Windkraft in Heidelberg?

Windverhältnisse in der Rheinebene "sind nicht sehr üppig"

Projektleiter Jan Roß erklärt, wieso sich Baden-Württemberg mit der Realisierung von Windparks noch schwertut.

02.11.2023 UPDATE: 02.11.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden
Rund um Hangen-Weisheim nordwestlich von Worms in Rheinland-Pfalz drehen sich viele Windräder in der Rheinebene. Auf baden-württembergischer Seite sieht das anders aus. Foto: zg
Interview
Interview
Dr. Jan Roß
GAIA-Projektleiter für Windenergie

Von Julia Schulte

Heidelberg. In Rheinland-Pfalz drehen sich in der Rheinebene viele Windräder – in Baden-Württemberg dagegen herrscht Leere. Die Gesellschaft für Alternative Ingenieurtechnische Anwendungen (GAIA) plant, projektiert und realisiert Windenergie-Projekte im benachbarten Bundesland – unter anderem war sie an den linksrheinischen Windrädern in der Rheinebene beteiligt.

Im RNZ-Interview erklärt der GAIA-Projektleiter für Windenergie, Dr. Jan Roß, wieso in Rheinland-Pfalz so viel mehr Windräder stehen – und ob sie in der Ebene überhaupt sinnvoll sind.

Herr Roß, unterscheiden sich die Windverhältnisse auf den beiden Rheinseiten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz?

Nein, der Wind bleibt an der Grenze zwischen den Bundesländern ja nicht stehen.

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Häufig kommt der Wind allerdings aus Südwest. Schwächt er sich dann nicht ab?

Nicht unbedingt, denn die Rheinebene ist hier in der Region mit circa 40 Kilometern recht weitläufig. Der Grund dafür, dass in Rheinland-Pfalz so viel mehr Windräder als in Baden-Württemberg stehen, liegt eher in zwei Faktoren begründet: den planungsrechtlichen Rahmenbedingungen und dem politischen Willen auf kommunaler Ebene.

Können Sie das ausführen?

Das Planungsrecht in der Metropolregion Rhein-Neckar ist etwas komplizierter als im übrigen Rheinland-Pfalz. Die einzuhaltenden Abstände zu Ortschaften schränken den für Windenergienutzung verfügbaren Raum auf baden-württembergischer Seite mehr ein als in der Ebene auf rheinland-pfälzischem Gebiet. Das liegt aber weniger an den einzuhaltenden Abstandsvorgaben, sondern mehr an den tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten der Lage der Ortschaften und Aussiedlerhöfe.

In der Metropolregion sind unter anderem dadurch vergleichsweise wenige Flächen als Vorranggebiet für Windkraft ausgeschrieben: 0,4 Prozent des Gebiets der Verbandsregion Rhein-Neckar. In Rheinland-Pfalz kann man da deutlich großzügiger sein: Es gibt – außerhalb der Metropolregion und des Ausschlussgebiets "Pfälzer Wald" – mehr Standorte für Windenergie.

Und der politische Wille?

Der ist in Rheinland-Pfalz auch höher als in Baden-Württemberg. Die Kommunen haben dort aktiv Flächen ausgewiesen, während die Haltung in Baden-Württemberg eher zögerlich ist. Und vor allem im Odenwald gibt es häufig Proteste gegen Windkraftprojekte.

Ein häufiges Argument in der hiesigen Debatte um Windkraft ist, dass für Windräder auf Höhenlagen Wald gerodet werden muss, weshalb man lieber in die Ebene gehen sollte. Stimmen Sie dem zu?

Höhenlagen sind für Windkraft immer besser geeignet als die Ebene, da dort der Wind stärker weht und der Ertrag damit höher ist. Es gibt aber durchaus Argumente für Windräder auch in der Ebene.

Nämlich?

