses verlegt werden. "Wir haben wirklich Glück heute", sagt Tanzdramaturg Marcos Mariz, der noch ganz entspannt ein Eis isst.

Langsam, eine Stunde vor dem Beginn der Vorführung, trudeln alle Verantwortlichen hinter der Bühne ein. Überall hört man "Toi Toi Toi", kleine Geschenke werden als Glücksbringer überreicht. Mariz hat Schokolade für alle mitgebracht, die dankend angenommen wird. Quast sitzt in den Zuschauerrängen und geht nochmal den Text durch, als einziger hat er schon sein Bühnen-Outfit an.

Dramaturgin Ida Feldmann plaudert hinter der Bühne mit den Tänzerinnen. Für sie sind es die ersten Schlossfestspiele und sie ist sehr aufgeregt, erzählt sie. Wegen des Regens musste am Vortag die Generalprobe des Barbaren-Stückes abgebrochen werden, "das gibt natürlich kein gutes Gefühl", so Feldmann. "Aber ansonsten waren die Proben super", beteuert Mariz.

Inzwischen ist auch Pérez im Backstage-Bereich. "Ich freue mich auf den Abend", sagt er strahlend, und berichtet von vielen Änderungen, die in den letzten Tagen noch vorgenommen wurden. "Die waren wichtig", so Pérez. Auch die anderen Tänzer des Ensembles sind jetzt hinter der Bühne, um ihre Kollegen zu unterstützen. Einige von ihnen werden bald ihre eigene Premiere mit "Warten auf die Barbaren" feiern – die Zweitbesetzung des Stücks ist erstmals am 1. Juli zu sehen.

Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn ziehen sich die Tänzerinnen langsam um und machen Dehnübungen. Einer der Tänzer spritzt sich noch mal mit dem Wasserschlauch ab, der vom Gerüst baumelt und als provisorische Dusche dient.

Ab 20.15 Uhr trudeln dann die Zuschauer ein, viele schießen erst mal ein Foto von der beeindruckenden Kulisse. Hinter der Bühne ist es inzwischen ruhig geworden. Während alle anderen Beteiligten in den Zuschauerrängen Platz genommen haben, gehen die Darsteller noch mal in sich und meditieren.

Dann geht es los. Die dumpfe, dröhnende Musik setzt ein, die Darsteller treten auf die Bühne, hinter der die Sonne langsam untergeht. Während des Stückes ändert sich die Stimmung durch das Licht immer wieder, fast im Minutentakt wechselt der Himmel seine Farbe.

Diese Dramatik passt auch inhaltlich zu dem Stück: Als es fast dunkel ist, hat der Charakter des Magistrats einen düsteren Wandel durchgemacht – in knapp einer Stunde vom korrekten, naiv-lustigen Beamten hin zu einem gebrochenen Mann, der von dem Staat, für den er so lange tätig war, gefoltert wurde.

Mit einer beunruhigenden, finsteren Szene endet das Stück – und Applaus brandet auf. Den Zuschauern scheint es gefallen zu haben, und die Darsteller wirken sichtlich erleichtert und gelöst. Hinter der Bühne gibt es dann Bier, Sekt und Umarmungen. Von vielen Darstellern sind die Familien angereist und beglückwünschen euphorisch – die Premiere von "Warten auf die Barbaren" ist gelungen.

Info: Die RNZ hat die Produktion des Stückes von der ersten Tanzprobe bis zu der Premiere begleitet und über die Etappen der Entstehung der Inszenierung berichtet. Alle Artikel über "Warten auf die Barbaren" gibt es hier.

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