Syrer will alte Kultur bewahren

Rimon Wehbi will West-Aramäisch vor dem Aussterben schützen

Der 29-Jährige kehrt in sein zerstörtes Heimatdorf in Syrien zurück, um den Kindern dort die alte Sprache beizubringen.

02.01.2018 UPDATE: 03.01.2018 11:15 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden

Rimon Wehbi studierte in Heidelberg West-Aramäisch - obwohl das seine Muttersprache ist. Sie zu schreiben, lernte er erst hier. Foto: Rothe

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Der Geist Jesu, er war hier selbst 2000 Jahre danach noch allgegenwärtig. Er war. Heute ist in Maalula nichts mehr, wie es einmal war. Das malerische Bergdorf mitten im syrischen Qalamun-Gebirge ist heute dem Erdboden gleichgemacht. Viele Einwohner haben Maalula verlassen, sind geflohen vor den Barbareien des Krieges. Die meisten von ihnen sind bis heute nicht zurückgekehrt, werden es vielleicht nie mehr tun. Rimon Wehbi schon. Etliche Jahre hat der 29-Jährige im Ausland gelebt und studiert, die letzten zwei davon in Heidelberg. Nun macht er sich auf den Weg in seine völlig zerstörte Heimat - mit einer Mission: "Ich will helfen, unsere Sprache und unsere Kultur vor dem Aussterben zu bewahren."

Rimon Wehbi stammt aus einem besonderen Dorf. Es ist eines der letzten, wo noch West-Aramäisch gesprochen wird - die Sprache, in der Jesus Christus gepredigt hat. Das Dorf war für viele Jahre ein Pilgerort für Christen und Touristen aus aller Welt. Doch dann kamen der Krieg und Al-Nusra. In nur wenigen Monaten haben die Kämpfer der islamistischen Terrormiliz die Grundfesten jahrhundertealter Kultur auf bestialische Weise eingerissen. Auch wenn die Regierungstruppen Maalula mittlerweile wieder unter ihre Kontrolle gebracht haben, ist das kleine Dorf längst nicht mehr das, was es einmal war. Wo früher ein malerisches Häusermeer einen Bergfuß bekleidete, recken sich heute Ruinen in den Himmel - darunter auch Wehbis Elternhaus. "Meine Familie konnte Gott sei Dank rechtzeitig flüchten. Aber unser Haus haben sie komplett abgebrannt", sagt er.

Viel schlimmer als die Verwüstungen sei aber die Tatsache, dass viele Einwohner vertrieben worden wären, unter ihnen "vor allem junge Menschen", so Wehbi. Er hat Angst, dass damit auch die Tradition Maalulas vor dem Ende steht, Sprache und Kultur zugrunde gehen könnten.

Wehbi entschied sich, selbst dagegen anzukämpfen. Nach Aufenthalten in Damaskus und im Libanon ging er nach Heidelberg, um bei Werner Arnold zu studieren - dem Professor, der einst selbst in Maalula forschte und seit vielen Jahren an der Universität Heidelberg das Fach Semitistik lehrt. "Es ist der einzige Ort weltweit, an der meine Muttersprache überhaupt unterrichtet wird", sagt Wehbi.

Obwohl er mit ihr aufgewachsen ist, hat der Syrer im Rahmen seines zweijährigen Masterstudiums viel Neues über die eigene Sprache erfahren. Etwa, wie sich diese zu Papier bringen lässt. Denn in seiner Heimat, erklärt der 29-Jährige, werde das West-Aramäische lediglich mündlich weitergegeben, von Vater zu Sohn. "Gerade deshalb", so betont er, "ist es wichtig, dass auch junge Leute die Sprache lernen."

Dafür kehrte Wehbi noch vor Silvester nach Maalula, rund 60 Kilometer nordöstlich von Damaskus unweit der libanesischen Grenze gelegen, zurück. "Ich möchte Kinder und junge Leute unterrichten und mit meinem Wissen helfen, die Sprache am Leben zu erhalten." Dass das kein leichtes Unterfangen wird, ist ihm klar: "Zunächst einmal muss die ganze Infrastruktur wiederaufgebaut werden. Teilweise gibt es nicht einmal mehr Elektrizität."

Hätte er es sich leicht machen wollen, wäre Wehbi in Heidelberg geblieben. "Hier kann man wunderbar und sicher leben." Viele seiner Freunde könnten noch immer nicht nachvollziehen, warum es den Syrer zurück in die Heimat zog. "Sie sagen mir: Du bist doch verrückt, bleib lieber in Deutschland!", lächelt Wehbi. Doch das könne er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren: "Wenn alle jungen Leute so denken - was ist dann mit unserem Land, unserer Kultur, unserer Sprache? Ich möchte nicht, dass all das zugrunde geht."

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