Die Standorte in der Ebene sind für Schwerlasttransporte leichter zu erreichen. Und wenn man die Höhen entlang des Neckars betrachtet, sieht man, dass dort häufig die vorgegebenen Abstände zu Ortschaften nicht eingehalten werden können.

Die Einschätzungen dazu, wie viel mehr Ertrag auf Höhen im Gegensatz zur Ebene erzeugt werden kann, gehen teils stark auseinander. Wie bewerten Sie die Differenz?

Hierfür würde ich zunächst die Daten des Windatlas Baden-Württemberg heranziehen, die zwar nicht zu hundert Prozent zuverlässig sind, aber eine "Hausnummer" der zu erwartenden Windverhältnisse angeben. Vergleicht man demnach – ausgehend von einer 160 Meter hohen Anlage – die Windleistungsdichte an einem mittelguten Standort in der Rheinebene und einem mittelguten Standort auf der Höhe, ist mit etwa 50 Prozent mehr Leistungsdichte auf den Höhen zu rechnen. Da sind dann aber die erhöhten Aufwände gegenzurechnen, um diese Standorte zu erreichen – was unter Umständen nicht unerheblich ist.

Ließe sich der geringere Ertrag von Windrädern in der Ebene nicht einfach durch längere Rotorblätter ausgleichen?

Das ist eine inhaltlich berechtigte Frage, denn größere Rotorblätter führen zu mehr "Erntefläche" und somit zu einem höheren Ertrag: Die Energieerzeugung ist proportional zur vom Rotor überstrichenen Fläche. Aber: Man kann versuchen, diese Windräder auch auf den Höhen aufzustellen – und hat noch mehr Ertrag. Und wir brauchen schließlich möglichst viel erneuerbare Energie.

Sie haben viel Erfahrung, was Genehmigungsverfahren von Windkraftprojekten angeht. Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

Zügige und konstruktive Arbeit der Behörden, Kommunikation und überhaupt personelle und technische Ausstattung der Behörden sind enorm wichtig. Zudem klare rechtliche Rahmenbedingungen und natürlich die Einbeziehung der Bevölkerung. Die Menschen vor Ort müssen etwas von den Windkraftanlagen haben, beispielsweise können geschädigte Waldflächen – sogenannte Kalamitäten – , die im Besitz der Gemeinde sind, ausgeschrieben werden. Und auch die kommunale Wertschöpfung ist wichtig, es sollten also Gutachter, Bauunternehmen et cetera aus der Region beauftragt werden.

... oder ein regionales Bieter-Konsortium zum Zug kommen, wie in Heidelberg für Windräder auf dem Lammerskopf?

Genau.

Gab es eigentlich bei den Windparks in Rheinland-Pfalz, an denen Ihr Unternehmen mitgewirkt hat, Proteste in der Bevölkerung?

Kaum, und dann auch nur kurzfristig. Wichtig ist es, die Menschen gut zu informieren. Und man kann auch sagen, dass die inzwischen neueren, größeren Anlagen sich deutlich langsamer drehen.

Und das erhöht die Akzeptanz?

Ja, denn das ist optisch angenehmer und vor allem ruhiger.

Angenommen, Ihr Unternehmen bekäme das Angebot, in der Heidelberger Ebene Windräder zu bauen: Wäre das interessant für Sie?

Generell prüfen wir Angebote von zum Beispiel Kommunen, Flächeneigentümern oder Energiegenossenschaften und schauen, ob die Nutzung der Windenergie im angedachten Bereich sinnvoll sein kann und welche Randbedingungen zu beachten sind. Zudem prüfen wir auf Kriterien wie Planungsrecht, Abstandserfordernisse, Schallimmissionen und Schattenwurf.

Und natürlich sind die Windverhältnisse wichtig, und in der Rheinebene sind diese im Vergleich zu den Höhen nicht sehr üppig. Da kommt es dann sehr auf den Einzelfall an, ob ein Projekt für uns interessant sein könnte.

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