Von der Ärztin zur Erfolgsautorin

So erfüllte sich diese Kinderbuchautorin einen Traum

Sibylle Mottl-Link tourt mit ihren Büchern für Kinder durch ganz Deutschland - Damit hat sie sich einen Traum erfüllt

17.11.2017 UPDATE: 19.11.2017 06:00 Uhr 4 Minuten, 3 Sekunden

In ihrer kleinen "Praxis" in der Bienenstraße in der Altstadt bewahrt Sibylle Mottl-Link ihre Handpuppen auf. Mit ihnen und ihren Medizin-Lesungen für Kinder tourt die 46-Jährige durch die ganze Republik. Foto: Friederike Hentschel

Von Anica Edinger

Es gab diesen einen Moment, da wollte Sibylle Mottl-Link alles hinwerfen. Ihre Skizzen, Skripte und Ideenbücher: Alles landete im Mülleimer. Nachdem ihr ein Verlag nach dem anderen Absagen schickte, wollte sie einfach nicht mehr. Also setzte sie sich an den Computer - und schrieb Bewerbungen an Kliniken. Es war das Jahr 2010. Dr. Sibylle Mottl-Link hatte sich eine Auszeit von ihrer Stelle an der Kinderklinik am Uniklinikum Mannheim genommen, um an einem neuen Projekt zu arbeiten: Medizin-Bücher für Kinder. Doch ihre Ideen fanden keine Abnehmer. Mottl-Link wollte zurück ins sicherere Berufsleben. Doch dann kam ihr Mann ins Spiel. "Er sagte zur mir: ,Eigentlich gibst du doch nicht so schnell auf.‘ Dann habe ich alles wieder aus dem Mülleimer geholt", erinnert sie sich. Und das war gut so.

Denn heute ist Sibylle Mottl-Link laut eigener Aussage eine der meist gebuchten Kinderbuchautorinnen in ganz Deutschland. Bis zu 100 Lesungen in der ganzen Republik absolviert die mittlerweile 46-Jährige pro Jahr. Und dabei verfolgt sie ein besonderes Konzept. Denn sie holt sich bei ihren Lesungen Verstärkung auf die Bühne. Sie heißen Kara, Coli und Cora - und sie sind Handpuppen. "Die Idee kam mir, als ich in Mecklenburg-Vorpommern in der Kinderklinik arbeitete und immer mit Handpuppen von Bettchen zu Bettchen ging", berichtet Mottl-Link.

Schwerkranken zauberte sie so ein Lächeln ins Gesicht - und genau das hat die Ärztin jetzt zum Beruf gemacht. Sie nimmt die Kinder bei ihren, wie sie es ausdrückt, "Lesungs-Puppentheater-Comedy"-Veranstaltungen, mit auf eine Reise in den menschlichen Körper. Dann wird erklärt, warum wir husten, wenn wir erkältet sind, oder auch, weshalb Darm-Bakterien so wichtig für uns sind. "Wenn die Kinder bei meinen Lesungen vergessen, dass sie in einer Bibliothek sitzen, dann habe ich es geschafft", sagt Mottl-Link.

Dass sie einmal etwas mit Kindern machen werde, sei ihr in die Wiege gelegt worden. Fast alle Frauen in der Familie, "sogar meine Schwiegermutter", lacht Mottl-Link, seien schließlich Lehrerinnen - angefangen bei ihrer Mutter. Sie war es auch, die die Tochter nach dem Abitur zum Medizin-Studium brachte. "Ich hätte gerne auch Theaterwissenschaften studiert", blickt die 46-Jährige zurück. Während ihres Auslandssemesters an der Universität in Wien sei sie mehr im Theater und in Opern als in Hörsälen gewesen. Schon in der Schule fehlte Sibylle Mottl-Link bei keiner Theateraufführung und stand auch bei Schulfesten immer auf der Bühne. Doch sie konnte sich nicht durchsetzen. "Gegen eine Mutter, die Lehrerin an einer Brennpunkt-Realschule ist, kam ich nicht an", sagt sie heute. Damals fügte sie sich.

Tatsächlich hätte Mottl-Link als Ärztin große Karriere machen können. Kurz vor ihrem Sabbat-Jahr 2010 bot ihr eine 200 Kilometer entfernte Uniklinik eine Forschungsoberarztstelle an. Doch sie sagte ab. "Das wäre mit der Familie schwierig geworden." Ihr jüngster Sohn war gerade vier Jahre alt, der ältere ging schon in Heidelberg zur Schule. Ihr Mann arbeitet als Psychiater in der Region. Nach Freiburg pendeln kam also nicht infrage. Denn Mottl-Link ist eben nicht nur Ärztin, Unterhalterin und Autorin, sondern auch ein Familienmensch. Überhaupt: "Ich wollte noch einmal etwas anderes machen", sagt sie. Die Idee mit den Büchern geisterte Mottl-Link schon lange im Kopf herum - "und da dachte ich mir: Jetzt oder nie".

Fünf Bücher hat Mottl-Link seither auf den Markt gebracht, darunter Werke wie: "Frau Doktor hat einen Vogel", "Hilfe! Frau Doktor und ihr Vogel kommen" und "In meinem Körper ist was los". Mit ihrem Programm zum dritten Buch tourt sie auch aktuell durch ganz Deutschland: In dieser Woche las sie etwa in Lampertheim oder auch in Rastatt, in der kommenden Woche geht es ins Ausland: Dann liest sie in Österreich - in Salzburg sowie in Linz. Um den Überblick zu behalten, muss sie selbst ständig in ihren Kalender schauen. Dabei genießt sie die Zeit, in der sie unterwegs ist. "Dann bin ich mal nur für mich selbst verantwortlich. Und in jeder noch so kleinen Stadt gibt es immer wieder einiges zu entdecken."

Auch die Ideen gehen Mottl-Link dabei nie aus. In ihrem neuen Programm, "Körperliche Bedürfnisse", thematisiert sie etwa auch Dinge, die ein wenig anrüchig sind. Die Puppen helfen ihr dabei: "Sie sagen Dinge, die Menschen allenfalls denken, aber nie aussprechen würden", erklärt sie. Das sei das Privileg ihrer Bühnen-Begleiter. "Die dürfen das." Das Buch zu "Körperliche Bedürfnisse" brachte sie im Selbst-Verlag raus. Und bei ihren Lesungen kommt ein neuer Protagonist vor: eine Schlange. Für die scheute die Ärztin und Autorin weder Kosten noch Mühen. Schließlich sollte die Schlange besonders werden - vor allem, was die Stimme angeht. "Sie sollte ganz tief sprechen", erklärt Mottl-Link. Also stellte sie sich vor den Spiegel - und probte. "Aber ich wurde sofort heißer." Und da sie sich nicht die Stimme kaputtmachen wollte, legte sie das Projekt "Schlange" zunächst zur Seite. Bis sie bei einem ihrer Rettungseinsätze - nebenbei macht sie gerade ihren Notarzt-Schein - Heavy Metal Musik hörte. "Ein Assistent im Wagen war großer Fan - und ich hörte eine Frau singen." Da wusste Mottl-Link: So soll die Schlange klingen. Sie schrieb eine E-Mail an die Sängerin - und landete in der Sprechstunde bei einer Logopädin für Vielsprecher. Nach zehn Sitzungen stand die Stimme für ihre neue Handpuppe.

Nicht nur wegen dieser Geschichte ist Mottl-Link überzeugt: "Alles was ich anpacke, schaffe ich." Warum? "Weil ich angstbefreit bin." Daher ist sie auch vorsichtig, wenn sie gebeten wird, ihre Träume für die Zukunft zu formulieren - "weil die in Erfüllung gehen", strahlt Mottl-Link. So geschen erst kürzlich: "Ich wollte unbedingt eine Widerbelebungspuppe so umbauen lassen, dass ich sie bei meinen Lesungen einsetzen kann." Doch der Puppenbauer ihres Vertrauens in Ostfildern hatte keine guten Nachrichten. Zwar sei es prinzipiell schon möglich, die Puppe umzubauen - allerdings sollte das 4000 Euro kosten. "Das war mir zu viel", berichtet Mottl-Link - und fuhr wehmütig nach Hause. Am Telefon klagte sie ihrer Mutter ihr Leid. Dann die große Überraschung: "Sie sagte, ich soll die Puppe bestellen - und gab mir die Hälfte des Geldes dazu." Noch heute bekommt sie Gänsehaut, wenn sie daran denkt. "Sie hat damit nicht die Puppe, sondern meinen Traum bezahlt." Ein weiterer ihrer Träume wird am 6. Dezember wahr: Dann ist Sibylle Mottl-Link im Fernsehen. In "Volle Kanne" im ZDF wird ein Beitrag über die Heidelbergerin gesendet.

"Man muss hartnäckig und mutig sein", sagt sie. So käme man immer ans Ziel. Dass es funktioniert, hat die Erfolgsautorin bewiesen.

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